Regierungsbildung in Polen: Duda schindet Zeit für die PiS
Präsident Duda will den bisherigen Premier mit der Regierungsbildung beauftragen. Dabei hat dessen PiS seit der Wahl keine Parlamentsmehrheit mehr.
Dennoch zieht jetzt Staatspräsident Andrzej Duda, der selbst aus der PiS kommt, den demokratischen Wechsel in die Länge. Am Montagabend kündigte er in einer Fernsehansprache an, den bisherigen Premier Mateusz Morawiecki mit der erneuten Regierungsbildung beauftragen zu wollen.
Offiziell wird er dies am Montag, dem 13. November, tun, also erst in einer Woche. Auf diesen letztmöglichen Termin hatte Duda zuvor die erste Sitzung des neu gewählten Parlaments angesetzt.
Morawiecki wird wahrscheinlich die ihm verfassungsrechtlich zustehende Frist von zwei Wochen voll ausschöpfen, um zu versuchen eine Regierung zu bilden, um dann dem Präsidenten sein Scheitern bekannt zu geben.
Nachhilfe für Duda: „194 < 248“
Denn im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, haben die Abgeordneten der bisherigen demokratischen Oppositionsparteien mit 248 der insgesamt 460 Sitze die absolute Mehrheit inne. Sie werden einer von Morawiecki geführten Regierung auf keinen Fall zustimmen.
Laut offizieller „Ansprache an die Nation“ war für Präsident Dudas Entscheidung, noch einmal der PiS den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben, ausschlaggebend, dass die PiS mit 194 Mandaten erneut stärkste Kraft im Sejm geworden war. Seiner Autorität als Staatspräsident ist das nicht unbedingt dienlich.
Inzwischen lacht halb Polen über ihn. Duda stehe wohl „auf Kriegsfuß mit der Mathematik“, heißt es in unzähligen Memes. Andere schreiben auf diversen Social-Media-Kanälen einfach nur: „Duda: 194 < 248“.
Nach zwei Wochen, wenn Morawiecki sein Scheitern eingestanden haben wird, kann der Sejm einen Abgeordneten damit beauftragen, eine Regierung zu bilden. Dies wird, sollte nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommen, Donald Tusk sein, der Ex-Premier Polens, frühere EU-Ratspräsident und derzeitige Parteichef der Bürgerkoalition (KO). Angeblich will Duda dann dessen Ministerriege „unverzüglich“ ernennen. Dann wäre es Ende November.
PiS könnte in letzter Minute noch Posten und Geld verteilen
Bis dahin könnte die geschäftsführende PiS-Regierung noch zahlreiche wichtige Posten verteilen, auch dem Präsidenten weitere Kompetenzen zuschanzen oder Millionen an künftigen Steuergeldern in Nebenhaushalten verstecken.
Polens Präsident weiß genau, was er tut: Er übernimmt die Palliativpflege der PiS und verlängert deren politisches Leben so lange es eben geht.
2025, wenn seine zweite und letzte Amtszeit als Präsident Polens endet, will er sich an die Spitze des national-konservativen Neuaufbruchs setzen und eine neue Karriere starten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs