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Rennen ums Rote Rathaus eröffnetBrückenbauerin oder Kapitänin

Kommentar von Stefan Alberti

Die Spitzenkandidatinnen stehen fest. Die Wahl zwischen Bettina Jarasch (Grüne) und Franziska Giffey (SPD) ist auch eine Frage des Führungsstils.

Wird ein Langlauf: Bettina Jarasch kriegt Turnschuhe auf der Landesdelegiertenkonferenz geschenkt Foto: picture alliance/dpa/Annette Riedl

W er regiert Berlin? Knapp zweieinhalb Millionen Menschen können im nächsten September darüber entscheiden, am selben Tag, an dem auch Bundestagswahl ist. Aus den lange bloß mutmaßlichen oder designierten Kandidaten sind inzwischen echte geworden – die Grünen wählten dabei vergangenen Samstag Bettina Jarasch zur Spitzenkandidatin.

Ihre Bewerbungsrede auf dem ersten rein digitalen Parteitag des Grünen-Landesverbands wirft aber nicht nur die Frage auf, wer regiert, sondern auch, welcher Regierungsstil sich durchsetzen wird. Denn Jaraschs Angebot unterscheidet sich klar von dem der Frau, die mutmaßlich ihre größte Konkurrenz im Rennen um den Topjob im Roten Rathaus ist: Franziska Giffey, bei der SPD knapp zwei Wochen zuvor zur Spitzenkandidatin gewählt.

Die Frage ist, ob die besagten zweieinhalb Millionen eine Frau an der Spitze wollen, die wie Jarasch nicht sagt: Ich hab’s raus, folgt mir! Sondern stattdessen ankündigt, Bündnisse zu schließen, Brücken zu bauen und Mehrheiten zu finden. Eine Frau, die, auf fehlende Verwaltungserfahrung angesprochen, im taz-Interview sagte, es sei „alte Denke“ und ein überholtes Politikverständnis, dass sich Können, Macht und Einfluss immer nur von Ämtern ableite.

Oder will die Wählerschaft mehrheitlich eine, die sich merklich an einem Satz des verstorbenen früheren FDP-Chefs Guido Westerwelle orientiert: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt – und das bin ich.“

Das Ganze ist ein Experiment

Wenn Jarasch von Bündnissen und Mehrheiten spricht, so sind das keine parlamentarischen, sondern solche mit gesellschaftlichen Interessengruppen, die nicht unbedingt grün sind, mit denen sie aber Schnittmengen sieht: Schnitzelliebhaber, die gegen Massentierhaltung sind; Autofahrer, die eine Verkehrswende unterstützen; private Vermieter, die nicht den letzten Cent rauszupressen versuchen.

Brückenbauerin oder Kapitänin – die Entscheidung fällt am 26. September 2021

Das Ganze ist ein Experiment. Wird sich die Wählerschaft für ein großes Partizipationsprogramm begeistern, mit Teilhabe und Experten, die eine verwaltungsunerfahrene Regierungschefin beraten, deren Zeiten als erfolgreiche Landesvorsitzende heute vier Jahre zurückliegen? Oder werden sie dem folgen, was für Jarasch „alte Denke“ ist? Nämlich darauf zu setzen, dass eine durchsetzungsstarke Ex-Bezirksbürgermeisterin und Bundesministerin mit ihrem Stil als „Macherin“ auch auf Landesebene Erfolg hat.

„Man muss Führung auch zulassen“, hat auf dem SPD-Parteitag Giffeys Vizechef Andreas Geisel von seinen Genossen verlangt, als dort einige Giffey gleich schon wieder Knüppel zwischen die Beine warfen. Die Frage ist bloß, welche Führung und wie viel.Brückenbauerin oder Kapitänin – die Entscheidung fällt am 26. September.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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4 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Bettina Jarasch ist wohl der Brückenkandidat zwischen Ramona Pop und Antje Kapek - um Trampelpfade durch das Unterholz unterschiedlicher grüner Ansichten zu hacken .

    Sie ist aber wohl kaum die Kandidatin, tragfähige Brücken zu bauen zu einem riesigen Potential von Wählern -- denen es bislang nicht vergönnt war, RRG zu wählen.

    Das Stefan Alberti nun die stachelige Keule auspackt die SPD mit der Lindner FDP zu verwechseln (was hat die SPD mit der FDP zu tun?) zeigt das er von Zweifel zerfressen ängstlich zitternd nur noch mit einem Foul versuchen kann zu punkten.

    Besser kann Alberti die Strahlkraft von Franziska Giffey, die ihn anscheinend völlig überwältigt und um den Verstand gebracht hat, nicht unterstreichen.

    Wer keine politischen Argumente mehr hat versucht es eben mit einem Foul.

    Wenn Jarasch dafür da ist innerparteiliche Konflikte zu regulieren ist das ja okay - Brückenbauer für eine ausreichende Mehrheiten zum Umbau der Gesellschft/Produktionsstrukturen kann nur jemand sein, der neue Wählerschichten erschliesst - und das ist Franziska Giffey.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sollte man, bei all dem was wir so erlebt haben, die Möglichkeit schaffen, führende Politiker auch per Volksentscheid vorzeitig aus dem Amt zu entfernen.



    Wowereit wäre für mich so ein Kandidat gewesen. Auch heute gibt es mehrere Kandidaten. Mir reicht es nicht, wenn eine Partei jemanden für ein Amt nominiert. Referenzen!!

  • Wer Giffey wählen sollte, muss auch bedenken, welche Persönlichkeit diese Kandidation hat.

    Ihre beiden auffälligsten Eigenschaften sind doch Vetternwirtschaft und Betrug beim Abschluss der Universität als 'Doktor'. 'Vettern' ist da ja eher ein gelinder Ausdruck, denn der Betroffene, respektive Begünstigte, war ja ihr Ehemann.

    Auch als Plagiatorin hat sie eher viel zu verstecken. Unbestritten ist, dass sie in ihrer Doktorarbeit abgeschrieben hat und damit die Gesellschaft und besonders ehrliche Akademiker betrogen hat. Die Erschleichung eines akademischen Titels ist strafbar! Als die Überprüfung ihrer 'Arbeit' anstand, schaffte sie es irgendwie, dass die Prüfer der Universität zwar ihre Kopierarbeit feststellten (das ließ sich wohl nicht vermeiden) aber meinten, so schlimm sei es ja nicht gewesen. Erst lange Zeit danach beschäftigten sich andere Angehörige der Uni Berlin wieder mit der Angelegenheit. Ihr Resultat ist schlecht für die Kandidatin, das Ergebnis ist, dass nochmals geprüft werden muss.

    Ich frage mich, ob wieder etwas geschehen wird, dass das Ergebnis oder eine Veröffentlichung bis nach einer Wahl verzögert.

    Ob die Partei Giffeys SPD noch mehr derartige negative Schlagzeilen will, ist mir unklar. Einst eine wichtige Partei, nimmt sie derzeit eine ähnliche Rolle wie einst die FDP ein: Mehrheitsbeschaffer.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @fvaderno:

      Geht`s vielleicht mal eine Nummer kleiner? Betrug, Erschleichung...

      Haben Sie selbst jemals in ihrem Leben eine wissenschaftliche Arbeit abgeliefert?

      Die Doktorarbeit ist für mich nicht das Problem bei Frau Giffey sondern dass sie eine Verlängerung des Mietendeckels ablehnt.



      Wo bleibt da das soziale Denken?