Repressionswelle in Aserbaidschan: Letzte unabhängige Stimme verloren
Aserbaidschan verfolgt zunehmend Journalisten und macht Medien mundtot. Zuletzt traft es „Turan“, das letzte freie Medium des Landes.
![Staatspräsident Ilham Alijew. Staatspräsident Ilham Alijew.](https://taz.de/picture/7536712/14/37313840-1.jpeg)
Das älteste und letzte unabhängige Medium Turan, das in Aserbaidschan gearbeitet hat, schließt seine Türen. In einem Brief von vergangenem Donnerstag an die Leser*innen begründete Direktor Mehman Alijew den Schritt mit finanziellen Schwierigkeiten. Man werde sich nicht mehr dem Nachrichtengeschäft widmen, sondern künftig analytische Beiträge veröffentlichen, schrieb Alijew, der nicht mit Staatspräsident Ilham Alijew verwandt ist.
Seit seiner Gründung 1990 habe Turan den Herausforderungen des Übergangs, des Krieges und der Reformen getrotzt und sich einem Journalismus verschrieben, der dem öffentlichen Interesse diene. „Dies ist nicht das Ende unserer Mission, sondern eine Weiterentwicklung.
In der Zukunft des Journalismus wird es nicht nur darum gehen, Nachrichten zu verbreiten, sondern auch darum, Verständnis zu fördern. Die Geschichte von Turan ist noch lange nicht zu Ende. Bleiben Sie bei uns“, lautet der letzte Satz des Briefes.
Tags zuvor hatte Alijew gegenüber Time TV Azerbaijan gesagt, man habe nie Gelder von USAID oder anderen Stiftungen erhalten sowie keine Beziehungen zu anderen oppositionellen aserbaidschanischen Medien unterhalten. Die Arbeit in ihrer jetzigen Form einzustellen, habe niemand verlangt, mit Inhaftierung sei den Mitarbeiter*innen nicht gedroht worden.
Letztere Äußerung kann bezweifelt werden. So schrieb der Oppositionspolitiker Jamil Hasanli in den sozialen Medien über Turan, dass „der Grund zweifellos nicht nur finanzielle Schwierigkeiten sind, sondern auch die Politik, die diese Schwierigkeiten verursacht, das Umfeld, die Verfolgung der Presse und der Meinungsfreiheit.“
Beispiellose Repressionswelle
Vor einer Woche hatte Turan eine Nachricht veröffentlicht, wonach die Maschine des aserbaidschanischen Präsidenten Baku-1 auf ihrem Flug nach St. Petersburg am 25. Dezember 2024 anlässlich des GUS-Gipfels „externen Störungen“ ausgesetzt gewesen sei. Am selben Tag war ein Flugzeug auf dem Weg von Baku ins tschetschenische Grozny über Kasachstan abgestürzt, 38 Personen kamen dabei zu Tode.
Baku geht davon aus, dass die Maschine von der russischen Luftabwehr getroffen wurde. Am 7. Februar zog Turan die Nachricht zurück – und entschuldigte sich bei seinen Leser*innen, der Artikel sei voreingenommen und falsch gewesen.
Ob dieser Rückzieher ausreicht, ist fraglich. Bereits seit über einem Jahr sind Medien in der Südkaukasusrepublik, die Alijew seit 2003 regiert, einer beispiellosen Repressionswelle ausgesetzt. Die Liste festgenommener Journalist*innen mit anschließenden Prozessen sowie Schließungen von Medien wird stetig länger.
Zunächst traf es das Investigativmedium Abzas Media. Sechs Mitarbeiter*innen werden Devisenschmuggel und weitere Wirtschaftsdelikte vorgeworfen. Am 25. Januar 2025 fand die dritte Anhörung statt.
Im Falle einer Verurteilung drohen den Beteiligten bis zu zwölf Jahre Haft. Vor wenigen Tagen zog die Regierung bei Sputnik Azerbaijan sowie BBC News Azerbaijan den Stecker. Sputnik gehört zum internationalen Kreml-Sprachrohr Rossija Segdnja. Zur Begründung hieß es, es müsse eine Parität zwischen ausländischen Medienvertreter*innen in Aserbaidschan sowie aserbaidschanien Journalist*innen im Ausland hergestellt werden.
Reporter ohne Grenzen führt Aserbaidschan auf Rang 164 von 180 Plätzen. Das dürfte 2025 kaum besser werden.
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