Rettungsschirm mit Hebel: Zoff um das Billionending

Finanzminister Schäuble hat offenbar lang gehegte Pläne verschwiegen, den Rettungsschirm per "Hebel" zu tunen. Auch sonst wirkt die Regierung konfus.

Uarrrgh: Wird der Hebel nun umgelegt oder nicht? Bild: kallejipp / photocase.com

BERLIN taz | Manchmal ist gerade eine nichtssagende Antwort sehr aussagekräftig. Ein Musterbeispiel lieferte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), als er in der Bundestagsdebatte Ende September mit einer Zwischenfrage konfrontiert wurde. Ob bei dem Schirm eine Hebelung geplant sei, wollte der Grüne-Finanzexperte Gerhard Schick wissen.

Schäuble mied sorgfältig das Tabuwort, "unanständig und unangemessen" seien Verdächtigungen, die Richtlinien für den Schirm noch nicht verhandelt. Wenig später schaffte Schwarz-Gelb knapp die eigene Mehrheit für den Rettungsschirm.

Jetzt, gerade mal drei Wochen später, sagte Kanzlerin Angela Merkel gestern völlig überraschend ihre für Freitag geplante Regierungserklärung ab: weil noch kein Hebelmodell festgezurrt ist. Ein solches Instrument würde das Volumen des 440 Milliarden Euro schweren Rettungsschirms, der deutsche Haftungsanteil liegt bei 211 Milliarden, auf mehr als eine Billion Euro aufblasen. Schäuble informierte etwa den Europaausschuss über Modelle - offensichtlich bester Laune, berichten Teilnehmer: Wer Hebel ausschließe, müsse wissen, dass man ohne auch keinen Nagel aus der Wand bekomme, habe der Minister gewitzelt.

Dennoch äußert sich Schäuble weiter nicht offiziell dazu, ob er tatsächlich ein solches Tuning will. Seit der Nichtantwort im Plenum tut er entsprechende Meldungen als haltlose Spekulationen ab. Mehr noch: Er hält das Thema bewusst unter der Decke, um die wackelnde schwarz-gelbe Mehrheit beim Rettungsschirm-Beschluss zu retten.

Konkrete Modelle wurden besprochen

Kurz vor der Entscheidung im September reiste der Minister nach Washington, sein Staatssekretär Jörg Asmussen und einige Parlamentarier, darunter der Grüne Schick, begleiteten ihn. In einem Briefing informierte Asmussen die Abgeordneten über die nächsten Schritte der Regierung. "Da wurden bereits konkrete Modelle für Hebel besprochen", sagt Schick heute. "Es ging nicht um die Frage, ob man diese Möglichkeit nutzt, sondern wie." Entsprechend wunderte sich der Grüne über das spätere Schweigen des Ministers: "Er hat diese wichtige Diskussion vor der Abstimmung über den Schirm unterdrückt. Und tut das bis heute."

Klar ist: Weder SPD noch Grüne zweifeln daran, dass eine Hebelung beim Rettungsschirm notwendig ist. Doch sie wollen die Regierung zu mehr Offenheit zwingen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kündigte an, notfalls per Antrag einen Beschluss des Bundestags über den Hebel zu fordern: "Ich bin gespannt, ob die Abgeordneten der Koalition in einer solchen Abstimmung die Hand dafür heben wollen, aber nicht dürfen."

Auch die SPD will den Plenumsbeschluss. Der Europaexperte Michael Roth sagt: "Die Koalition sollte so mutig sein, eine Diskussion zuzulassen." Und SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann findet: "Es kann nicht sein, dass über Milliarden der Bundestag entscheidet - und über Billionen nur noch der Haushaltsausschuss."

Die Koalition will nur den Haushaltsausschuss damit beschäftigen. Ihre Spitzen fürchten, dass der Hebel der eigenen Mehrheit im Plenum den Rest geben könnte. Als Erster meldete sich FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Das Risiko steige durch einen Hebel nicht per se, sagte der Freidemokrat. Noch so ein bemerkenswerter Schwenk: In der September-Debatte hatte Brüderle noch empört den Investor Warren Buffett zitiert, die Hebelprodukte wirkten wie "Massenvernichtungswaffen".

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