Revisionistischer Brauerei-Besitzer: Historikerstreit in Prenzlauer Berg
Eine finnische Brauerei in Berlin mit Bezug zu einem SS-Veteranenverein ist Freitag Thema einer Diskussionsrunde über Geschichtspolitik in Finnland.
Eine finnische Brauerei in Prenzlauer Berg ist unvermittelt in das Zentrum eines Historiker*innenstreits gerückt. Weil der finnische Chef des Craftbier-Restaurants Bryggerie Helsinki in der Göhrener Straße gleichzeitig Vorsitzender eines SS-Veteranenvereins „Veljesapu“ (Bruderhilfe) in Finnland ist, der das Andenken an die rund 1.400 Finnen ehren will, die im Zweiten Weltkrieg freiwillig für Deutschland in der Waffen-SS dienten, hatte das Berliner Bündnis gegen Rechts zum Boykott aufgerufen. Zuvor hatte die taz berichtet, dass der Brauer auch auf der diesjährigen Grünen Woche ausschenken durfte. Hakenkreuze und SS-Runen hat der Verein inzwischen von seiner Website entfernt.
Im Kiezladen in der Dunckerstraße in Prenzlauer Berg gibt es am Freitagabend nun eine Diskussionsveranstaltung vom Berliner Bündnis gegen Rechts zum Thema „SS-Verherrlichung und Geschichtspolitik in Finnland und Deutschland“. Neben David Kiefer vom Bündnis sind Cordelia Heß, Professorin für nordische Geschichte an der Uni Greifswald, und der Direktor des finnischen Nationalarchivs Jussi Nuorteva an der Diskussion beteiligt.
Der Geschäftsführer der Brauerei, Pekka Kääriäinen, beteuerte gegenüber der taz, kein Nazi zu sein – genauso wenig wie sein Vater damals, als er freiwillig in der Waffen-SS (Division Wiking) diente. Sein Verein diene nur der finanziellen Unterstützung von Veteranen und ihrer Familien. Gleichzeitig bemüht sich Kääriäinen um ein positives Bild der finnischen Waffen-SS-Männer.
In manchen Punkten will der Nationalarchiv-Direktor Nuorteva dem Brauereibesitzer durchaus zur Seite stehen: Kääriäinens Vater habe in seinen Tagebüchern angesichts bezeugter Erschießungen Abneigung gezeigt, so Nuorteva. Zudem habe es unter den 1.408 Freiwilligen nur 20 aktive Unterstützer des Nationalsozialismus gegeben. Der SS-Veteranenverein habe zudem die Aufarbeitung durch das Nationalarchiv unterstützt, indem diese ihr Material zur Verfügung gestellt hätten. Die Untersuchung des Nationalarchivs kam dennoch zum Schluss, dass es höchstwahrscheinlich sei, dass finnische SS-Leute an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Unter kritischen Historiker*innen wird die Studie als zu wohlwollend kritisiert.
Legende vom unpolitischen SS-Mann
Der an der Diskussion beteiligten Heß geht es um ein differenziertes Bild: „Mir ist es zwar einerseits wichtig, SS-Verherrlichung und Entpolitisierung der Waffen-SS, wie sie auch die Brüderhilfe von Kääriäinen betreibt, ausdrücklich zu kritisieren. Gleichzeitig kann man aber auch nicht mit deutscher Arroganz hergehen und sagen, dass die Finnen gefälligst mal ihre Geschichte aufarbeiten sollten“, sagte sie der taz. Die Finnen hätten durchaus ein anderes Verhältnis zum Zweiten Weltkrieg, auch weil Finnland zuerst von der Sowjetunion überfallen wurde und seine Grenzen schützen wollte, so Heß. Und wer habe nochmal den Zweiten Weltkrieg angefangen? Eben.
„Dennoch ist klar, dass finnische SS-Freiwillige nicht unpolitisch in den Krieg gezogen sind“, sagt Heß. Bei aller Sensibilität für die finnische Sichtweise könne man deutlich sagen, dass sich anhand von Tagebüchern und Dokumenten durchaus auch bei den finnischen SS-Freiwilligen Antisemitismus belegen lasse: „Vor allem hat die Division Wiking an Pogromen und am Vernichtungskrieg teilgenommen. SS-Veteranenverbände stellen diese Täter wahlweise als Helden oder als Opfer dar.“
Derzeit läuft in Finnland eine politische Debatte um die Aufarbeitung der Geschichte der finnischen SS-Freiwilligen. Jüngere Historiker*innen stellten dabei in den vergangenen Jahren das auch durch SS-Veteranenvereine eher positiv geprägte Bild der finnischen Waffen-SS-Männer zunehmend in Frage und wurden dafür von Leuten wie Kääriäinen sinngemäß als Nestbeschmutzer kritisiert.
„Durch Aufrufe von geschichtsrevisionistischen Leuten wie Kääriäinen haben kritische Forscher*innen innerhalb Finnlands viel Gegenwind bis hin zum Shitstorm zu befürchten“, so Heß. Trotzdem ist sie sich sicher: „Die Legende von den unpolitischen Waffen-SS-Freiwilligen wird sich dennoch nicht aufrecht halten lassen.“
22. März, Kiezladen, Dunkerstraße 14, 19:30 Uhr
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