Reichsbürger:innen der SHAEF-Szene: Von Trumps Gnaden
Manche der Leute, die die BRD nicht anerkennen, berufen sich auf das „Oberkommando der Alliierten Expeditionsstreitkräfte“. Das wurde 1945 aufgelöst.
D ie Staatsanwaltschaft Göttingen sieht in dem Mann, der sich selbst unironisch „SHAEF-Commander Major“ nennt, keinen harmlosen Spinner. Thorsten J. aus Bad Zwischenahn sprach in seinen Telegram-Kanälen, in denen ihm bis zu 25.000 Abonent:innen folgten, Todesdrohungen aus. Die Staatsanwaltschaft machte daraufhin die Kanäle dicht – und klagte den 54-Jährigen an. Er habe öffentlich zu Straftaten aufgerufen und eine gefährdende Verbreitung personenbezogene Daten betrieben.
In der SHAEF-Szene tummeln sich Reichsbürger:innen. SHAEF ist keine komplette Fantasiebezeichnung. Das Kürzel stammt von der Bezeichnung der Alliierten für das 1943 entstandene „Oberkommando/Oberste Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte“, das diese 1945 nach der Kapitulation der Wehrmacht allerdings schnell wieder auflösten. Das Reichsideologie-Spektrum glaubt allerdings, das SHAEF bestehe weiter und sei die einzige Rechtsautorität auf deutschem Boden, dessen Grenzen nicht die „BRD-GmbH“-Grenzen sind.
In den zugehörigen Telegram-Kanälen der Szene werden Verschwörungsnarrative geteilt. Vom Ende der „Rockefeller-Rothschild-Konstrukte“, der „Genozidmafia WHO“ oder dem „Kriegstreiber UNO“ ist dort die Rede. Auch von einem „satanischen Weltsyndikat“ und es gibt einen an „Polizei- und Sicherheitskräfte“ gerichteten Aufruf zur Befehlsverweigerung.
Thorsten J. spricht in seinen Sprachnachrichten mit fester Stimme. „Message vom SHAEF Commander!“, heißt es in einer Todesdrohung gegen Jochen Arenz, den parteilosen Bürgermeister von Bad Doberan. „Wenn bis Donnerstag das Dokument nicht vorliegt, empfehle ich, mit einer kleinen Gruppe diesen Menschen aufzusuchen und ihn an der nächsten Laterne aufzuknüpfen und dementsprechend zu zeigen, wo wir stehen.“ Sehr „langsam“ solle die Erhängung erfolgen „damit er lange leidet und es möglichst viele mitbekommen“.
J. sei in 33 Fällen angeklagt, sagt ein Pressesprecher der Staatsanwaltshaft der taz. Schon im Dezember kam er in Untersuchungshaft. Er selbst sieht vermutlich keine Rechtsgrundlage für die Anklage. Denn die Bundesrepublik sieht er als einen „Scheinstaat“, eine „Firma“ und eine „Diktatur“. Er selbst habe als „Befehlshaber des Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force“ – kurz SHAEF – die Befehls- und Rechtsgewalt inne. Im Frühjahr 2020 will er vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump zum Befehlshaber ernannt worden sein.
Die bedrohten Menschen aus der Politik, der Polizei und anderen Behörden sind nicht die einzigen, die durch diese Bewegung gefährdet werden. Manche der Anhänger:innen gefährden selbst ihr alltägliches Leben oder ihre berufliche Existenz. In Niedersachsen weigerte sich ein Mann mit Verweis auf SHAEF-Gesetze, 10.000 Euro an eine Krankenkasse zu zahlen. Eine Folge: Die Räumung seine Hauses, berichtete T-online auf seiner Website.
Der Telekomdienst schrieb auch über einen Mann, der sich weigerte, ins Krankenhaus zu gehen, als er Vorhofflimmern hatte. Aus dem SHAEF-Umfeld kam prompt eine Empfehlung: Er solle es mit einem homöopathischen Mittel versuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen