Remake von „Ghostbusters“: Das Gespenst des Sexismus
Die Geisterjäger sind zurück – mit Frauen in den Hauptrollen. Im Netz sorgt das für einen sexistischen Shitstorm.
Zum Glück gibt es für diese Aufgabe immer noch die „Ghostbusters“. Seit Regisseur Ivan Reitman im Jahr 1984 Bill Murray, Dan Aykroyd, Ernie Hudson und Harold Ramis in beige Overalls steckte, um sie ausgestattet mit speziellen Lasern – den Proton Packs – auf Geisterjagd durch Manhattan zu schicken, weiß man: Wir sind nicht allein im Kampf gegen die böswilligen Erscheinungsformen der paranormalen kinetischen Energie.
Im Jahr 2016 gibt es aber noch ein ganz anderes Gespenst, das leider auch jenseits der Leinwand sein Unwesen treibt. Es ist das Gespenst des Sexismus. Und das hat sein hässliches Haupt erhoben gegen die Neuauflage des Films „Ghostbusters“.
Zur Erinnerung: Das Original war ein herrlich albernes Spukspektakel, das Geister- wie Techniknerds zu begeistern verstand. Denn die Geisterjagd erfordert eine Vielzahl an eigens für diesen Zweck entwickelten Apparaturen. Und irgendwie hält sich bei so manchem Fan wohl immer noch die Vorstellung, dass das mit den Frauen und der Technik einfach nicht so richtig klappt. Sonst ließe sich schwer erklären, warum es im Vorfeld dieses Films so viel Lärm um – fast – nichts gegeben hat.
Die „Ghostbusters“ haben für ihr Remake unter der Regie von Paul Feig nämlich ein anderes Geschlecht verpasst bekommen. Vier Frauen sind es, die sich jetzt als Retterinnen der Stadt behaupten müssen, gespielt von den Schauspielerinnen Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Leslie Jones und Kate McKinnon. Mit Ausnahme von McCarthy, der drittbestverdienenden Schauspielerin der Welt, haben die Darstellerinnen ihre komischen Talente der US-amerikanischen Öffentlichkeit auch in der beliebten Comedyshow „Saturday Night Live“ präsentiert, sind mithin gestandene Komikerinnen.
„Feminazis“, „Kindheit vergewaltigt“
Genutzt hat es ihnen zunächst nur bedingt. Denn die Bekanntgabe der Besetzung und die Veröffentlichung des Filmtrailers lösten im Netz einen Shitstorm weit unterhalb der Gürtellinie aus. Kommentatoren sahen „Feminazis“ am Werk, die dem Film ihre Ideologie unterschieben würden. Es hagelte sexistische – und gegen die schwarze Schauspielerin Leslie Jones zudem rassistische – Hetze. Vergleiche mit einem Gorilla inklusive.
Die Rollenbesetzung mit Frauen sei „die schlimmste Nachricht“, die er jemals bekommen habe, schrieb ein User auf Twitter – „und ich habe Hodenkrebs durchlebt“. Ein anderer kritisierte, dies sei nun der nächste Hollywoodfilm, der von Political Correctness ruiniert werde. Wieder andere sahen durch die Neuauflage ihre „Kindheit vergewaltigt“.
Insbesondere der rechtskonservative Journalist und Antifeminist Milo Yiannopoulos tat sich mit verletzenden Tweets gegen Jones hervor und unterstellte ihr etwa fehlende Schreibkenntnisse. Viele Trolls sprangen auf den Zug auf und bombardierten Jones mit rassistischen Nachrichten. Als die Schauspielerin dann Yiannopoulos auf Twitter blockierte, postete dieser, er sei „schon wieder von einem schwarzen Typen abgewiesen“ geworden.
Twitter sperrte schließlich Yiannopoulos’ Account, Jones zog sich aus Protest vorübergehend von Twitter zurück. Regisseur Feig nannte die Anfeindungen den „ekelhaftesten, frauenfeindlichsten Scheiß“, den er je gehört habe, und stellte sich demonstrativ hinter seine Darstellerinnen.
Ein Flop sieht anders aus
Der „Ghostbusters“-Trailer brach als Begleiterscheinung den Rekord als unbeliebtester Filmtrailer und steht derzeit auf Platz 10 der unbeliebtesten Youtube-Videos. Was dem Interesse am Film keinen Abbruch getan hat: Seit dem Filmstart in den USA am 9. Juli hat er mit Einspielergebnissen von von gut 160 Millionen Dollar seine Produktionskosten ausgeglichen. Ein Flop sieht anders aus.
Versagt hat hingegen die männliche Netzöffentlichkeit, die bei ihren Humorgewohnheiten anscheinend äußerst unflexibel ist. Wie aber auch Hollywood insgesamt noch Nachholbedarf bei Komikerinnen hat. Komödienerfolge wie Feigs „Brautalarm“ (2011) mit Wiig und McCarthy sind nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.
Die entscheidende Frage sollte daher lauten: Wie witzig sind die neuen Ghostbusters? Um es kurz zu fassen: Die vier Darstellerinnen sind der Aufgabe locker gewachsen.
