Repression gegen Medien in der Ukraine: Harte Türpolitik
Ausländische Journalisten werden immer häufiger aus der Ukraine ausgewiesen – vor allem russische. Ihnen wird Propaganda unterstellt.
Warum Pampliega und Sastre nicht ins Land gelassen wurden, darüber kann man bis heute nur spekulieren. Während führende internationale Journalistenorganisationen diese Abschiebungen kritisierten, sagt Sergej Tomilenko, der Vorsitzende des ukrainischen Journalistenverbands, die Behörden würden die Entscheidung nicht einmal begründen. Auch der Medienexperte Jurij Lukanow vermisst eine Begründung. „Der Inlandsgeheimdienst SBU muss schon erklären, warum er den spanischen Journalisten die Tür gewiesen hat.“
Anders verhält es sich bei Fällen, die russische Staatsbürger betreffen. Während die meisten ukrainischen Journalisten die Abschiebung der spanischen Reporter, wenn auch nur auf Nachfrage und mit sehr vorsichtigen Formulierungen, ablehnen, weiß der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU, dass er bei der Abschiebung russischer Journalisten die Unterstützung der ukrainischen Medienwelt hat.
Neben den beiden Spaniern sind nämlich in den letzten Wochen auch drei Journalistinnen, die aus Russland gekommen waren, abgeschoben worden. Eine von ihnen ist Anna Kurbatowa, Korrespondentin des Russischen „Ersten Kanals“. Sie war am 30. August festgenommen und wenig später nach Russland abgeschoben worden. Zum Verhängnis war Kurbatowa die Bemerkung in einem Fernsehbeitrag geworden, die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung würde „den Unabhängigkeitstag nicht lieben“. Kurz darauf bekannte die ukrainische Journalistin Ljubov Velichko vom Online-Portal texty.org.ua freimütig, dass sie es war, die den Inlandsgeheimdienst SBU über die Sendung von Kurbatowa informiert hatte. Wenig später habe dieser „die russische Lügnerin“ abgeschoben.
„Immer auf der Seite der Wahrheit“
„Ich habe den SBU gebeten sicherzustellen, dass derartige sogenannte Journalisten in der Ukraine nicht arbeiten.“ Der SBU habe sich umgehend bei ihr bedankt, sagt Velichko gegenüber der taz. „Ich bin immer auf der Seite der Wahrheit, und denke, dass ein Journalist, der offen lügt, kein Journalist ist. Solche Leute sollen sich nicht in der Ukraine aufhalten.“
Auch Tomilenko, der Chef des Journalistenverbands, sieht in der Frage der Behandlung von russischen Journalisten Einigkeit. „Es herrscht Konsens darin, dass Vertreter der russischen Propagandamedien bei ihrem Aufenthalt in der Ukraine ihre Pflicht, sich an professionelle Standards und an eine Ethik zu halten, aus den Augen verloren haben. Und so ist es nun mal hier herrschende Position, dass man diesen Journalisten das Recht auf Arbeit nehmen muss.“ Es sei jedoch sinnvoll, so Tomilenko weiter, dass sich die ukrainische Regierung die Erfahrung von Experten hole, um zu überlegen, mit welchen Mitteln auf „den Informationskrieg“ zu reagieren sei. Hier gelte es, die Argumente von ausländischen Kollegen zu hören. „Hauptkritikpunkt ist, dass die ukrainische Gesetzgebung eine Abschiebung von Journalisten aufgrund deren Veröffentlichungen nicht vorsieht.“
Auch Medienexperte Lukanow unterstützt das Vorgehen gegen russische Journalisten. „Die russischen Journalisten werden in diesem hybriden Krieg als weitere Waffe eingesetzt. Sie sind genauso Halsabschneider wie die Soldaten an der Front. Nur schießen sie nicht mit heißen Waffen, sondern beeinflussen Gehirne.“ Das Ergebnis von deren Arbeit habe man 2014 gesehen, als viele nach Putin gerufen hätten. „Russische staatliche, vom Kreml kontrollierte Medien, sind keine Medien. Sie müssen als Propagandawerkzeuge begriffen werden.“
Doch auch russische Medien, die eindeutig der russischen Opposition zuzuordnen sind, müssen mit Sanktionen der ukrainischen Behörden rechnen. So war Anfang des Jahres dem oppositionellen russischen Fernsehsender „Doschd“ seine Sendeerlaubnis auf dem Gebiet der Ukraine entzogen worden. Der Sender habe für russische Produkte geworben und auf einer Karte die Krim als zu Russland gehörend markiert, begründete das ukrainische Rundfunk- und Fernsehkomitee seine Entscheidung im Januar. Einer der wenigen ukrainischen Journalisten, der das harte Vorgehen der Behörden gegen russische Journalisten infrage stellt, ist Kirill Lukerenko, Chefredakteur von „Hromadske Radio“. Es sei in der Tat so, so Lukerenko zur taz, dass russische Journalisten ihre Materialien mit Hass tränkten, Tatsachen verdrehten. „Doch mir scheint, wenn wir diese Leute ausweisen, wird die Information über die Ukraine in Russland noch verzerrter sein, als sie es jetzt schon ist.“
Verdacht auf Hochverrat
Vladimir Selenski, bekanntester Showmaster des Landes, ist bekannt für seine beißende Kritik an der Regierung und seine Parodien von Präsident Poroschenko. Fast täglich kommen neueste Enthüllungen über korrupte Politiker und Spitzenbeamten in die Medien. Diese Kritik ist erlaubt. Doch in einem Punkt zeigen die ukrainischen Behörden null Toleranz: Wer Sympathien für Russland oder die Separatisten im Osten zeigt, bekommt es mit dem Inlandsgeheimdienst SBU zu tun.
Einer von ihnen ist der westukrainische Journalist Wasilij Murawizkij. Dieser soll auf sechs russischen Internetseiten antiukrainisches Material veröffentlicht haben. Ihm droht ein Verfahren wegen Hochverrat. Reporter ohne Grenzen und das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten hatten die Ukraine aufgefordert, den seit Anfang August inhaftierten Murawizkij freizulassen. Seit 2015 sind die Journalisten Dmitrij Wasiljez und Jewgenij Timonin in Untersuchungshaft. Seit ihrer Inhaftierung wurde die Untersuchungshaft alle zwei Monate unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf weitere zwei Monate fortgesetzt. Den beiden wird vorgeworfen, einen separatistischen Sender betrieben zu haben.
Beobachter sehen in der Ukraine eine Zunahme des „patriotischen Journalismus“. Immer wieder wird von „Helden“ geschrieben, wenn Statistiken von gefallenen Ukrainern veröffentlicht werden. Gleichzeitig werden russische Soldaten als „Raschisten“ bezeichnet. „Leider geht bei einem beträchtlichen Teil der ukrainischen Journalisten die Tendenz zum loyalen und patriotischen Journalismus“, kommentiert Valerij Iwanow, Präsident der NGO „Akademie der ukrainischen Presse“ und Autor des Buches „Journalistische Ethik“. In der Folge, so Iwanow, werde Journalistik zu Propaganda. Und so komme es zu einem Vertrauensverlust bei Leser- und Hörerschaft, einer Abnahme der Einhaltung journalistischer Standards. Und dieser Schaden sei nicht zu unterschätzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass