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Regierungsbildung gescheitertDer Kosovo muss neu wählen

Albin Kurti kann mit seiner Vetëvendosje nicht allein regieren, aber er findet keine Partner. Das liegt auch an Konflikten mit der serbischen Minderheit.

Albin Kurti pricht im kosovarischen Parlament: Sogar EU-Staaten fordern die Kosovoalbaner auf, den nationalistischen Serben entgegenzukommen Foto: Valdrin Xhemaj/Reuters

taz | Im Kosovo spitzt sich die Regierungskrise weiter zu. Neuwahlen erscheinen unumgänglich, weil es Premierminister Albin Kurti am Sonntag nicht gelang, genug Stimmen für die Bildung einer neuen Regierung zu erreichen. Er und seine Partei Vetëvendosje verfügen nach der letzten Wahl nur über 56 der 120 Stimmen im Parlament, fünf weniger als notwendig wären, um mit ihm als Premierminister eine neue stabile Regierung zu bilden. Die Präsidentin muss jetzt bis Anfang November einen Termin für Neuwahlen finden.

In Kosovo herrscht seit Anfang 2025 eine parlamentarische Krise: Bei der Parlamentswahl am 9. Februar gewann zwar die Partei Vetëvendosje (VV) unter Albin Kurti mit rund 42 Prozent der Stimmen die meisten Mandate, lag mit ihren 48 Sitzen aber unter der für eine Regierungsbildung erforderlichen absoluten Mehrheit von 61.

Die Folge war ein monatelanger Stillstand im Parlament, doch das Minderheitskabinett von Albin Kurti regierte weiter – vor allem mithilfe von Minderheiten und einigen wenigen serbischen Abgeordneten, die sich gegen die Blockadehaltung des serbischen Mainstreams stellten.

Doch das alles reichte nicht, die entscheidenden Reformprojekte der Regierung lagen auf Eis. Auch die Arbeit des Parlamentes war beeinträchtigt, so wurde kein Parlamentssprecher gewählt. Die nach Macht und Ressourcen drängenden Oppositionsparteien verweigerten die Zusammenarbeit. Die Demokratische Partei des Kosovo (PDK), die Demokratische Liga (LDK) und die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) stimmten am Sonntag gegen Kurtis Mandat.

Spannungen mit der serbischen Minderheit

Die Spannungen zwischen der Regierung und der serbischen Minderheit im Norden Kosovos erschweren die politischen Abläufe, zumal Stimmen aus dem Ausland und auch der EU weiterhin die innenpolitische Szenerie beeinflussen wollen und proserbische Standpunkte einnehmen.

So in der Frage der Macht der serbischen Gemeinden in Kosovo. Im UN-Plan von 2006, den der UN-Unterhändler Martti Ahtisaari ausgehandelt hatte und der der Unabhängigkeit des Landes 2008 vorausging, wurden weitgehende Rechte für die serbische Minderheit, die damals nicht mehr als 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen, festgelegt.

So haben die serbischen Gemeinden die Kontrolle über 20 Prozent der Landfläche erhalten, konnten ihr Schul- und Gesundheitssystem weiterführen, ihre Währung behalten, und sogar ihre Polizeikräfte. Nach dem Urteil vieler internationaler Juristen verfügen die Serben des Kosovo im europäischen Vergleich über weitgehende Rechte. In Gračanica und anderen Serbenenklaven herrscht heute wirtschaftliche Aufbruchstimmung und es gibt keine Konflikte zwischen Serben und Albanern mehr.

Doch in dem Serbengebiet im Norden liegen die Dinge anders, denn das Gebiet hat eine direkte Grenze zu Serbien. Es ist ein rechtsfreier Raum, in dem die serbische Drogenmafia und Politiker der serbischen Regierungspartei in Belgrad das Sagen haben. Und die fordern den Verbund aller serbischen Gemeinden in einem Teilstaat, einer Republika Srpska wie in Bosnien. Und dieser Partei ist es gelungen, einen großen Teil der internationalen Gemeinschaft auf ihre Seite zu ziehen.

Sogar EU-Staaten fordern die Kosovoalbaner auf, den nationalistischen Serben entgegenzukommen. Auch einige der kosovoalbanischen Parteien beugen sich diesem Kurs und weigern sich, mit Albin Kurti und seiner Partei zu koalieren, deren Name „Selbstbestimmung“ bedeutet. So führt an Neuwahlen kein Weg vorbei.

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