Regelungen für Drittstaatler aus Ukraine: Senat nur mit halber Lösung
Berlins Landesregierung bleibt hinter ihrem Anspruch zurück. Die Aufenthaltsreglung für Studierende greift zu kurz, andere Gruppen bleiben ganz außen vor.
E rneut ist der Senat hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die man an ein Regierungsbündnis mit links-grüner Beteiligung haben darf: Aller Menschenrechtsrhetorik zum Trotz wird es in Berlin keine rechtliche Gleichstellung von Ukrainer*innen und Geflüchteten aus Drittstaaten geben – obwohl sie alle aus demselben Krieg geflohen sind. Doch während die einen, der EU sei Dank, sofort zwei Jahre Aufenthaltsgenehmigung samt Arbeitserlaubnis und Recht auf Sozialhilfe bekommen, will man die anderen – Studierende und Arbeiter*innen aus Drittländern – offenbar möglichst loswerden.
Anders kann man die neue Übergangsregelung kaum verstehen, denn durch sie werden es kaum Menschen schaffen, das Recht auf einen längeren Aufenthalt zu bekommen. Schon allein, weil der Senat ihnen nur ein halbes Jahr Zeit gibt, um einen Studienplatz in Deutschland nachzuweisen. Das reicht in der Regel nicht, um Deutschkenntnisse auf Niveau C1 zu erreichen, was meist für ein Studium notwendig ist. Auch die Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Qualifikationen sind oft länger. Und vielen fehlen Dokumente, die sie bei der Flucht zurücklassen mussten.
Ein weiteres Manko: Die Senatsregelung gilt überhaupt nur für Studierende. Arbeitnehmer*innen oder Geschäftsleute aus Drittstaaten hingegen erhalten nicht einmal diese kleine Chance. Ab 1. September droht ihnen damit das Abrutschen in die Illegalität und damit später sogar die Abschiebung. Es sei denn, sie können nachweisen, dass für sie eine „dauerhafte und sichere Rückkehr in ihr Herkunftsland unzumutbar ist“, wie es in der entsprechenden EU-Verordnung heißt.
Um diesen Passus wird es bald viel gehen, wenn das Landeseinwanderungsamt (LEA) über die Anträge auf Aufenthalt von Drittstaatlern entscheidet. Aber was heißt das genau, was wird als „unzumutbar“ angesehen werden? Die EU hat vorgegeben, dass bei der Beurteilung, ob jemandem eine Rückkehr zugemutet werden kann, nicht nur die Verhältnisse im Heimatland betrachtet werden sollten – also ob dort bewaffnete Konflikte und „dauerhafte Gewalt“ herrschen. Berücksichtigung finden sollten auch individuelle Umstände, etwa ob die betreffende Person „bedeutsame Verbindungen“ in die Ukraine hat.
Die Linken-Abgeordnete Elif Eralp versichert nun, dass der Senat dazu eine großzügige Regelung beschlossen hat. Dies wäre in der Tat ein Pluspunkt, der die kleinkarierte Unterscheidung von Studierenden und Arbeiter*innen wettmachen könnte. Diese Regelung muss das LEA aber auch umsetzen – für Großzügigkeit war es bisher nicht bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen