Regierungskrise in der Slowakei: Dreierbündnis geplatzt
In der Slowakei ziehen sich vier Minister aus dem Kabinett zurück. Nun soll eine Minderheitsregierung die Geschäfte übernehmen. Ob das gut geht?
Am vergangenen Mittwoch erklärte der slowakische Wirtschaftsminister Richard Sulik, gleichzeitig Vorsitzender der Koalitionspartei SaS („Freiheit und Solidarität“) seinen Rücktritt aus der Regierungskoalition. Schon am 31. August war Suliks Ultimatum ausgelaufen, mit dem er die größte Regierungspartei herausgefordert hatte: die OLaNO sollte ihren Finanzminister Igor Matovič zurückpfeifen, hatte die SaS gefordert.
„Es geht um die chaotische Art und Weise, die unsere Regierung ausmacht“, erklärte Sulík bei seinem Rücktritt. „Igor Matovič ist persönlich für die ganzen schlechten Schritte verantwortlich, die wir als Regierung getätigt haben“, begründete Sulik seinen Abgang. Er wirft Matovič vor allem vor, unvernünftig und unverantwortlich zu handeln. Und dabei nicht einmal auf seine Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen.
Zwischen Matovič und Sulik tobt ein Hahnenkampf, seitdem beide vor zehn Jahren im Slowakischen Nationalrat aufeinandergetroffen waren. Sulik ist Sohn einer Emigrantenfamilie und in Pforzheim aufgewachsen. Matovič ist ein kleiner Unternehmer, der im Fahrwasser des Mordes an dem Journalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter nach den Wahlen im Februar 2020 die Regierungsgeschäfte übernehmen durfte.
Die Wähler sind verwirrt
Seitdem hat Matovič ziemlich viele Befürchtungen über ihn bestätigt. Nach knapp drei Monaten im Amt überlebte er ein Misstrauensvotum wegen Plagiatsvorwürfen, die seine angeblichen akademischen Qualifikationen zunichte machten.
Kurz nach dem ersten Jahrestag seines Wahlsiegs musste er den Premiersposten räumen, nachdem er ohne Absprache im Kabinett in Moskau entgegen Empfehlungen der slowakischen Arzneimittelbehörde, Unmengen des russischen Covid-19-Impfstoffs Sputnik V bestellt hatte. Den Chefposten übergab er seinem Parteikollegen Eduard Heger. Er selbst wechselte ins Finanzministerium und scheitert seitdem.
„Statt eine Lösung zu finden, machen wir weiter mit dieser unendlichen Seifenoper, die niemanden mehr interessiert,“ kommentierte die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova, bevor sie Suliks Rücktritt annahm. Die Slowakei habe wahrlich andere Probleme, darunter den Krieg in der Ukraine, Klimakrise und Inflation.
Dennoch sind es die schlechten Beziehungen zwischen Sulik und Matovič, die das schwelende Feuer noch weiter anfachen. Jetzt ist Sulik zurückgetreten und mit ihm weitere drei Minister. Die Slowakei wird nun eine Minderheitsregierung bekommen. Ob und wie diese überleben wird, vermag derzeit niemand zu sagen. Die Wähler beider Lager seien verwirrt, kommentierte der slowakische Politologe Grigorij Meseznikov die jüngsten Entwicklungen. Das dürfte so schnell nicht besser werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!