Neuer Chef der NRW-SPD: Groschek soll Schulz retten
Nach der NRW-Niederlage soll der amtierende Verkehrsminister Groschek Landesparteichef werden. Umkämpft bleibt der Fraktionsvorsitz.
Der 60-jährige Groschek wird Nachfolger der abgewählten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die noch am Wahlabend ihren Rücktritt als Landes- und stellvertretende Bundesvorsitzende erklärt hatte. Mit nur 31,2 Prozent hatte die SPD am vergangenen Sonntag in ihrer Herzkammer das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Er werde künftig „noch enger mit Martin Schulz zusammenarbeiten, damit die Bundestagswahl ein Erfolg wird“, sagte Groschek vor JournalistInnen: Wichtig sei, dass sich die SPD nach dem Wahldesaster „nicht als Trauerkloß ins Schneckenhaus zurückzieht“.
Groschek, der in der Partei nur „Mike“ genannt wird, ist ein Urgestein der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten. Mehr als elf Jahre arbeitete er als Generalsekretär, hat 2010 und 2012 die Wahlsiege Krafts und damit die Niederlage von CDU-Regierungschef Jürgen Rüttgers nach nur fünf Jahren im Amt organisiert. Kanzlerkandidat Schulz betonte prompt, mit Groschek an diese Zeiten anknüpfen zu wollen: „Wir wollen die Bundestagswahl am 24. September gewinnen – und dazu gehört ein mobilisierter Landesverband in NRW.“
Groschek ist der Sohn eines Konditormeisters und einer Hausfrau und unüberhörbar ein typischer Vertreter der industriefreundlichen Ruhrgebiets-SPD. Der Lehrer für Wirtschaft und Deutsch an berufsbildenden Schulen war Vorsitzender der Oberhausener Jusos, saß im Ortsvereins- und Bezirksvorstand. Mandate als Landtags- und Bundestagsabgeordneter folgten.
Wer wird Fraktionschef?
2012 machte ihn Hannelore Kraft zum Verkehrsminister im Stauland Nummer 1, wo sich die Autobahnen werktags immer wieder in Parkplätze verwandeln. Tatsächlich gelang es dem auch in der Bundeshauptstadt gut vernetzten Groschek, im Rahmen des bis 2030 geltenden Bundesverkehrswegeplan knapp 14 zusätzliche Milliarden Euro für NRW beim aus Bayern stammenden CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt loszueisen „Schubkarrenweise“ sei „das Geld in Richtung Nordrhein-Westfalen unterwegs“, tönte der Minister daraufhin im WDR.
Gleichzeitig versuchte Groschek, die SPD auf Kosten des kleineren grünen Koalitionspartners zu profilieren: Der Oberhausener warnte vor einer „durchgrünten Gesellschaft“, in der „Egoisten im Mantel einer Bürgerinitiative“ versuchten, wichtige Projekte wie den Neubau der völlig maroden Leverkusener Autobahn-Rheinbrücke zu torpedieren. Die Brücke gilt als wichtigste Rheinquerung Deutschlands – allerdings muss für ihren Neubau eine Giftmüll-Deponie des Leverkusener Bayer-Konzerns angebohrt werden.
Umkämpft bleibt bei den Sozialdemokraten dagegen die Position des Fraktionschefs im Düsseldorfer Landtag. Vorstöße des bisherigen Vorsitzenden Norbert Römer, er könne für eine Übergangszeit von etwa 18 Monaten weiter im Amt bleiben, sollen bei nicht wenigen Abgeordneten auf Ablehnung stoßen – als einer der engsten Vertrauten der Nochministerpräsidentin Kraft gilt der 70-Jährige bei vielen als Mann von gestern.
CDU und FDP vereinbaren Koalitionsverhandlungen
Möglicher Römer-Nachfolger könnte der bisherige Justizminister Thomas Kutschaty werden. Durchsetzen müsste sich der 48-Jährige aus Essen allerdings nicht nur gegen Römer selbst. Auch der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Marc Herter, soll sich Hoffnungen machen, Römer nach einer Übergangszeit beerben zu können – ebenso wie der umstrittene bisherige Innenminister Ralf Jäger: In der Landeshauptstadt kursieren Gerüchte, nach denen Jäger darauf setzt, seine Pannen im Umgang mit den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht und bei der Überwachung des Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri könnten in den kommenden eineinhalb Jahren in Vergessenheit geraten.
Neu besetzt haben die NRW-Genossen immerhin den Posten des Landesgeneralsekretärs. Amtsinhaber André Stinka war am Donnerstag zurückgetreten und hatte damit „Verantwortung für das Wahlresultat“ übernommen. Sein Landtagsmandat will Stinka aber – wie Hannelore Kraft auch – wahrnehmen. Nachfolgerin Stinkas wird die bisherige Wissenschaftsministerin Svenja Schulze aus Münster.
Die Landeschefs von CDU und FDP, Armin Laschet und Christian Lindner, vereinbarten unterdessen, in der kommenden Woche formelle Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Besonders der Wirtschaftsliberale Lindner, der noch am Wahlabend gesagt hatte, Laschet sei nicht sein „Wunschpartner“, betonte die harmonische Atmosphäre zwischen den bürgerlichen Parteien: Schon im Wahlkampf seien beide „mit einer gewissen Ritterlichkeit“ miteinander umgegangen. Laschet versicherte, er fürchte keinesfalls, bei der Wahl zum Ministerpräsidenten durchzufallen – zusammen verfügen CDU und FDP im Düsseldorfer Landtag nur über eine hauchdünne Mehrheit: 100 der 199 Sitze. „Der Wille zu Gestalten ist groß“, sagte der Christdemokrat, „und das gegenseitige Vertrauen ist ebenfalls groß.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Ausschluss von der ILGA World
Ein sicherer Raum weniger
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben