Regierungsbildung in Italien: Postfaschistin gegen Rechtspopulist

In Italien tritt zum ersten Mal das neugewählte Parlament zusammen. Gleich in der ersten Sitzung offenbart sich die Uneinigkeit der Rechtsallianz.

Lliana Segre im Parlament in Rom

Liliana Segre, Senatorin auf Lebenszeit, leitet die konstituierende Sitzung der Kammern Italiens

ROM taz | Am Donnerstag traten die zwei Häuser des italienischen Parlaments erstmals nach dem Sieg der Rechtsallianz bei den Wahlen vom 25. September zusammen, um ihren jeweiligen Parlamentspräsidenten zu wählen.

Im Senat in Rom oblag es Liliana Segre, als Alterspräsidentin die Sitzung zu eröffnen. Die 92-Jährige, 2018 vom Staatspräsidenten zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt, ist Schoah-Überlebende – und nutzte ihre Ansprache zu deutlichen Worten gegenüber den Rechtsparteien, die sich zur Übernahme der Regierung anschicken.Vor allem die postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) unter Giorgia Meloni, die mit 26 Prozent am weitaus besten bei der Wahl abgeschnitten hatten, durften sich von Segre angesprochen fühlen.

Sie erinnerte daran, dass sich im laufenden Monat – am 28. – Mussolinis Marsch auf Rom zum hundertsten Mal jähren wird, sie erinnerte an die Rassegesetze und fügte hinzu, dass Italiens Nachkriegsverfassung nicht bloß „ein Stück Papier“ sei, sondern „das Testament der 100.000, die für die Freiheit gefallen sind“ im Partisanenkampf gegen Nazis und Faschisten. Ebenso erinnerte sie an Giacomo Matteotti, jenen sozialistischen Abgeordneten, den Mussolini schon 1924 hatte ermorden lassen.

Und dann fragte Segre, warum der 25. April – der Feiertag, der an die Befreiung Italiens vom Faschismus im Jahr 1945 erinnert – ein angeblich die Nation „spaltender Feiertag“ sein solle, wie Meloni noch vor wenigen Jahren behauptet hatte. Eine stehende Ovation des ganzen Senats war die Antwort – und auch die Se­na­to­r*in­nen der FdI erhoben sich von ihren Plätzen, um Segre zu applaudieren.

Meloni versprach eine geeinte Allianz

Nach der Konstituierung des Parlaments werde die Regierungsbildung eine schnelle Sache, da ihre Allianz geeint sei, hatte Meloni noch am Donnerstagmorgen versprochen – doch die Risse in der Rechten wurden sichtbar.

Im Senat hätten die Wahlsieger gleich im ersten Wahlgang alles alleine klarmachen können, da dort zur Wahl des Präsidenten die absolute Mehrheit der Mitglieder ausreicht. Doch Silvio Berlusconis rechtspopulistische Forza Italia verweigerte dem FdI-Mann zunächst die Stimmen. Offenbar ging es Berlusconi darum, Meloni zum Auftakt zu demonstrieren, dass seine 18 Se­na­to­r*in­nen unverzichtbar sind: Die Rechte verfügt insgesamt über 115 der 200 Mandate.

Und: Berlusconi will für eine seiner engsten Vertrauten, Licia Ronzulli, ein Ministerium von Gewicht. Doch bisher sträubt sich Meloni dagegen, der früheren Krankenschwester – die bei der Organisation von dessen Bunga-bunga-Partys mitwirkte – zum Beispiel das Gesundheitsministerium einzuräumen.

Berlusconis Erpressungsversuch ging nach hinten los. Gleich im ersten Wahlgang erreichte der FdI-Politiker Ignazio La Russa 116 Stimmen – darunter mindestens 19 Stimmen aus der Opposition. Denn Berlusconis Se­na­to­r*in­nen hatten nicht mitgestimmt.

Es wird sich zeigen, ob – angesichts dieses innerrechten Krachs zum Auftakt – Meloni ihr Versprechen halten kann, die Regierungsbildung schnell über die Bühne zu bringen.

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