Reederei-Pleite vor Gericht: Der Außenseiter Niels Stolberg
Während das Landgericht gegen den Gründer der Beluga-Reederei verhandelt, fragen sich Viele, warum Bremen ihm nicht geholfen hat, als er in Schwierigkeiten geriet.
Stolberg war ein erfolgreicher Unternehmer nach amerikanischen Muster, sein Unternehmen hatte keinen Betriebsrat und keinen Kontakt zum sozialdemokratischen Gewerkschafts-Milieu. Auch im Kreise der alteingesessenen Bremer Familien und CDU-orientierten Unternehmer war Stolberg ein Fremder. Als er verkündete, ein modernes pädagogisches Oberstufen-Zentrum, die „Beluga-School“, zu gründen und zu finanzieren, wurde das von der Bremer Bildungssenatorin äußerst distanziert behandelt. Eine Kommunikationsbasis für vertrauensvolle Gespräche in der beginnenden Schifffahrtskrise 2009 gab es also nicht.
Bremen kann keine Industriepolitik
Bremen als Bundesland hat sich zudem immer wieder auch als zu klein für große Industriepolitik erwiesen. Im Falle der Vulkan-Werft gab es zwar gute Beziehungen zwischen dem sozialdemokratischen Werft-Chef Friedrich Hennemann, selbst ehemaliger Wirtschaftsstaatsrat, und dem sozialdemokratischen Senat. Eine industriepolitische Kontrolle fand aber nicht statt und als aus dem Vulkan ein internationaler Konzern geworden war, der sich mit den Investitionsgeldern für den Aufbau Ost verzockt hatte, war Bremens Portokasse viel zu klein, um noch etwas zu retten. Überhaupt hat das Schicksal der Werftindustrie in Bremen die traumatische Erfahrung hinterlassen, dass man mit Steuergeld zeitweise „Arbeit kaufen“, nicht aber industriepolitische Weichen stellen kann.
Dabei gibt es das positive Beispiel der Stahlwerke, die durch staatliche Geldspritzen in den 1990er-Jahren gerettet wurden. Mit dieser „Rettungsaktion“ wurde der Verkauf der Stadtwerke gerechtfertigt, also ein großer Verzicht auf industriepolitischen Einfluss.
Der „Schaden“, der dem amerikanischen Hedgefonds Oaktree für seine Beluga-Rettung entstanden ist, wird vor Gericht auf nur zehn Millionen Euro beziffert und die Nachfolge-Gesellschaft „Hansa Heavy Lift“ macht mit rund 20 Beluga-Schiffen von Hamburg aus heute noch Gewinne. So fragen sich die Waterkant-Autoren Christoph Spehr und der interviewte Radio-Bremen-Journalist Rainer Kahrs, ob mit einer solchen Summe das Land Bremen nicht das Unternehmen für Bremen hätte retten können.
Die KfW rettete lieber andere Reeder
Niels Stolberg selbst hat vor Gericht einen Hinweis darauf gegeben, warum das nicht passierte – er hat bis zuletzt gepokert und darauf gesetzt, dass er mit einem Schwindel erregenden Schneeball-System immer wieder neue Liquidität bekommen könnte. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die die Hamburger Hapag-Lloyd-Reederei mit einer großen Summe gestützt hatte, verweigerte sich aber bei Beluga. Warum, wird die Öffentlichkeit vermutlich nie erfahren. Entweder hat Hamburg eine bessere Lobby als Bremen – oder Stolbergs expansives Pokerspiel war der KfW suspekt. Nur mit einer drastischen Schrumpf-Strategie wäre das Unternehmen möglicherweise zu retten gewesen, das räumte Stolberg selbst inzwischen rückblickend ein, aber davon wollte er damals nichts wissen.
Stolberg hat es daher vermieden, Kontakt zum Bremer Senat aufzunehmen. Noch im Mai 2010, so erinnert sich der Bremer Wirtschaftsstaatsrat Heiner Heseler, war Stolberg mit ihm auf der Expo in Shanghai – keine Andeutung von Problemen. Das war die Zeit, in der Stolberg nach eigenem Geständnis längst den Überblick verloren hatte und in geradezu dilettantischer Weise seine Unternehmensbilanzen fälschte, um Oaktree über den Tisch zu ziehen.
Das erste Beluga-Krisengespräch des Bremer Wirtschaftsstaatsrates fand dann erst im Frühjahr 2011 statt – schon mit dem Oaktree-Verantwortlichen Hermann Dambach. Der lehnte ein Einmischen des Bremer Senats kühl ab, so erinnert sich Heseler. Vermutlich hatten die Oaktree-Experten längst erkannt, dass die krisengeschüttelte Beluga für sie zu einer fetten Beute werden könnte. Am 3. März 2011 nahm Oaktree dem Firmengründer Niels Stolberg die Schlüssel ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs