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Reform der Öffentlich-RechtlichenAufruf zum Einmischen

Eine Initiative möchte die Öffentlich-Rechtlichen reformieren. Sie fordert eine echte Digitalstrategie und mehr Lokaljournalismus.

Passiert da noch was im Netz? Foto: Chutima Kuanamon/imago

Welchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätten’s denn gern? Diese Frage sollte sich eine aufgeklärte Mediengesellschaft eigentlich immer mal wieder stellen. Bislang war trotz vieler engagierter Einzelinitiativen von gesamtgesellschaftlicher Debatte, geschweige denn von daraus ableitbaren Forderungen und Ideen, wenig zu sehen.

Das könnte jetzt anders werden. Unter „#UnsereMedien – Öffentlich-rechtliche Medien müssen unterstützt und weiterentwickelt werden“ rufen Medienschaffende, aktive und gewesene Me­di­en­po­li­ti­ke­r*in­nen und auch ein paar ganz normale Menschen zum Einmischen auf. Hinter der Initiative steht das vom Ex-Grimme-Direktor, Filmemacher und Journalistikprofessor Lutz Hachmeister gegründete Institut für Medien- und Kommunikationspolitik in Köln, das sich schon seit ein paar Jahren an der Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio die Zähne ausbeißt.

Die Zeit ist eigentlich günstig. Die für Medienpolitik und damit vor allem für den öffentlich-rechtlichen Sektor zuständigen Bundesländer haben nach ebenfalls jahrelangem Her und Hin ein paar neue Spielregeln formuliert. Sie sollen in einen neuen Staatsvertrag münden, der entsprechende „Diskussionsentwurf zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ ist gerade in der öffentlichen Konsultationsphase. Beziehungsweise war, was #UnsereMedien ein bisschen zu spät gekommen aussehen lässt: Die Möglichkeit für jede*n, sich hier online mit Anregungen und Kommentaren zu beteiligen, endete am Dienstag.

Doch der Zug ist längst noch nicht abgefahren. Medienpolitische Mühlen in Deutschland mahlen gründlich und manchmal sehr, sehr langsam. „Uns geht es darum, die Debatte möglichst breit aufzustellen“, sagte die frühere WDR-Redakteurin Sabine Rollberg, die zu den In­itia­to­r*in­nen von #Unsere Medien gehört. „Bei Sendern und der Politik darf nicht weiter der Eindruck entstehen, sie machten das alles unter sich aus“. Denn bei so einer „Betriebsblindheit“ bleibe jede echte Reform auf der Strecke.

„Es gibt doch eine breite Mehrheit, die sagt: Wir finden die Öffentlich-Rechtlichen im Prinzip gut, aber es muss sich ganz viel ändern.“ Es gehe schlicht um „konstruktive Kritik“ – zu der es aber überhaupt nicht passe, „dass die, die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen üben, gleich in eine Ecke mit bestimmten Kreisen der Union oder gleich der AfD gestellt werden“, so Rollberg.

Schluss mit Quotenfetisch

Die Initiative pocht auf eine Digitalstrategie der Sender, die dem Namen gerecht wird. „Über lineare Kanäle hinaus müssen die Sender mehr Möglichkeiten zur Verbreitung online haben, damit alle Bei­trags­zah­le­r*in­nen zeitlich souverän auf die von ihnen finanzierten Programme zugreifen können. Ziel sollte eine Digitalstrategie sein, die Abhängigkeiten von globalen kommerziellen Plattformen reduziert und stattdessen auf eigene interaktive, vernetzte Plattformen und europäische Kooperationen setzt“, heißt es in dem Grundsatzpapier.

Selbst von „Technologieführerschaft“ ist die Rede. Dafür müssten sich die Öffentlich-Rechtlichen aber deutlich klarer auf den Zahn fühlen lassen. Gefordert werden „sinnvolle, transparente Maßstäbe“ für eine „unabhängige Kontrolle der Zielerreichung, die über rein prozessorientiertes Qualitätsmanagement“ und den immer noch dominierenden Klick- oder Quotenfetisch – egal ob bei TV, Radio oder Online – hinausgehen.

Die Öffentlich-Rechtlichen sollen außerdem eine größere Rolle im Lokaljournalismus spielen, der nach der Einschätzung von der Initiative „in Teilen Deutschlands kaum noch vorhanden“ sei. Sie sollten die bislang vor allem von den Tageszeitungsredaktionen geleistete Arbeit zwar nicht vollständig ersetzen. „Trotzdem müssen sie in der Fläche unseres Landes, gerade abseits der Ballungsräume, mehr Präsenz zeigen.“ Strukturelle Kooperationen mit kommerziellen Lokalmedien dürften dabei „kein Tabu sein“, heißt es weiter im Papier.

Zu den Erst­un­ter­zeich­ne­r*in­nen des Appells gehören neben so ziemlich allen einschlägigen (Medien-)Wis­sen­schaft­le­r*in­nen auch medienpolitische Strippenzieher*in­nen wie der SPD-Mann Paul Leo Giani, der Ex-Koordinator der Rundfunkkommission der Länder Martin Stadelmaier (SPD), ZDF-Unruheständlerin Petra Gerster, Dokfilmpapst Stephan Lamby, der Schauspieler Burkhard Klaußner und Ex-Piratin Marina Weisband. Um es mal vorsichtig zu sagen: Mit weiteren Unterschriften wird gerechnet. Eine Reaktion der Öffentlich-Rechtlichen selbst steht momentan noch aus.

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3 Kommentare

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  • Ich vermisse einige Forderungen:

    1. Gerechte Finanzierung der ÖR, also keine Abgabe pro Haushalt, sondern wie Steuern oder Sozialabgaben nach Leistungsfähigkeit.

    2. Opt-Out, was lange Zeit möglich war. Wer kein Radio und keinen Fernseher hatte, mußte nicht zahlen. Das ist auch im Internet möglich, z.B. durch Verschlüsselung. Notfalls Amazon oder Netflix fragen, wie das geht. Ich gäbe mein Geld lieber der taz als den ÖR.

    3. Keine (kommerzielle) Werbung.

    4. Fokussierung auf die Stärken der ÖR: Bildung, Dokumentationen, Politmagazine, politisches Kabarett, Gesundheit, Wissenschaft usw. Fußball und Krimis sind so überflüssig wie Wort zum Sonntag oder Talkshows.

  • Die Ausweitung des ÖRR wird gefordert von Menschen, die zu einem Großteil sicherlich auch davon profitieren würden. Die Rundfunkanstalten schieben deutliche Defizite vor sich her, aber hier wird eine Angebotsausweitung geprüft. Auf Spartensendern wird gesendet, was das Vorratsregal an Konserven hergibt und ab und zu werden neue Formate probiert um deren Existenz zu rechtfertigen. Dazu werden Unsummen in Sportrechte gesteckt. Es gibt viel zu tun bevor man über diese Forderungen nachdenken sollte.

  • Meiner Meinung nach fehlen da wichtige Punkte bei den Forderungen:



    - Abbau der zig-fach redundanten Mehrfachstrukturen der Landesrundfunkanstalten



    - Deutliche Reduktion der Sender. ÖRR ist wichtig und notwendig, aber über 20 TV- und über 70-Radiosender sind einfach nicht mehr rational begründbar.



    - Ersatzlose Streichung aller Online-Inhalte die über die Abrufbarkeit der Inhalte des lineare Angebots hinausgehen. Da im Internet jede*r mit minimalem Aufwand selbst zum Sender werden kenn besteht hier kein Risiko, dass sich private Informationsmonopole bilden könnten und damit ist ein öffentlich-rechtliches, gebührenfinanziertes Engagement nicht notwendig.



    - Fokussierung auf Information und Bildung, statt Milliardenausgaben für kommerzialisierte Sport-Events und seichte Unterhaltung