Rheinland-Pfalz und Weinanbau: Edeltropfen im Landeswappen
In Rheinland-Pfalz wird ein Großteil des deutschen Weins angebaut. Mal wird kultiviert genossen, mal einfach nur gesoffen. Besser geworden ist er.
Der Urgroßvater mütterlicherseits starb wegen eines riesigen Fasses Wein. Nicht etwa, weil er es auf einen Schlag ausgetrunken hätte, sondern weil er sich auf dem Weg der Beschaffung desselben eine Erkältung zugezogen hatte, die in einer schweren Lungenentzündung mündete. Er war Inhaber des Weinhauses Wölfle am Koblenzer Florinsmarkt. Auf alten Fotografien sieht man ihn vor seinem Geschäft neben einem jener großen Fässer stehen, die er in regelmäßigen Abständen von der Mosel herholte, die bekanntlich in Koblenz in den Rhein mündet.
Dies begab sich zu einer Zeit, als noch der originale Kaiser Wilhelm auf dem Deutschen Eck thronte, die preußische Rheinprovinz bewachend, und der Genuss von Alkohol auch am helllichten Tage noch zum guten Ton gehörte. „Sekt zur Suppe“, dieses Zitat ist jedenfalls von meiner verstorbenen Urgroßmutter überliefert, und es war vornehm gemeint.
Die Grenzen zwischen kultiviertem Weingenuss und hemmunglosem Besäufnis waren in dieser Gegend schon immer so fließend wie der Grenzverlauf zwischen Deutschland und Frankreich. Und das ging auch so weiter, als 1946 die Sache mit der Westgrenze endgültig geregelt und das Bundesland Rheinland-Pfalz gegründet war. Von dem denken viele, es sei ausschließlich von Pfälzer „Krischern“ bewohnt, was aber eben die schunkelnden Rheinländer und die moselfränkisch polternden Moselaner mit ihren süffigen, auf Schiefer gebetteten Steillagen ausblendet.
Doch ob nun kreischend, schunkelnd oder polternd: Überall im Lande wird Wein angebaut und regelmäßig konsumiert, weshalb sich auf dem Landeswappen eine sogenannte Volkskrone aus Weinblättern befindet. Sechs der insgesamt dreizehn deutschen Weinbaugebiete für Qualitäts- und Prädikatswein liegen innerhalb der Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz. Und mehr als 65 Prozent des deutschen Weines werden in den dortigen Weinbaugebieten Ahr, Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz und Rheinhessen hergestellt.
Der Stoff wird im Titel geführt
Darüber hinaus existiert mit dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau eine Landesbehörde, die den Stoff sogar offiziell im Titel führt. Und klar: Die Deutsche Weinstraße befindet sich ebenfalls in Rheinland-Pfalz – wenngleich ich mich zu erinnern meine, dass insbesondere an den Wochenenden und des Nachts das ganze Bundesland aus Weinstraßen bestand, deren Kurven junge Leute hinaus und an den nächsten Baum trugen.
Das waren noch die Ausläufer jener Zeiten, in denen man sich Mainzer Politik ausschließlich als CDU-gemacht vorstellen konnte und die Winzer ihren Ruf mit der Herstellung billiger, subventionierter Massenware ruinierten.
Empfohlener externer Inhalt
Der Teil meiner Generation, die das alles überlebt hat (auch den flächendeckenden Einsatz karzinogener Pestizide, gerne mit dem Hubschrauber ausgebracht) und an der Mosel geblieben ist, wird seit 30 Jahren von den Sozis regiert und ist auf „naturnahe“ und ökologische Produktion umgestiegen. Die Generation X und folgende leistet seitdem ihren Beitrag dazu, die beschädigte Reputation des Rieslings wiederherzustellen. Den wir uns natürlich trotzdem seinerzeit literweise hinter die Binde gekippt haben, insbesondere zur Weinfestsaison am Ende des Sommers.
So schlimm war’s nun auch nicht, auch wenn ein jugendlicher Magen mit Säure natürlich besser zurechtkommt – und überhaupt: „Wo ist der Deinhard?!“ Der epochale Slogan der Koblenzer Sektkellerei Deinhard hätte meiner Urgroßmutter vielleicht auch gefallen, wer weiß.
Rainer Brüderle, der ungekrönte Mister Rheinland-Pfalz
Der einzige wahre „Mr Rheinland-Pfalz“ aber hat weder mit der Partei von Malu Dreyer (SPD) noch mit der von Julia Klöckner (CDU) zu tun: Es ist der langjährige rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle, der es im Jahr 1996 ins Guinnessbuch (ausgerechnet) der Rekorde brachte, indem er 1.368 Weinköniginnen auf einem Platz versammelte. Der stets gesellige, lustig dahernuschelnde „Fluppeskopp“ ehrenhalber verkörperte in seiner aktiven Zeit wie kein anderer den Geist des „Landes der Reben und Rüben“. Bevor er (selbstverständlich leicht angeheitert) daran scheiterte, in einer Hotelbar auf die „Tanzkarte“ einer Journalistin zu gelangen, die lieber Smartphones nutzte, um Verabredungen zu vereinbaren.
Empfohlener externer Inhalt
Kultivierte ältere Herren, so erinnere ich es aus Kindertagen, gingen jedenfalls allabendlich im grauen oder beigen Anzug in die Wirtschaft oder gar ins „Kasino“, um dort exakt ein Viertel Weißwein zu trinken. Der Wein wurde aus einer kleinen Karaffe in den gravierten „Römer“ geschenkt, ein Weinglas mit einem massiven grünen Stil. Und dazu wurde Zigarre geraucht, beziehungsweise ein „Stumpen“.
Allein der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hätte dem fidelen Brüderle den Titel abspenstig machen können, wenn er nicht, leider, leider, Luxemburger wäre. Und ja, auch in Rheinland-Pfalz haben sich die Dinge verändert, seitdem ich dort als Schüler die Einweihung der Kröver-Nacktarsch-Halle journalistisch begleiten durfte, für den Trierischen Volksfreund. Aber vieles ist auch geblieben: Der Geruch der Kelterrückstände zum Beispiel, die im goldenen Herbst als Dünger in die Weinberge verbracht werden, ergänzt durch ein Aroma von verbranntem Buchenholz, weil garantiert irgendwo jemand gerade einen Schinken räuchert. Das leicht moderige, säuerliche und mit einem Hauch Riesling und Traktordiesel versetzte Odeur, das einem aus den Kellern und Hofeinfahrten in den kleinen Weinbaudörfern und Städtchen entgegenwabert.
Prost also, ein Glas auf die Heimat. Mindestens eines.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl