Reiseangebot von „Der Schmidt“: Bescheuerte CO₂-Keule
Das Reiseunternehmen „Der Schmidt“ bietet in Kooperation mit TUI einen Tagestrip von Braunschweig nach Neapel an. Einfach alles daran ist dämlich.
N atürlich ist es der Job eines Reiseunternehmens, Reisen anzubieten. Dazu gehören auch Flugreisen – wahrscheinlich nicht, weil die Reiseunternehmer*innen schlechte Menschen sind, sondern weil viele Kund*innen es immer noch so wollen. Aber das ist ein anderes Thema.
Das niedersächsische Unternehmen „Der Schmidt – Urlaub mit Herz“ treibt es mit einem Angebot aber derzeit auf die Spitze: Für nur einen Tag per Sonderflug von Braunschweig nach Neapel und zurück. Und das ausgerechnet am 31. Oktober, dem Reformationstag. War da nicht was mit diesem Christentum und der Bewahrung der Schöpfung?
Einfach alles daran ist dämlich: Der Aufenthalt in der italienischen Großstadt beträgt sieben Stunden. Von zehn nach zehn bis 17 Uhr haben die Gäste italienischen Boden unter den Füßen. In der Zeit werden sie „zu einem einzigartigen Palazzo am Meer“ kutschiert, wo ein „Event-Mittagessen mit korrespondierenden Getränken“ wartet. Danach eine kleine Stadtführung, schließlich „Zeit zur freien Verfügung“ – das lässt jedes Siebtklässler-Herz direkt höher schlagen.
Auch die Teilnahme an einer Taufzeremonie ist inklusive. Ob Sie direkt am Flugzeug zuschauen können, oder doch nur aus „angrenzenden Räumlichkeiten“, liegt noch in der Hand der Behörden. Jedenfalls sind Sie irgendwie mittendrin, wenn das Flugzeug des Typs Boeing 737-8 auf den Namen „Neapel“ getauft wird. Wie auch sonst. „Braunschweig“ oder „Der Schmidt“ klingen in anderen Sprachen außer auf Deutsch wahrscheinlich eher unfreiwillig lustig. In der Zeit der Taufe laufen die sieben Stunden Aufenthalt natürlich bereits.
CO2-Ausstoß von 0,55 Tonnen pro Person
Und der Preis für den Spaß? 499 Euro soll er kosten. Das reicht woanders für eine ganze Woche Urlaub. Der exklusive Trip wird übrigens veranstaltet, um der Zusammenarbeit von „Der Schmidt“ mit TUI „Ausdruck zu verleihen“ und deren „Aktivitäten in Italien zu würdigen“. Seit Jahren pflege man schließlich „engste Beziehungen zum weltweit größten Reisekonzern“.
Natürlich ist Fliegen an sich auch schon ziemlich unsinnig: Zwar schreibt TUI über ein Modell namens „Lanarca“, auch eine Boeing 737-8, dass dies „eines der modernsten und CO2-effizientesten Flugzeuge“ sei. Bei der Beschreibung der TUI-Flotte werden nackte Zahlen aber ausgespart – so verbrauche die 737 MAX 15 Prozent weniger Kraftstoff als die Vorgängerin, die Boeing 737 Next Generation. Wie viel genau, bleibt unklar.
Im kapitalistischen Denken ist es natürlich sehr löblich, dass Konzerne wie TUI ihre Emissionen deutlich senken wollen. Doch immer noch kommt am Ende zu viel Dreck raus.
Gibt man im CO2-Rechner vom Umweltbundesamt die Strecke Braunschweig–Neapel ein, spuckt dieser bei insgesamt 2.604 geflogenen Kilometern einen CO2-Ausstoß von 0,55 Tonnen pro Person aus. Laut Bundesumweltministerium beträgt der durchschnittliche CO2-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland 10,5 Tonnen.
Übrigens ist es egal, ob Mensch dann zwei Wochen in Neapel bleibt oder eben nur sieben Stunden. Ersteres lohne sich natürlich mehr, heißt es dann immer – die Emissionen interessieren sich aber nicht so sehr dafür, wann und für welchen Zweck sie ausgestoßen werden.
Bei der Rechnung ist nicht definiert, welche Auslastung das Flugzeug hat. „Der Schmidt“ jedenfalls will nur abheben, wenn mindestens 130 Personen gebucht haben. Immerhin, ein vernünftiger Einfall, obgleich hier wohl eher aus wirtschaftlichen Gründen. Ebenfalls nicht mit eingerechnet ist, dass das Flugzeug wahrscheinlich leer aus Hannover kommen und dorthin auch wieder zurückfliegen wird.
Flugscham schüren, mit erhobenem Zeigefinger die Moralkeule schwingen: Das alles hilft doch nicht, mögen jetzt einige denken. Das kann sein – aber wer am 31. Oktober in dieses Flugzeug nach Neapel steigt, sollte sich schämen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs