Rekordpreise für Kaffeebohnen: Hohe Preise gefährden Genossenschaften
Um die 4 US-Dollar für ein Pfund Kaffeebohnen ist kleinen Händlern zu teuer. Kooperativen in Peru fürchten, dass nur die großen Konzerne profitieren.

Rodríguez stammt aus Pichanaki, einer Kleinstadt rund zehn Fahrtstunden von Lima entfernt. Ein hagerer Typ mit graumeliertem Haar und glattrasiertem Gesicht. Mehr als vierzig Jahre ist er im Kaffeebusiness. Doch eine Situation wie derzeit, wo extrem hohen Kaffeepreisen eine quasi inexistente Nachfrage gegenübersteht, ist ihm neu.
„Hier läuft die Ernte an – und unsere Kunden ordern nicht, weil ihnen die Weltmarktpreise zu hoch sind. So hat es das noch nicht gegeben“, sagt Rodríguez und blickt aus seinem Büro durch die Scheiben auf den weitläufigen Platz. Dort taucht ein weiterer Pick-up mit rund einem Dutzend Kaffeesäcken auf.
Ein paar Meter entfernt wenden ein paar Männer die Kaffeebohnen in regelmäßigen Abständen mit hölzernen Harken. „So trocknen die Bohnen gleichmäßig, bis sie die 11 bis 12 Prozent Feuchtigkeit enthalten, die wir akzeptieren“, erklärt Rodríguez das Procedere. Heute oder spätestens morgen werden die Kollegen unten in der Halle, wo das Schild mit dem Wort acopio, Ankauf, hängt, die Säcke wiegen, den Ankaufpreis der Genossenschaft auszahlen und den Mitgliedern – knapp ein Drittel Frauen – weiterhin eine gute Ernte wünschen.
Ernteeinbußen treiben die Preise
In drei bis vier Durchläufen werden die dicken roten oder auch gelben Kaffeekirschen geerntet, die derzeit an den Kaffeesträuchern rund um Pichanaki hängen. Normal bis gut werde die Ernte ausfallen, kalkulieren Bauern wie Víctor Gutíerrez und Bäuerinnen wie Lidia Orellana González. Beide engagieren sich in der Genossenschaft ACPC Pichanaki und haben heute in der Zentrale zu tun. „Wir sind 108 Frauen unter 376 Genossen, haben unser eigenes Frauenkomitee und eine eigene Kaffeemarke. Wir machen Fortschritte, die Perspektiven sind da“, so die 38-jährige.
Wie so viele andere hat sie die guten Ernteaussichten und den hohen Börsenpreis im Kopf. Die vollen Kaffeebüsche haben die Bäuer:innen ihrer eigenen Arbeit, dem einigermaßen stabilen Klima und dem weitgehenden Ausbleiben der Schädlinge zu verdanken.
Die hohen Kaffeepreise auf dem Weltmarkt sind hingegen eine Folge der Ernteeinbußen bei den beiden wichtigsten Anbieterländern: Brasilien und Vietnam. In beiden Staaten haben Dürren dafür gesorgt, dass die Erwartungen an die Erntemengen schlecht sind, Kaffee könnte knapp werden. Hinzu kommt die Spekulation, die die Preise weiter nach oben treibt und für Gewinne bei Tradern sorgt.
Gemeinsam sorgt das für Rekordpreise – und die setzen die Kaffeehändler, große und kleine Röster, aber eben auch die Genossenschaften von Kleinbäuer:innen unter Druck setzt.
Großkunden kaufen nicht
„Wir befürchten, dass die großen Aufkäufer, die Coyotes, hier in Pichanaki über Land fahren und kaufen, was sie bekommen können – eventuell auch von unseren Mitgliedern“, erklärt Víctor Gutíerrez. Der 59-Jährige arbeitet nebenbei in der Verwaltung der Genossenschaft, er weiß genau, dass Geschäftsführer Pedro Rodríguez gerade genug Kapital hat, um den Ankauf von Kaffee im Gegenwert von drei bis vier Containern zu finanzieren. Doch eine normale Ernte der 377 kleinbäuerlichen Produzent:innen beläuft sich auf rund achtzig Container.
Entsprechend nervös ist Pedro Rodríguez. Händeringend wartet er auf Kauforder großer Kunden wie der Hamburger Neumann-Gruppe, Benecke Coffee oder Interamerican Coffee. Er braucht die unterschriebenen Kaufverträge, wenn er bei den Banken Kredite bekommen will, um den Ankauf des Kaffees zu finanzieren. Denn nur einige wenige Kleinröstereien zahlen bis zu 60 Prozent ihrer Ordermenge vor der Ernte.
Doch genau da benötigt Pedro Rodríguez Kapital, um die Kaffeebohnen anzukaufen, die dann ein paar Wochen später per Container nach Hamburg, Liverpool oder Melbourne gehen. Sollte Pedro Rodríguez in ein, zwei Monaten nicht genug Geld haben, um den Kaffee der Genoss:innen zu einem Preis einzukaufen, der zumindest nahe am Weltmarktpreis liegt, werden die Kaffeebäuer:innen an andere verkaufen – und zwar an die Aufkäufer der großen Importeure.
Für die im Jahr 2000 gegründete Genossenschaft, die auch die Fairtrade Company Gepa beliefert, wäre das ein Desaster. „Das könnte unsere Existenz gefährden“, sagt Rodríguez und schiebt den Gedanken gleich mit einer Handbewegung wieder weg. Er plant, mit Víctor Gutiérrez auf die großen Kaffeemessen in Kopenhagen und Genf zu reisen.
Dort wollen sie ihre Kaffeeproben an die Kunden geben. „Uns bleibt kaum etwas anderes übrig, um den Kaffee unserer Genossen:innen in den Markt zu bringen“, erklärt Pedro Rodríguez etwas hilflos. Für ihn war der Verkauf der Säcke mit dem Logo der ACPC Pichanaki noch nie so schwierig – trotz oder gerade wegen der extrem hohen Preise auf dem Weltmarkt.
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