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Regierungskrise in AnkaraIn der Türkei ist nichts undenkbar

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die Korruptionsaffäre hat Ministerpräsident Tayyip Erdogan geschwächt. Wie die türkische Regierung in Zukunft aussehen wird ist offen.

Erdogan-Unterstützer heißen ihn am Mittwoch auf dem Flughafen von Ankara willkommen – noch sind sie auf seiner Seite Bild: reuters

A uf die Türkei kommen unruhige Zeiten zu. Seit die Korruptionsaffäre Ministerpräsident Tayyip Erdogan persönlich erreicht hat, ist nicht mehr undenkbar, was sich die ganz überwiegende Mehrheit der Türken kaum mehr vorstellen konnte: eine türkische Regierung ohne Erdogan. Nach 11 Jahren an der Macht und der Perspektive, die kommenden 10 Jahre im Präsidentenamt zu verbringen, schien klar, dass Erdogan dem ersten Viertel des neuen Jahrhunderts in der Türkei seinen Stempel aufdrücken würde. Diese Sicherheit ist nun dahin.

Es kann sein, dass in den nächsten Tagen so massive Vorwürfe gegen Erdogan persönlich oder gegen ein Familienmitglied publik werden, dass die Partei ihren Vorsitzenden zum Rücktritt zwingt oder aber, was wahrscheinlicher ist, der Wähler ihn bei den kommenden Wahlen im März abstraft und er abtreten muss. Es kann aber auch sein, dass er sich mit seinem letzten Aufgebot, das sein neues Kabinett jetzt darstellt, noch einmal aus der aktuellen Krise herauswindet. Doch Erdogan ist stark geschwächt, ein starker Präsident kann er nicht mehr werden.

Bei allen Unwägbarkeiten für die kommenden Wochen ist nur eins sicher: Die Stabilität der letzten zehn Jahre ist passé. Das zeigt sich am deutlichsten an der Börse. Seit der ersten Verhaftungswelle am 17. Dezember haben die Aktienkurse an der Istanbuler Börse 10 Prozent an Wert verloren.

Für die türkische Demokratie würden sich im positiven Fall mit einem Abgang des immer autokratischer regierenden Erdogan neue Spielräume eröffnen. Die bislang marginalisierte Opposition wittert Morgenluft. Eine geschwächte AKP müsste vielleicht mit ihren Gegnern eine Koalition eingehen, die die Spaltung der Gesellschaft abmildern könnte. Das wäre der positive Ausblick.

Genauso gut aber kann die Lücke, die Erdogan hinterlassen würde, zu Chaos und einer neuen Unübersichtlichkeit führen, durch die die 90er Jahre in der Türkei schon einmal geprägt waren. Die ersten Leidtragenden davon wären die Kurden. Den Friedensschluss mit der PKK kann nur eine starke Regierung durchsetzen. Die kurdische BDP sieht die Turbulenzen, in denen Erdogan sich befindet, trotz aller Kritik am Regierungschef deshalb eher mit einem weinenden als mit einem lachenden Auge. Fest steht jetzt nur: Die kommenden Monate werden die Türkei sehr verändern.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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5 Kommentare

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  • AG
    ALI G

    "Eine geschwächte AKP müsste vielleicht mit ihren Gegnern eine Koalition eingehen, die die Spaltung der Gesellschaft abmildern könnte."

     

    Wie naiv!

     

    Erdogan hat sich schon Partner gesucht, um die Verfassung ändern zu können:

    Die rechtsfaschistische MHP (Bozkurt - die grauen Wölfe) hat er mit ins Boot geholt, um Kopftücher an den Unis erlauben zu können.

    Der Preis: Die "Verunglimpfung des Türkentums" ist weiterhin ein Straftatbestand. (§ 302)

     

    In der Türkei sitzen mehr Journalisten in Haft als in China - aber nicht in Prozent- sondern in absoluten Zahlen!

     

    Was also sollten SOLCHE Koalitionspartner verbessern?

  • Lieber Herr Gottschlich,

     

    ich möchte Ihre Sie erhellen; denn es tut mir doch wirklich in der Seele weh, wenn Sie mit "...könnte...,...würde...,...kann sein...,...wäre..." im Dunkeln stochern!

    Sie schreiben eine Minderheit als demokratische Mehrheeit des türkischen Volkes fest, die nichts von Erdogan wissen will und wollen somit der deutschen Öffentlichkeit politisch korrekt suggerieren, dass Erdogan gegen das Volk herrscht. Auch in desem Artikel muss der Leser davon ausgehen, dass es sich hier nur um einen Korruptionsskandal handeelt; zumindest sollten Sie die Gegeenthese eines Komplotes dazuschreiben, auch wenn es nur neutral erwähnt wäre! Damit verkennen Sie die Seele der Mehrheit des türkischen Volkes. Denn Sie und alle anderen Medien in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen sorgen mit ihrer Propaganda genau dafür, dass sich diese Mehrheit sich um den Mann scharen, den sie gewählt haben und nicht möchten, dass ihre Stimme gestohlen wird!

    Jetzt zur Erhellung:

    Erdogan wird wieder trotz Ihrer und Ihresgleichen Propaganda mit großer Mehrheit gewählt werden. Auch wenn es Ihnen und Ihresgleichen nicht gefallen wird; aber Sie sollten sich freuen; damit sichert Ihnen Erdogan Ihren Arbeitsplatz;-)

  • G
    gast

    "Seit der ersten Verhaftungswelle am 17. Dezember haben die Aktienkurse an der Istanbuler Börse 10 Prozent an Wert verloren."

     

    Aber es gab doch auch Gewinner, die Minister und deren Kinder, die sich die Taschen gefüllt haben. Oder ist der Typ schuld daran, der von Amerika aus die Regierung beinflußt haben soll ?

     

    Wenn Erdogan gehen muss, na dann kommen diese Brüder und machen weiter wie gehabt. Oder schlimmer ?

  • UF
    Ulrich Frank

    Beim Habitus des Aussitzens und des gewalttätigen Durchhaltens den sich die neueren Macho-Halbdiktatoren zugelegt haben - siehe auch Berlusconi,Rajoy - muß man sehr skeptisch sein ob ein selbständiger Rücktritt erfolgt. Macht und Anstand (oder Vernunft) waren noch nie so unverträglich wie heutzutage.

    • @Ulrich Frank:

      Die nehmen sich wahrscheinlich diie Volldiktatorin Merkel zum Vorbild!