Regierungsbildung in NRW: Die Angst vor dem Heidemörder
Armin Laschet soll Ende Juni neuer Ministerpräsident in NRW werden. Doch er fürchtet Verräter in den eigenen Reihen.
Fest steht: CDU und Liberale haben massive Einschränkungen für den Bau von Windkraftanlagen beschlossen. Der Mindestabstand zu geschlossener Wohnbebauung soll auf 1.500 Meter verdreifacht werden. Dadurch reduziert sich die verfügbare Fläche zur Aufstellung von Windrädern um 80 Prozent. Mit der Errichtung von Windmühlen im Wald soll ebenfalls Schluss sein. Bereits erteilte Genehmigungen für 450 Anlagen sollen weiter gelten.
CDU und FDP planten einen „Windkraft-Boykott“, wollten „die Energiewende vor die Wand fahren“, klagt der neue SPD-Landesparteichef Michael Groschek.
Scheibchenweise hatten die beiden Parteien zuvor die Ergebnisse jeder einzelnen Verhandlungsrunde präsentiert. Beschnitten wurden dabei vor allem Maximalforderungen der FDP: Das Abitur nach 13 Jahren (G9) soll entgegen Lindners Wahlversprechen zum Regelfall, Studiengebühren allein von Menschen aus Nicht-EU-Ländern eingefordert werden.
Kein Shopping rund um die Uhr
Nicht durchsetzen konnten sich die Wirtschaftsliberalen auch mit ihrer Forderung nach völliger Freigabe der Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr. „Wir haben die absolute Mehrheit verfehlt“, sagte Lindner dazu nur lakonisch. Die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage soll aber von vier auf acht pro Jahr verdoppelt werden.
Beitragsfrei bleiben soll außerdem das dritte Kita-Jahr. Auch an der Verkleinerung des Braunkohletagebaus Garzweiler II, die auf Druck der Grünen von der Vorgängerregierung unter der Sozialdemokratin Hannelore Kraft beschlossen wurde, wollen CDU und FDP nicht rütteln. Völlig unklar bleibt aber, wie Vorhaben wie schnellere Bauarbeiten auf den stauträchtigen NRW-Autobahnen oder mehr LehrerInnen zur Umsetzung des Abiturs in 13 Schuljahren bezahlt werden sollen. Ein Koalitionsvertrag sei „noch kein Haushaltsplan“, meinte dazu der nordrhein-westfälische Generalsekretär der Christdemokraten, Bodo Löttgen.
Seine künftigen MinisterInnen will Laschet aller demonstrativen Einigkeit zum Trotz aber erst Tage nach seiner Vereidigung präsentieren. „Offensichtlich braucht Laschet ein paar Tage“, meint der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Marc Herter, „damit es in seiner Fraktion keine Frustrierten gibt.“
Laschet kann sich nur auf die denkbar knappste schwarz-gelbe Mehrheit von 100 der 199 Parlamentarier stützen. Zwar sollen bei der CDU ein Parteitag und bei der FDP eine Onlinebefragung aller Mitglieder grünes Licht für den Koalitionsvertrag geben. Dennoch scheint der Christdemokrat davor Angst zu haben, bei der Wahl zum Ministerpräsidenten nicht alle Abgeordneten hinter sich zu versammeln und durchzufallen wie 2005 Schleswig-Holsteins SPD-Regierungschefin Heide Simonis, der mindestens ein Koalitionsabgeordneter die Stimme verweigerte. Identifiziert ist der „Heidemörder“ bis heute nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren