Reform der Grundsteuer: Der Ruf nach Bodenständigkeit
Während die Grundsteuer endlich reformiert werden soll, wird der Ruf nach einer Bodensteuer immer lauter. Warum wird er überhört?
Das Problem: Die Finanzämter berechnen die Höhe der Steuer auf Basis von veralteten „Einheitswerten“ für Grundstücke und Gebäude. Die Zahlen stammen im Westen Deutschlands aus dem Jahr 1964, im Osten sogar von 1935.
Deshalb wollen Hessen und Niedersachsen auf Bitten der meisten Länder im September eine Initiative in den Bundesrat einbringen, um die Werte zu aktualisieren. Bis 2027 sollen die Grundeinheiten neu bewertet und die Zahlen danach laufend angepasst werden. Die Länder versprechen, dass die Reform „nicht zu einer flächendeckend höheren Grundsteuerbelastung“ der Eigentümer führen würde. Der Bundestag muss der Reform zustimmen, was aber wahrscheinlich ist.
Die Steuer soll weiterhin auch auf den Wert der Gebäude gezahlt werden. Wer etwa einen Dachstuhl ausbaut, muss mehr ans Finanzamt zahlen. „Solange die Grundsteuer in der Hauptsache eine Gebäudesteuer ist, bleibt es attraktiv, Boden brach liegen zu lassen und Baulücken nicht zu bebauen“, sagt Ulrich Kriese, siedlungspolitischer Sprecher des Naturschutzbunds (Nabu). Deshalb trage die Abgabe zur Zersiedlung und zu steigenden Mieten bei. In der Folge müsse unnötig viel neues Bauland ausgewiesen werden – zum Schaden der Natur.
Deswegen befürwortet Kriese eine Bodensteuer, die sich nur nach dem Wert des Grundstücks, nicht der Gebäude bemisst. Der Nabu gehört neben einer Reihe von Bürgermeistern zu den Unterzeichnern der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“. Diese fordert seit 2012 eine Bodensteuer.
Besteuerung im EU- und OECD-Vergleich zu niedrig
Unterstützt wird diese Forderung vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Nicht nur, dass der Verwaltungsaufwand gering ist, da die Bodenwerte bereits in den Gutachterausschüssen erhoben werden, auch die Flächennutzung wird dadurch effizienter“, urteilt IW-Ökonom Ralph Henger.
Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier ergänzt: „Durch die Bodensteuer werden all jene belastet, die ihren Boden nicht nutzen – im Gegensatz zu jenen, die in den Wert ihrer Immobilie investieren, indem sie zum Beispiel aufstocken oder anbauen.“
Das hessische Finanzministerium dagegen argumentiert, die Grundsteuer würde wegen ihrer geringen Höhe keine Neubauten verhindern. Dazu sei die Abgabe zu gering. Außerdem solle die Reform die Steuer in Einklang mit dem Grundgesetz bringen. Dass der Boden effizient genutzt werde, sei „Aufgabe des Planungsrechts“.
Steuerexperte Löhr hält diese Argumente für fadenscheinig. Er weist darauf hin, dass die Besteuerung im EU- und OECD-Vergleich zu niedrig sei. Für Ralph Henger vom IW wäre die jetzt geplante Reform die Gelegenheit, die Bodensteuer umzusetzen: „Durch die Neubemessung der Grundstückswerte wird es so oder so für Einzelne zu tiefgreifenden Veränderungen kommen.“ Egal, ob mit Grundsteuer oder Bodensteuer.
Zwar finden diese Woche noch Beratungen zwischen dem hessischen Finanzministerium und Verbänden wie dem Nabu statt. Professor Löhr schätzt dennoch die Chancen die seiner Meinung nach unzureichende Reform noch zu verhindern, für eher gering ein.
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