Reform Stiftung Preußischer Kulturbesitz: CDU und FDP üben Kulturkampf
CDU und FDP kippen die dringend nötige Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Aus Wahlkampfgründen ziehen sie jetzt ihre Zustimmung zurück.
Eigentlich schien die seit 2020 debattierte und allgemein als dringendst betrachtete Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) auf dem Weg zu sein. Endlich sollen die 17 Staatlichen Museen, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv und die vielen Institute selbstständiger und agiler werden können. Angesichts von Kriegen, Fluchtbewegungen, Klimawandel und postkolonialen Debatten ist das notwendig.
Im November schloss der Bundestag die erste Lesung des neuen Stiftungsgesetzes ab, verwies, wie üblich, für die Detailformulierung in den Kultur- und Haushaltsausschuss. Auch FDP, CDU und Die Linke stimmten zu. Man war sich einig: Das Gesetz sollte noch in dieser Legislaturperiode endgültig verabschiedet werden. Doch dann brach die Ampel auseinander. Und jetzt mauern vor allem Abgeordnete der CDU und der FDP. Eines der wichtigsten kulturpolitischen Reformvorhaben der vergangenen Jahre droht zu scheitern, das Signature-Projekt Claudia Roths schlechthin.
Die SPK ist mit Abstand die bedeutendste wissenschaftliche und allgemeinbildende Kultureinrichtung Deutschlands. Mehr als 2.100 Menschen arbeiten in ihr, Millionen Objekte aus allen Epochen und Kulturen werden betreut. Am ehesten ist die Smithsonian Institution (SI) in Washington, D. C., mit diesem Wissenskombinat vergleichbar. Dabei umfasst sie nicht einmal die Library of Congress und die Nationalarchive.
Krass unterausgestattet
Trotzdem hat die SI etwa dreimal so viel Personal wie die SPK, auch der Betriebsetat ist mit etwa 900 Millionen Euro etwa dreimal so groß. Auch sonst ist die SPK – wenn man ihre Um- und Neubaupolitik ausnimmt, die der Bund mit Milliardensummen überaus großzügig finanziert – krass unterausgestattet.
Nur dank Drittmitteln, Eintrittsgeldern und Nutzungsrechten kommt sie auf einen Betriebshaushalt von etwa 250 Millionen Euro. Dessen Sockelhaushalt aber ist seit 1996 gedeckelt auf etwa 122 Millionen. Der Bund hätte ihn seit Jahren gerne aufgestockt – doch die Länder wollten nicht. Und sie haben im Stiftungsrat seit 1996 die überwältigende Mehrheit von 16 zu 4 Stimmen vom Bund.
Erst jüngst konnte diese Blockade durch den Stiftungspräsidenten Hermann Parzinger und Claudia Roths Verwaltung aufgebrochen werden. Erstes Resultat: Der Bund will ab 2026 9 Millionen mehr pro Jahr, die Länder wollen 3 Millionen ausgeben. Macht 187.000 Euro pro Staatskanzlei. Lachhaft wenig Geld für viel kulturpolitischen Einfluss, der bis in die Personal-, Ausstellungs- und Ankaufsstrategien der SPK hineinreicht.
Das zweite Resultat sollte die Reform des Stiftungsgesetzes sein. Im Zentrum stehen die Entmachtung der Stiftungszentrale zugunsten der Abteilungen und die Reduzierung des kontrollierenden Stiftungsrats. Er soll auf 9 Mitglieder verkleinert werden. Das Bundesfinanz- und das Kulturstaatsministerium plus 6 rotierende Vertreter der Länder und ein ständiges Mitglied des Sitzlandes Berlin.
Jetzt soll auch der Bundestag im Stiftungsrat vertreten sein
Doch nun wird von Abgeordneten der CDU und der neuerdings offen oppositionellen FDP gefordert: Auch der Bundestag soll im Stiftungsrat vertreten sein. So wie seine Fraktionen im Stiftungsrat des Humboldt Forums vertreten sind, inklusive der AfD übrigens, was seine eigene postkoloniale Ironie hat. Sie kritisieren, dass Claudia Roth das Gesetz zu spät und nicht ausreichend abgesprochen im Bundestag vorgelegt habe.
Tatsächlich war das Kulturstaatsministerium offenkundig vor allem um die Länderzustimmung bemüht, setzte die des Bundestags dagegen voraus – die Ampel hatte schließlich die Mehrheit, und eingeleitet worden war der Reformprozess 2020 durch Monika Grütters von der CDU.
Von der Partei Die Linke wird die Forderung nach einer direkten Beteiligung des Bundestags in der SPK zwar relativiert: Er übe seine Kontrolle über die SPK durch die Geldbewilligung im Kultur- und Haushaltsausschuss aus. Aber warum sollte die Opposition der Regierung zu Hilfe eilen – zumal gerade Claudia Roth kein Erfolg gegönnt wird.
Das Kulturstaatsministerium lässt auf taz-Anfrage verlauten, man verhandele und gehe davon aus, dass der Bundestag in seiner letzten Sitzungswoche das Gesetz verabschiede. Doch nach allem Überblick droht es eher am Wahlkampf zu scheitern. Aus der Sicht der SPK wäre das fatal.
Die kommende Stiftungspräsidentin Marion Ackermann müsste mindestens bis 2026, vielleicht viel länger mit der bisherigen dysfunktionalen Struktur arbeiten. Bei entsprechendem Wahlergebnis für BSW, Die Linke und Freie Wähler sowie dem Zerbrechen des Länder-Konsenses könnte der Stiftungsrat sogar auf bis zu 26 Mitglieder aufgebläht werden. Dabei ist eins gerade beim Blick auf das Humboldt Forum klar: Mehr sinnvolle Kontrolle kommt so nicht zustande, nur die Selbstblockade wird stärker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Pläne zur Krankenversicherung
Ohne Schutzschild aus der Deckung
Abstoßender Wahlkampf der Rechten
Flugticket-Aktion sorgt für neue Forderungen nach AfD-Verbot
Sozialwissenschaftlerin Ilona Otto
„Klimaneutralität würde uns mehr Freiheiten geben“
Debatte über Staatsbürgerschaft
Sicherheitsrisiko Friedrich Merz
Polizeigebühren bei Bundesliga-Spielen
Legitimer Akt der Umverteilung
Anklage gegen Linke Maja T. erhoben
Ungarn droht mit jahrelanger Haft