piwik no script img

Reform des EU-UrheberrechtsErst abstimmen oder demonstrieren?

EU-Urheberrecht: Sogar der Abstimmungstermin ist zum Politikum geworden. Kritiker fürchten, dass so Proteste verhindert werden sollen.

Demonstrantin in Berlin Foto: ipon

Berlin taz | Im Konflikt um die Urheberrechtsreform der EU streiten sich die beiden Seiten nun über den Abstimmungstermin. Nachdem die konservative EVP-Fraktion den Antrag gestellt hatte, die Abstimmung im EU-Parlament auf die kommende Woche zu terminieren, kritisieren Gegner der neuen Regeln ein taktisches Manöver: Würde schon in der kommenden Woche über das Reformvorhaben abgestimmt, käme das Votum den geplanten Großdemonstrationen zuvor. Damit wollen Aktivist:innen unter anderem der Kampagne „Save the Internet“ am 23. März europaweit Menschen auf die Straße bringen.

Die EU-Urheberrechtsreform soll eigentlich dazu dienen, das noch primär im Analogen verhaftete Urheberrecht so zu gestalten, dass es auch im digitalen Zeitalter nicht obsolet ist. Doch allen voran ein Punkt hat in den vergangenen Monaten unter dem Begriff Uploadfilter für Schlagzeilen gesorgt: Artikel 13 der Richtlinie.

Dabei stehen Upload-Filter wörtlich gar nicht in dem neuen Regelwerk. Vorgesehen ist, dass Internet-Plattformen wie YouTube oder Facebook haften, wenn Nutzer:innen urheberrechtlich geschützte Inhalte hochladen. Befürworter:innen der neuen Regeln hoffen darauf, dass so der Anreiz steigt, entsprechende Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhaber:innen abzuschließen.

Kritiker:innen gehen dagegen von zweierlei Folgen aus: Erstens wird es schwierig bis unmöglich, Filter zu entwickeln, die eine zulässige Verwendung von einer unzulässigen Verwendung unterscheiden können. „Es gibt keine Technik, die Satire und Parodie auch als solche erkennt“, sagt der EU-Abgeordnete Tiemo Wölken (SPD).

Immenser Wettbewerbsnachteil für kleine Plattformen

Daher werden die Plattformen vermutlich dazu tendieren, lieber zu viele Uploads zu unterbinden als zu wenig. Zweitens kostet die Entwicklung entsprechender Algorithmen, die urheberrechtlich geschütztes Material erkennen, Geld. Höchstens finanzstarke Unternehmen wie YouTube könnten sich das leisten – ein immenser Wettbewerbsnachteil für kleine Plattformen.

„Die Regelung müsste auf Plattformen beschränkt werden, auf denen heute nachweislich große Mengen an Urheberrechtsverstößen vorkommen“, sagt die EU-Abgeordnete Julia Reda (Piratenpartei), Schattenberichterstatterin für die Reform. Filter lehnt sie ab. Stattdessen sollten Plattformen, die Geld mit den Inhalten Dritter verdienen wollen, Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhaber:innen oder Urheber:innen treffen müssen.

Plattformen sollen haften, wenn Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte hochladen

Die EVP-Fraktion bestritt via Twitter indirekt taktische Gründe für eine frühe Abstimmung. Man habe direkt nach dem Beschluss des Rechtsausschusses beantragt, dass so schnell wie möglich abgestimmt werden solle. Dennoch scheint sich nun der spätere Termin abzuzeichnen.

So kündigte der Fraktionsvorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, in der ARD an, dass wie geplant Ende März abgestimmt werde. Der Antrag auf Abstimmung in der kommenden Woche war allerdings bis Redaktionsschluss nicht zurückgezogen. Bleibt es bei diesem Antrag, stimmt am heutigen Donnerstag das EU-Parlament über den Termin in der kommenden Woche ab. Ob die Konservativen dafür eine Mehrheit finden, ist aber zweifelhaft. Nicht nur die Grünen/EFA-Fraktion sind dagegen, auch die sozialdemokratische Fraktion hat sich mittlerweile dagegen ausgesprochen.

Am Ende dürfte die Diskussion über den Termin die Kritiker der neuen Regeln eher gestärkt haben: So sind bereits diese Woche mehrere tausend Menschen gegen Artikel 13 auf die Straße gegangen – spontan.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Jedes EU-Land sollte selbst entscheiden, ob es sich an diese obskure Verordnung hält.

  • Man stelle sich vor, die Autoindustrie müsste dafür haften, dass irgendwo irgendwer zu schnell mit ihren Autos fährt.

    Wer glaubt, die Autoindustrie würde nicht sofort beginnen ihre Autos auf doch sehr niedrige Geschwindigkeiten herrunterzuregeln hat die Wirtschaft nicht verstanden.

  • "[...] ein immenser Wettbewerbsnachteil für kleine Plattformen"

    Die Paragraphen 11 und 13 sind doch mit dem Ziel die Geschäftsmodelle und Gewinne der etablierten "Player" zu sichern, indem man lästige Konkurrenz und "neue Ideen" unterbindet, in die Verordnung gelobbyt worden ... und deshalb wird sie doch auch von #NieWiederCDU und #AuchNichtSPD unterstützt.



    Warum tun alle so, als wüssten die nicht genau was sie tun?



    Man sollte seine Gegner niemals unterschätzen, insb. die Gegener der freiheitlich demokratischen Grundordnung der BRD nicht!

  • Was von der EVP und vor allem Axel Voss zu dem Thema kommt ist ohnehin ziemlich verlogen.

    Das Gesetzt ist so ausformuliert, dass es ohne Uploadfilter gar nicht geht, gleichzeitig beharren sie darauf keine Upload Filter vorzuschreiben und bei der Frage wie es denn überhaupt umgesetzt werden soll fällt denen selbst nur wieder Uploadfilter ein.

    Und wenn man sie in der Sache kritisiert schwafeln die von Fake News und behaupten stur das Gegenteil.

    Dazu dann behaupten, es gehe nur um große Anbieter aber den Passus klammheimlich wieder aus dem Gesetzestext rausnehmen.

    Nix Volksvertreter, nur Lobbyinteressen überall.

    Ich verstehe ja durchaus, dass die Rechteinhaber geschützt werden sollen aber dann kann man trotzdem berechtigter Kritik der Fachleute Rechnung tragen.



    Stattdessen Augen zu und durch, frei nach dem Motto, die Aufregung wird sich schon wieder legen.

    So ähnlich wie in D das Polizeiaufgabengesetz, Jetzt im Nachinein stellt sich raus, dass es genau den Effekt hat den die Kritiker bemängelt haben. Also, dass statt Terroristen nun Aktivisten verfolgt werden, aber die Kritiker vorher als blöd abstempeln und das Gesetz mit der Brechstange durchziehen.

    Happy Birthday