piwik no script img

Regierungswechsel in BulgarienKiril Petkow ist neuer Landeschef

Der Chef der bulgarischen Reformpartei steht für Transparenz und den Kampf gegen Korruption – jetzt auch als Ministerpräsident.

Kiril Petkow sagt der Korruption den Kampf an Foto: Valentina Petrova/ap

Berlin taz | Seine Ansprüche sind hoch. „Sie werden mich häufig auf den Straßen Sofias sehen. Ich werde nah bei den Menschen sein“, sagte Kiril Petkow am vergangenen Montag vor Medienvertreter*innen. Es sei nicht gut, an der Spitze der Macht zu stehen, wo es keinen Sauerstoff gebe. Kurz zuvor war Petkow zum neuen Regierungschef Bulgariens gewählt worden. Ob der 41-Jährige jedoch genug Zeit für diese Studien am lebenden Objekt haben wird, ist fraglich. Denn die Baustellen, die der langjährige rechtskonservative Ministerpräsident Bojko Borissow hinterlassen hat, sind groß.

Schon in der vierten Klasse habe Petkow begonnen, sich für Politik zu interessieren. Das jedenfalls sagte sein engster Freund seit Sofioter Kindertagen, Boris Georgiew, dem bulgarischen Sender Nova TV. Damals hätten beide als „Post-Jung-Pioniere“ (Tschawdarscheta) an einem Treffen teilgenommen. Seitdem habe Petkow wohl immer wieder etwas in diese Richtung gezogen.

Zunächst jedoch zog es ihn erst einmal zu seinen Eltern nach Vancouver. Sie waren 1994 nach Kanada ausgewandert. An der University of British Columbia absolvierte Petkow ein Studium in Finanzwissenschaften und reichte als einer der Jahrgangsbesten auch noch einen Masterabschluss der Harvard-Universität in den USA im Fach Business Administration nach. In Kanada lernte er auch seine zukünftige Frau Linda McKenzie kennen, mit der er drei Töchter hat.

Nach Mitarbeit in einer kanadischen Firma gründete Petkow schließlich sein eigenes Unternehmen „Probiotik“, das auch Patente für Biotechnologie in den USA besitzt. Irgendwann reifte dann der Entschluss, nach Bulgarien zurückzukehren. 2018 gründete Petkow an der biologischen Fakultät der Universität Sofia für bulgarische Studierende das Zentrum für angewandte Forschung und Innovation in Naturwissenschaften (CASI).

Wirtschaftsminister für fünf Monate

Zwei Jahre später gingen Zehntausende Bul­ga­r*in­nen für Reformen und gegen Korruption der Regierung von Bojko Borissow wochenlang auf die Straße. Aus dieser Protestbewegung gingen mehrere Parteien hervor, die bei der Parlamentswahl am 4. April 2021 sowie am 11. Juli 2021 die Verhältnisse in der Volksversammlung gehörig durcheinanderwirbelten und eine Koalitionsbildung unmöglich machten.

Ergo übernahm eine Interimsregierung (Mai bis September) die Geschäfte, in der Petkow den Posten des Wirtschaftsministers bekleidete. Im Oktober erklärte das Verfassungsgericht seine Nominierung für verfassungswidrig, da er zu diesem Zeitpunkt die kanadische Staatsbürgerschaft besessen habe.

Bereits im September hatte Petkow mit seinem Mitstreiter und derzeitigem Finanzminister Assen Wassilew die Partei „Wir führen den Wandel fort“ (PP) gegründet, die bei der Wahl am 14. November die meisten Stimmen erreichte. „Null Toleranz gegenüber Korruption“ lautet Petkows Credo, der als Interimsminister bereits einige Skandale aufgedeckt hat. Doch um dieses Ziel durchzusetzen, wird er ziemlich dicke Bretter bohren müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 7G
    7363 (Profil gelöscht)

    Die Titelung in der Taz ist bei aller Objektivität manchmal salopp - ein anderes Wort fällt mir hierzu nicht ein was es auf den Punkt bringt. Manchmal haben wir den Eindruck, die langjährige Nähe und Verbindungen zum Springerverlag haben doch eingefärbt. Oder handelt es sich um wannabe frivol und unkonventionell sein - oder irgend ein alt Hippie-Genosse der bei euch als Titeler arbeitet.

    Jedenfalls ist der Mann nicht "Landeschef" geworden, sondern Chef der bulgarischen Regierung, als Ministerpräsident.

    Ein paar Dinge wünsche ich mir als jemand der monatlich spendet:

    - Abo / Paywall



    - Korrekt bezahlte Reporter



    - Titelung mehr wie FAZ oder Zeit



    - Online Layout / Schriften endlich überall das neue Design nutzen



    - Überhaupt mal in 2022 ankommen



    - Rudolf Ballmer raus