Regionalflughäfen unter Druck: Flieger, grüß mir die Pleite
Der Flughafen Münster/Osnabrück ist zusammen mit anderen Regionalflughäfen Gegenstand einer Anfrage der Grünen an Niedersachsens Landesregierung.
Doch es regt sich Skepsis. Der FMO, an dem Urlauber mit Billigtickets starten können und Geschäftsreisende zu Inlands-Kurzstrecken, ruft Klimaschützer auf den Plan. Ein Geschäftsmodell, dass auf klimaschädlichen Emissionen aufbaue, sagt Volker Bajus, Chef der Ratsfraktion der Osnabrücker Grünen, sei „ökologisch und ökonomisch auf Dauer nicht tragfähig“. Osnabrück ist mit 17,2 Prozent einer der Hauptgesellschafter des Flughafens.
Auch in Bezug auf frische Finanzmittel stellen die Osnabrücker Grünen kritische Fragen. Und belassen es nicht dabei: Mit SPD und FDP haben sie Anfang Oktober im Osnabrücker Rat dafür gesorgt, dass dem FMO kein „Blankoscheck“ ausgestellt wird, wie Bajus es ausdrückt. Es ging um neue Darlehen von 1,2 Millionen Euro pro Jahr, auf fünf Jahre. Der FMO müsse, fasst Bajus zusammen, „nun jährlich aufs Neue nachweisen, dass er noch auf Konsolidierungskurs ist“. Sei er das nicht, stehe das Geld infrage.
2018 beförderte der Airport Helmut Schmidt 17,23 Millionen Passagiere, der Umsatz lag bei 269,4 Millionen Euro.
Den fast 50 Jahre alten Erbbaurechtsvertrag mit dem Flughafen im Stadtteil Fuhlsbüttel hat die Stadt vergangene Woche um 60 Jahre bis zum Jahr 2080 verlängert.
Für die Nutzung muss die Flughafengesellschaft jährlich rund 11,6 Millionen Euro Erbbauzins zahlen.
Strengere Auflagen bezüglich des Fluglärms hat die Stadt im Gegenzug gemacht. Der Flughafen hat sich zu Ausgleichszahlungen verpflichtet, falls am Jahresende ein festgelegtes Lärmkontingent überschritten wird. Anwohner und Umweltschützer hätten sich dieses kleiner gewünscht.
„Sehr gut, den FMO endlich so auf den Prüfstand zu stellen“, lobt Tobias Demircioglu, Vorsitzender des Kreisverbands Osnabrück des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD), froh um die Ratsentscheidung, mit der er „absolut nicht gerechnet“ hat: „Lieber spät als nie!“
12,6 Millionen Euro fehlen dem Bremer Flughafen derzeit. Dieses Geld muss die rot-grün-rote Landesregierung nun im Haushalt bereitstellen.
Als Gründe für den Finanzbedarf werden fehlende Passagiere, die Insolvenz der Fluglinie Germania und ein Investitionsstau genannt.
Das Jahr 2018 schloss die Flughafen Bremen GmbH bei 2,56 Millionen Passagieren und 185 Beschäftigten mit einem Minus von 110.000 Euro ab. Der Umsatz liegt bei 47 Millionen Euro.
Für die kommenden drei Jahre übernimmt Bremen nun die Kosten für die Flughafenfeuerwehr, was Kosten von rund vier Millionen Euro entspricht. Der Investitionsstau wird insgesamt aber auf gut 80 Millionen Euro geschätzt.
Auch die Hannoveraner Landtagsfraktion der Grünen übt massiven Druck auf den Flughafen aus. Auch aufgrund der Recherchen der taz hat sie gestern die Kleine Anfrage „Niedersächsische Förderungen und Betriebsbeihilfen für Flughäfen“ an die Landesregierung gestellt. In ihr geht es auch um den FMO, obwohl er in Nordrhein-Westfalen liegt. Schließlich ist sein Einzugsgebiet auch der niedersächsische Süden – und er hat niedersächsische Miteigner.
„Wir wollen wissen, wie regionale Flughäfen bisher gefördert worden sind und wie sie künftig gefördert werden sollen“, sagt Detlev Schulz-Hendel, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. „Wir wollen außerdem konkret wissen, ob die Landesregierung plant, sich an dem geplanten Investitionsbedarf des Flughafens Münster/Osnabrück zu beteiligen.“ 35 Millionen Euro stehen im Raum, für die Sanierung der Start- und Landebahn, Feuerwehrfahrzeuge, die Modernisierung des Gepäcksystems. Osnabrücks fünf 1,2-Millionen-Euro-Darlehen bis 2025 sind ein Teil davon.
Die Grünen lassen sich alle seit 2010 an Niedersachsens Flughäfen gezahlten Landes-, Bundes- und EU-Mittel aufschlüsseln, in allen Details, FMO inklusive. Sie fragen, wie sich das Land an den 35 Millionen beteiligt. Und sie wollen wissen, wie es seine beiden regionalen Flughäfen Hannover-Langenhagen und Braunschweig-Wolfsburg darauf vorbereitet, „von 2024 an ihre Kosten vollständig selber zu tragen“. Die EU beendet dann die Betriebsbeihilfen für regionale Flughäfen – kein Geld also mehr zur Finanzierung des täglichen Flugbetriebs.
Dem Flughafen Münster/Osnabrück weht ein harter Wind ins Gesicht. Aber es geht nicht nur darum, ob sein Betrieb sich finanzieren lässt, sondern auch darum, ob man ihn finanzieren sollte. Die Billigflüge und Inlands-Kurzstrecken des FMO hält Schulz-Hendel ökologisch für „höchst fragwürdig“. Angesichts der Klimaschutz-Debatte, „in der die Luftfahrtbranche selbst den Verzicht auf Inlandsflüge ins Spiel bringt und die Mehrzahl der Parteien gegen Billigflüge agieren“, erscheine das „anachronistisch und wenig zukunftsorientiert“.
Solche „problematischen Konzepte“ dürfe man „nicht weiter öffentlich subventionieren“. Angesichts des Klimawandels sei „gerade im Verkehrssektor ein Umdenken und Umsteuern dringend erforderlich“. Erheblich sinnvoller sei es, „die dafür erbetenen Fördermittel in Verbesserungen der Bahninfrastruktur zu investieren“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Berlin nimmt Haftbefehl zur Kenntnis und überlegt