Regierungskrise in Italien: Der Retter, der zerstört

Ex-EZB-Chef Mario Draghi soll in Rom die Regierung führen. Das ist kurzfristig nützlich – aber langfristig gefährlich.

Mario Draghi mit Gesichtsmaske, eingerahmt von einem Fenster, geht an einer Wache vorbei

Dass Ex-EZB-Chef Mario Draghi (rechts) Italiens neuer Premier werden soll, ist gut – kurzfristig Foto: Ettore Ferrari/ap

Mario Draghi soll Italiens neuer Ministerpräsident werden. Das ist die gute Nachricht für das Land. Mitten in der Pandemie, mitten in der durch sie ausgelösten schwersten ökonomischen und sozialen Krise muss sich Italien wenigstens um eines keine Sorgen machen: um das internationale, um das europäische Vertrauen, das der Regierung in Rom entgegengebracht wird.

Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank – und zuvor der italienischen Notenbank – kennt in Europa so gut wie alle, und alle kennen ihn. In Erinnerung geblieben ist die Entschlossenheit, mit der er – anders als die zaudernde Kanzlerin Merkel – im Jahr 2012 den Euro verteidigte, als er versprach, die EZB werde zur Rettung der Gemeinschaftswährung unternehmen, „what­ever it takes“, was immer es braucht.

Seinem Vorgänger Giuseppe Conte war es gelungen, das enorme Programm „Next Generation EU“ auszuhandeln, das allein für Italien 209 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten vorsieht, finanziert über gemeinsame europäische Schuldenaufnahme. Im Frühjahr muss Italiens Regierung die operativen Pläne für dieses Programm in Brüssel vorlegen. Dass jetzt Draghi damit befasst sein wird, dürfte in Europa auf Zustimmung stoßen.

Draghi als neuer Regierungschef – das ist zugleich die schlechte Nachricht für Italien. Kurzfristig mag er als Stabilitätsanker wirken, mittelfristig aber droht er die ausgefranste italienische Parteienlandschaft noch weiter zu destabilisieren. Vor allem die Fünf Sterne, seit 2018 an der Regierung, können jetzt eigentlich nichts richtig machen. Stützen sie Draghi, so wie es wohl ihr bisheriger Koalitionspartner, der gemäßigt linke Partito Democratico (PD) tun wird, dann stehen sie vor der Spaltung. Denn Draghi verkörpert jene alte Struktur, gegen das sich Fünf Sterne gegründet haben.

Doch falls sie gegen Draghi opponieren, wird die sich in den letzten Monaten abzeichnende dauerhafte Allianz zwischen Fünf Sternen und PD zu Makulatur. Und dann stünden bei den nächsten Wahlen die Türen für die populistische Rechte unter Matteo Salvini sperrangelweit offen.

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