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Regierungskrise in LibyenEin Land mit zwei Premiers

In Libyen streiten zwei Männer um das Amt des Chefs der Übergangsregierung. Der bisherige Amtsinhaber überlebte am Morgen einen Anschlag.

Anschlag überlebt: Regierungschef Dbaiba, Archivbild vom September 2021 Foto: Nada Harib/reuters

Tunis taz | Der mit Spannung erwartete Tag, an dem in Libyen das Parlament einen neuen Übergangsregierungschef bestimmen wollte, begann mit Gewehrsalven. Unbekannte hätten auf die Fahrzeugkolonne des aktuellen Regierungschefs Abdul Hamid Dbaiba geschossen, berichten der Libya Observer und andere gut über die Lage in der Hauptstadt Tripolis unterrichtete Medien unter Berufung auf Augenzeugen.

Verletzte gab es bei dem Attentatsversuch nahe des privaten Wohnhauses des Regierungschefs demnach nicht. Doch spätestens seit den frühen Morgenstunden ist klar, dass der von vielen Parlamentariern geplante Machtwechsel in Tripolis nicht ohne Gewalt stattfinden wird.

Das Parlament mit Sitz im Osten des Landes bestimmte am Donnerstag nichtsdestotrotz eigenmächtig einen Nachfolger für Dbaiba als Chef der Übergangsregierung, wie die libysche Nachrichtenagentur Lana meldete. Den Posten soll nach Willen des Parlaments nun der frühere Innenminister Fathi Baschaga übernehmen.

Das Parlament hatte am Montag beschlossen, die ursprünglich für Dezember geplanten Wahlen nicht mehr dieses Jahr abzuhalten. Für eine Übergangszeit von 14 Monaten soll nun eine neue Interimsregierung unter Baschaga eingesetzt werden.

Dbeiba hatte sich gegen die Wahl einer neuen Übergangsregierung gesperrt. „Ich werde keine neue Übergangsperiode zulassen“, sagte er am Dienstag. „Die Regierung der nationalen Einheit wird weitermachen, bis die Macht an eine gewählte Regierung übergeben wird.“ Sollte vorher ein neuer Regierungschef ernannt werden, sinke Libyen zurück in Spaltung und Chaos. Zugleich rief er zu Straßenprotesten auf.

Kritik an internationaler Staatengemeinschaft

Das Mandat von Dbaiba war am 24. Dezember abgelaufen. Die ursprünglich an diesem Tag geplanten Wahlen des Parlaments und eines Präsidenten waren an der Drohung von Milizen gescheitert, gewaltsam gegen die Wahlbehörde vorzugehen.

Fast Einhundert Kandidaten hatten sich für den Präsidentenposten beworben. Mit Khalifa Hafter, Saif al-Islam al-Gaddafi und Dbaiba selbst lagen in den Umfragen jedoch drei Favoriten vorn, deren Wahl im gegnerischen Lager zu Aufständen hätte führen können.

Für die Wahl des Parlaments hatten sich fast 5.000 Kandidaten beworben. „Der Anteil von weiblichen Kandidaten und jungen Menschen ist im Vergleich zu den Wahlen von 2012 und 2014 sprunghaft gestiegen“, sagt der politische Aktivist Hamza al-Najh, der in der Stadt Gharian als Kandidat angetreten war. „Der Wille zu einem demokratischen Wandel ist den Libyern trotz der Konflikte nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis nicht abhanden gekommen“, sagt der Familienvater stolz.

Doch er kritisiert, dass die internationale Staatengemeinschaft ignoriere, dass die Voraussetzungen für Wahlen noch immer nicht gegeben seien. „Für den 24. Dezember war weder eine Wahlbeobachtermission der EU noch der Vereinten Nationen geplant.“

„Auch scheint niemand bereit zu sein, die Wahlverlierer zu einer Anerkennung des Ergebnisses zu zwingen“, sagt Illiasse Sdiqui, der für die Sicherheitsfirma Whispering Bell in Tripolis die Lage beobachtet.

Exinnenminister will Regierungschef werden

Eigentlich ist auch das Mandat des Parlaments seit 2016 abgelaufen, doch der Krieg um Tripolis und die dadurch verstärkte Ost-West-Spaltung des Landes haben den Abgeordneten die üppig bezahlten Posten gerettet. Vorletzte Woche haben die Parlamentarier eigenmächtig einen Diplomatenstatus für sich und ihre Familien auf Lebenszeit beschlossen.

Eine gewaltsame Machtübernahme in Tripolis ist unwahrscheinlich

Illiasse Sdiqui, Analyst

Viele Libyer sind überzeugt, dass es die Präsidentschaftskandidatur von Seif al-Islam war, Sohn von Muammar al-Gaddafi, die den Wahlprozess beendete. Die kritiklose Anerkennung des vom Parlament ausgearbeiteten Wahlgesetzes kostete schließlich sogar dem Chef der UN-Mission für Libyen den Job. Bis heute konnten sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats nicht auf eine Nachfolgerin von UNSMIL-Chef Ján Kubiš einigen.

Seine Exstellvertreterin Stefanie Williams soll nun den Wahlprozess und eine Verabschiedung einer neuen Verfassung vorantreiben. Die US-Bürgerin muss nun allerdings möglicherweise den nächsten Waffengang verhindern, sorgt doch die Wahl Baschagas am Donnerstag für erhebliche Spannungen.

„Um als Regierungschef überhaupt nach Tripolis reisen zu können, müsste Baschaga die von der jetzigen Regierung gut bezahlten bewaffneten Gruppen wie die SSA von Kommandeur Gneiwa auf seiner Seite haben“, sagt Sdiqui. „Eine gewaltsame Machtübernahme in Tripolis ist unwahrscheinlich. Am ersten Februar haben sich die wichtigsten bewaffneten Gruppen getroffen und offenbar den Machtwechsel an Baschaga besprochen.“ Sollte der Plan scheitern, könnte sich mit Hilfe der in Ostlibyen stationierten russischen Söldner eine Parallelregierung bilden, warnt er.

„Die Mehrheit will den Wandel, doch solange die derzeitigen Machthaber die Milizen auf ihrer Seite haben, sind wir nur Zuschauer der Demokratie“, sagt Parlamentskandidat al-Najh.

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