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Schnellfähre für SpiekeroogNur ein Sandhaufen unter vielen

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

Wer nach Spiekeroog wollte, musste das wirklich wollen, weil die Insel so schlecht zu erreichen war. Das ist Vergangenheit: Der Anfang vom Ende?

Funk­ti­ons­ja­cken­trä­ge­r:in­nen wissen: Auf Spiekeroog soll alles bleiben, wie es ist Foto: Sina Schuldt / dpa

A ch Spiekeroog, jetzt hat es dich erwischt. Eine Schnellfähre verkehrt seit Montag ab Neuharlingersiel mit dir, drei bis acht Mal täglich soll die „Wattn­Express“ bis zu 50 Fahrgäste befördern, zusätzlich zu den großen, langsamen Fährschiffen, die nur tidenabhängig auslaufen können, wenn das Wasser hoch genug in der Fahrrinne steht. Das bedeutete früher, dass an manchen Tagen nur zwei Fähren fuhren und die oft zu so bescheuerten Zeiten, dass sich ein Wochenendtrip oder gar ein Tagesausflug nicht lohnte.

Aber gerade das machte doch deinen Reiz aus! Wer nach Spiekeroog fuhr, musste das wirklich wollen, musste dich meinen und nicht irgendeinen anderen Sandhaufen im ostfriesischen Wattenmeer.

Deshalb drängten sich durch deine schmalen Gassen nie so viele ­Ta­ges­tou­ris­t:in­nen wie auf den anderen Inseln, solche, die nicht ihr Herz in deiner Dünenlandschaft weiten, sondern in kurzer Zeit viel Geld in Frittenbuden und Nippesläden lassen wollen. Die werden sich auf dir noch seltener an den Strand verlaufen, einen ganzen Kilometer vom Ortskern entfernt!

Das macht dich nicht zur Top-Destination für den Urlaub mit Kindern, die sich vor jedem Ausflug an den Strand über den Fußmarsch echauffieren und der mich dazu zwingt, alles, aber auch wirklich alles einzupacken, was man an so einem Strandtag gebrauchen könnte.

Radfahrer und Hunde unerwünscht

Aber ich habe immer gedacht, eines Tages, wenn die Kinder keine Lust auf Urlaub mit mir haben oder ich keine auf Urlaub mit ihnen, dann kehre ich zu dir zurück und bin eine der mittelalten bis alten Funktionsjackenträger:innen, denen jegliche Neuerung auf der Insel ein Dorn im Auge ist und die sich insgeheim über die vielen Verbote freuen. „Spießeroog“ habe ich oft gedacht beim Anblick der Radfahren-Verbotsschilder im Ort, weil eine Gasse dort wirklich eine Gasse ist und die Unfallgefahr hoch.

Auch auf den anderen autofreien Nachbar­inseln ist das Radfahren nicht immer und überall erlaubt, aber die Spiekerooger wollen Rad­le­r:in­nen selbst außerhalb des Ortes nicht haben, jedenfalls dann nicht, wenn sie nur zum Urlaub auf der Insel sind.

Deshalb gibt es keinen Fahrradverleih auf der Insel, heißt es auf der Homepage der Kurverwaltung; und dass die Wege so kurz seien, „dass man eigentlich kein Fahrrad benötigt“. Sie könnte noch hinzufügen, dass man jetzt verdammt noch mal entschleunigen solle, das sei nämlich der unique selling point Spiekeroogs.

Auch Hunde sieht man dort wegen der zahlreichen vom Aussterben bedrohten Vogelarten selbst angeleint nicht gerne, deshalb schlägt die Fähr-Überfahrt mit saftigen 46,40 Euro zu Buche, während Langeoog nur 31 Euro nimmt und Juist lächerliche elf Euro.

Erinnerungen an größenwahnsinnigen Reeder

Ach Spiekeroog, wie lange wirst du dir diese Eigenheiten noch leisten können? Ist die Schnellfähre der Anfang vom Ende, weil sie ein Zugeständnis an die Bedürfnisse der Ur­lau­be­r:in­nen, ach was, an die aller Menschen ist, denen es nie schnell genug gehen kann?

Klingt das nicht auch aus der Pressemitteilung der Kurverwaltung zum Start der Schnellfähre heraus: „Inselbewohner:innen, Zweitwohnungsbesitzer:innen, Urlaubsgäste und Hand­wer­ke­r:in­nen sind immer weniger bereit, sich dem Rhythmus der Gezeiten anzupassen.“ Nur so sei zu erklären, warum immer mehr Passagiere das teure Wassertaxi genommen haben.

Wassertaxi? Das erinnert an diesen größenwahnsinnigen und mittlerweile wegen Betrugs verurteilten Bremer Reeder. Der wollte vor 20 Jahren alles anders haben, zeitgeistiger. Er baute Hotels, kaufte Läden und Ferienhäuser, auch Schnellboote gehörten zu seiner Flotte, weil die Fähre zu selten fuhr.

Auch damals befürchtete ich wie so viele, die Ambitionen des Reeders würden deinen Charme vernichten und dich zu einer von ­Vielen werden lassen, aber er vernichtete nur sich selbst, und du bist immer noch du.

Und weißt du, so ein Wochenendtrip wäre wirklich mal wieder ganz schön.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; Systemische Beraterin.
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2 Kommentare

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  • Ich bin das erste mal so ca. 1985 dort gewesen - damals fuhren sich die Fähren noch regelmäßig im Watt fest. Im Jahr 1993 absolvierte ich dann auf der "grünen Insel" mein Vegetationskunde - Praktikum im Landschaftsökologie- Studium und kam seitdem immer wieder. Ich beobachte schon sehr lange, wie sich Spiekeroog verändert; die Insel ist in jüngerer Zeit, auch nach der Stolberg-Pleite dem Gedanken der Gewinnoptimierung zum Opfer gefallen. Immer mehr Häuser, die teils neu gebaut, teils umgewidmet als Ferienhäuser für Wohlhabende und als Investitionsobjekte genutzt werden. Menschen, die auf der Insel arbeiten finden deshalb immer weniger bezahlbaren Wohnraum, was sich darin äußert, dass noch mehr als auf dem Festland das Personal fehlt und die Öffnungszeiten der Gastronomie eingeschränkt wird.

    Auch die (noch) schöne Insel Spiekeroog ist also kein "Nur so da" - Ort mehr. Manche wollen die Insel zu einem Paradies für "zahlungskräftige" Gäste "entwickeln". Spiekeroog als "Marke". Gut ist, dass ein großer Teil der Insel zum Nationalpark gehört - so kann vielleicht das Schlimmste verhindert werden. Ach ja: Funktionsjacken trage ich eher nicht. Als die größte, wünschenswerteste und (noch) zu akzeptierende Veränderung würde ich mir dort den Bau eines Vogelturms an der Wattkante wünschen!

  • Ich weiß ja nicht, wann Sie das letzte mal auf Spiekeroog waren. Die Insel, wie Sie sie beschreiben gibt es schon länger nicht mehr. Inzwischen hat jedes Ferienhaus für ihre Mieter mindestens Räder, meist sind diese elektrisch betrieben. Nahezu jedes Unternehmen auf der Insel hat seit letztem Jahr ein elektrisches Fahrzeug. Unser allseits geliebtes Wirtschaftssystem hat auch dazu geführt, daß der Gepäcktransport inzwischen mit fast sattelschleppergroßen Fahrzeugen durchgeführt wird. Glücklich ist, wer es schafft rechtzeitig zur Seite zu springen.