Rezension zu „Tiny Beautiful Things“: Mit Wärme und Wahrhaftigkeit

Die Disney+-Serie bewegt sich zwischen Trauer, Komödie und brutalem Pathos. Besonders überzeugt aber die Hauptdarstellerin.

Die Schauspielerin Kathryn Hahn in ihrer Rolle als Claire Pierce in "Tiny Beautiful Thing"

Kathryn Hahn als Claire Pierce Foto: Jessica Brooks/Everett Collection/imago

Dass sich bei „Tiny Beautiful Things“ das Einschalten lohnt, weiß man eigentlich, bevor man auch nur eine einzige Minute dieser neuen, zehnteiligen Disney+-Serie gesehen hat. Der Name der Hauptdarstellerin genügt, um umgehend einschalten zu wollen. Wenn man ihn denn kennt.

Kathryn Hahn als Hollywoods bestgehütetes Geheimnis zu bezeichnen, wäre übertrieben, aber ein Superstar ist die im Juli 50 Jahre alt werdende Schauspielerin eben auch nicht. Die längste Zeit ihrer inzwischen fast 25-jährigen Karriere war sie eigentlich eine unter vielen: eine Schauspielerin, die okay von ihrem Beruf leben konnte, ohne je die ganz großen Rollen zu bekommen. Hübsch, aber nicht im Roten-Teppich-Sinne glamourös; ungemein talentiert, aber ohne, dass man bei den Oscars auf sie aufmerksam geworden wäre.

Dass nach einer langjährigen Nebenrolle in der Krimiserie „Crossing Jordan“ und kurzen Auftritten in Kinokomödien wie „Liebe braucht keine Ferien“, „Stiefbrüder“ oder „Wir sind die Millers“ inzwischen die New York Times oder das W Magazine Schlange stehen für Fotoshootings und Interviews, ist eine Entwicklung, die eng mit dem Streaming-Boom verknüpft ist. Denn seit sie sich 2014 als Rabbi Raquel Fein in „Transparent“ als wahrer scene stealer entpuppte, ist Hahn nicht mehr wegzudenken aus den spannendsten Serienproduktionen der letzten Jahre.

Als Clare Pierce steckt Hahn in „Tiny Beautiful Things“ schon beim Einsetzen der Handlung in einer handfesten Midlifekrise. Die Ehe mit Danny (Quentin Plair) ist trotz Paartherapie in Schieflage, nicht zuletzt, seit sie ihrem Bruder ohne Rücksprache eine stattliche Summe Geld geliehen hat. Clare treiben zwei große Traumata um: der frühe Krebstod ihrer geliebten Mutter (Merritt Wever) sowie die Tatsache, dass sie trotz Talent und Buchvertrag nie die Autorin wurde, die sie immer sein wollte.

Kurz vor dem Kontrollverlust

„Tiny Beautiful Things“ basiert auf dem gleichnamigen Buch von Bestsellerautorin Cheryl Strayed, die darin ihre eigenen „Dear Sugar“-Kolumnen sowie autobiografische Essays versammelte. Für die Serie bedeutet das, dass sie in ihrer Auseinandersetzung mit Familie, Trauer und Sex irgendwie Gegenwart und Rückblenden sowie Visionen, Träume und Ratschläge aus dem Off verschmelzen muss.

Mancher Aspekt von Clares Biografie wird dabei allzu kurz abgehandelt, während viel Platz für mal kluge, mal banale Lebensweisheiten bleibt. Vor allem aber zieht sich ein Übermaß an Sentimentalität durch die Geschichte, der eigentlich das Potenzial zu sehr viel mehr abgründiger Wildheit innewohnt.

Doch tatsächlich: Kathryn Hahn macht solche Einwände mehr oder weniger im Alleingang vergessen. Mit so viel Wärme und Wahrhaftigkeit eine wahrlich nicht fehlerlose, aber gerade deswegen liebenswerte Frau zu verkörpern, die stets ganz kurz davorzustehen scheint, die Kontrolle über sich und ihr Leben zu verlieren – das macht dieser Ausnahmeschauspielerin nämlich so schnell niemand nach.

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