Regierungsbildung in Bayern: Hubsi will nicht mehr kuscheln
In Bayern steht die Koalition aus CSU und Freien Wählern. Aiwangers Partei erhält ein zusätzliches Ministerium – und deren Chef mehr Macht.
![Söder und Aiwanger Söder und Aiwanger](https://taz.de/picture/6609085/14/33913306-1.jpeg)
„Das ist keine keine Liebesheirat und keine Kuschelkoalition“, sagte Söder in demonstrativer Abgrenzung zu den Freien Wählern, mit denen die CSU schon in der vergangenen Legislatur zusammen regiert hatte. Zuletzt galt das Verhältnis zwischen dem CSU-Vorsitzenden und dem Chef der Freien Wähler (FW), Hubert Aiwanger, als unterkühlt.
Diskussionen um Aiwanger hatten den bayerischen Landtagswahlkampf dominiert, weil er als Schüler ein antisemitisches Flugblatt mit sich geführt hatte. Trotz der wochenlangen Affäre um den FW-Chef konnte die Partei bei der Landtagswahl am 8. Oktober auf ein Rekordergebnis von 15,8 Prozent zulegen und wurde zweitstärkste Kraft im Bayerischen Landtag hinter der CSU, die ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis mit 37 Prozent einfuhr.
Nun erhalten die FW neben den Ministerien für Wirtschaft, Kultus und Umwelt, die sie bereits in der vergangenen Legislatur besetzt hatten, Zugriff auf das Digitalministerium. Dafür bekommen die Christsozialen einen der beiden Staatssekretärsposten, die zuletzt den FW zustanden: Die CSU wird den neuen Posten im bayerischen Ministerium für Heimat und Finanzen ansiedeln, dort soll er für den „ländlichen Raum“ zuständig sein.
Verschärfung für Geflüchtete geplant
Söder sagte, die Ressortverteilung sei auf der Grundlage der Wahlergebnisse „mathematisch begründet“, und ergänzte süffisant: „Das Digitalministerium ist das kleinste Ministerium neben dem Europaministerium. Ich bin mir sicher, die Freien Wähler werden einiges daraus machen.“
Die CSU-Fraktion und der Parteivorstand haben nach Angaben des Vorsitzenden einstimmig über den Koalitionsvertrag entschieden. Das Papier wurde am Donnerstag gegen 14 Uhr im Bayerischen Landtag unterzeichnet. Es ist 85 Seiten lang, die CSU sprach von „70 neuen Projekten“ die damit angegangen werden sollen. So wolle Bayern „als Pionier“ eine Chipkarte für Leistungen für Asylsuchende in Deutschland einführen. Außerdem bekennt sich die Koalition zu den Pariser Klimazielen, was Söder bei der Vorstellung des Programms als Erfolg präsentierte.
Die Opposition im Landtag wertete den Vertrag als reine Proklamation. „Ankündigungsweltmeister Markus Söder und Populist Hubert Aiwanger machen gemeinsam zahlreiche Versprechungen – was daraus wird, weiß niemand“, erklärte SPD-Landesvorsitzende, Ronja Endres, gegenüber der taz.
Die künftige Kultusministerin Bayerns ist die einzige Frau mit Ministeriumsverantwortung im Tableau der Freien Wähler: Die ehemalige Staatssekretärin Anna Stolz rückt auf den Chefinnen-Posten in ihrem Haus vor, steht wegen der Rochade im Kabinett ihrerseits aber künftig ohne einen Staatssekretär da.
Der verbleibende Staatssekretärsposten der FW ist wieder im Wirtschaftsministerium angesiedelt, das Parteichef Aiwanger mit leicht verändertem Aufgabenbereich leiten wird. Das Thema Jagd ist nun dort angesiedelt. Söder sagte, Aiwanger habe sich dafür persönlich eingesetzt. In Bayern wird das Thema Jagd wegen der Wolf-Bestände leidenschaftlich diskutiert. Auch deshalb hätten die FW am liebsten das Agrarministerium übernommen, das bleibt nun aber weiterhin in der Hand der CSU.
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