Der Kultstatus: Wenn es einem Film gelingt, dass sich sein Logo als das zweitbekannte der Welt – nach Coca-Cola – etabliert, kann man sagen, er hat seinen Platz in der Massenkultur gefunden. „Ghostbusters“ (1984) ist das gelungen. Sein Logo, ein Gespenst auf einem Verbotszeichen, ist neben dem Titelsong von Ray Parker Jr. zur Pop-Ikone geworden.
Der Film: Die Komödie von Regisseur Ivan Reitman erzählt die etwas alberne Geschichte von vier Parapsychologen, die in Manhattan auf Geisterjagd gehen. Das Expertenteam, gespielt von Bill Murray, Dan Aykroyd, Harold Ramis und Ernie Hudson, rettet die Stadt vor den Gespenstern, die Menschen mit Schleim vollspritzen – und Schlimmeres anrichten. „Ghostbusters“ zählt zu den zehn erfolgreichsten Filmen.
Das Remake: „Ghostbusters“. Regie: Paul Feig. Mit Melissa McCarthy, Kristen Wiig u. a. USA 2016, 134 Min. Am 4. August startet die Neuverfilmung mit rein weiblichen Geisterjägerinnen in den Kinos. (tcb)
McCarthy und Wiig überzeugen als ungleiches Forscherinnenteam, mit McCarthy als temperamentvolle Draufgängerin und Wiig als stocksteife Professuranwärterin an der Columbia University. Jones gibt ihrem Part als – interessanterweise einzige nichtakademische – Geisterjägerin eine erfrischende Hemdsärmeligkeit. Allein die unter anderem als Angela-Merkel-Imitatorin hervorgetretene Kate McKinnon neigt in der Rolle der psychisch auffälligen Technikexpertin des Teams zum Overacting. Die durchgeknallte Physikerin nimmt man ihr dennoch gern ab.
Die Personallage des Films bietet jedenfalls keinen Grund zur Klage. Vielmehr war das Gender-Makeover ein geschickter Zug, um sich ein wenig von den alten „Ghostbusters“ zu emanzipieren. Im Umgang mit der Vorlage wählen Feig und seine Drehbuch-Koautorin Katie Dippold ansonsten eine gesunde Mischung aus dem pflichtbewussten Erfüllen von Fanerwartungen und ironischen Verweisen auf das Original.
So wird die Feuerwache „Hook & Ladder Company No. 8“ im Stadtteil Tribeca, die den alten Ghostbusters als Forschungslabor diente, auch diesmal als Immobilie besichtigt. Für die wenig begüterten Wissenschaftlerinnen ist die Miete mit 21.000 US-Dollar pro Monat allerdings unerschwinglich – ein Seitenhieb auf die vorangeschrittene Gentrifizierung Manhattans.
Grüner Schleim in 3-D
Selbstverständlich speien die Geister wieder ohne Ende grünen Schleim, dank 3-D-Technik kann man jetzt räumlich nachvollziehen, wie so ein Strahl frontal auf einen zuschießt. Und während Bill Murray eine solche Geisterattacke 1984 lediglich mit den Worten „Es hat mich vollgeschleimt“ kommentierte, ist Kristen Wiig deutlich expliziter bei der Beschreibung des Vollgeschleimtwerdens.
Von einer feministischen Variante des Klassikers zu sprechen, wäre dabei übertrieben. Vielmehr setzt der Film auf den spielerischen Umgang mit den kleinen Unterschieden zwischen Männern und Frauen. Im Zweifel wissen Frauen sogar besser, wie man sich effektiv gegen männliche Gespenster zur Wehr setzt. Merke: Auch Geister haben Weichteile.
Bei den männlichen Rollen gefällt der sonst eher auf Comichelden abonnierte Chris Hemsworth als geistig zurückgebliebener Rezeptionist mit breitem Coverboy-Lächeln: als Emanzipationsgeste in seiner Umkehrung zu offensichtlich – im Original gab es eine begriffsstutzige Empfangsdame –, ist sein Auftritt allemal herrlich bescheuert. Gleichfalls schön die Cameo-Auftritte der ursprünglichen „Ghostbusters“-Besetzung, mit Bill Murray als Skeptiker des Paranormalen besonders prominent besetzt, ohne dass das Drehbuch ihm falschen Respekt zollen würde.
Allerdings hätte man sich gewünscht, dass sich die Neuverfilmung mehr Freiheiten im Umgang mit der Vorlage nimmt. Viele Posten werden pflichtschuldig abgehakt, ohne dass sie einen nennenswerten Dreh verpasst bekämen. Was andererseits nicht fehlen durfte, ist der klassische Titelsong von Ray Parker, Jr. Der wird zwar nur kurz angespielt, erweist sich aber immer noch als um Klassen besser als die aseptische Neubearbeitung durch Fall Out Boy und Missy Elliott.
Wenn dann, wie es bei Franchises üblich ist, eines Tages die Fortsetzungen folgen, muss das nichts Schlechtes heißen. Das komische Potenzial der Beteiligten ist hinreichend vorhanden, der Griff der Geister gelockert. Jetzt muss sich das neue Team nur noch aus der Umklammerung des Erstlings lösen.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, der Film hätte bereits 300 Millionen Dollar eingespielt. Es waren zu diesem Zeitpunkt jedoch rund 161 Millionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen