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Rechtsnationale Kampagne in IsraelHetze gegen kritische Gruppen

Ex-Soldaten, Menschenrechts- und Friedensgruppen werden in Israel angefeindet. Sie sollen so zum Schweigen gebracht werden.

Die Ausstellung „Das Schweigen brechen“ im Juni in Zürich. Foto: reuters

Israel taz | Je stärker Israels Besatzungspolitik international auf Widerstand stößt, desto massiver geraten diejenigen Israelis unter Beschuss, die zu Hause den Frieden voranzutreiben versuchen. Der Gipfel der seit Wochen laufenden Droh- und Hetzkampagne gegen links ist ein kürzlich veröffentliches Video, das namentlich vier Menschenrechts- und Friedensaktivisten nennt und ihre Fotos mit dem Hinweis ausländisches „Implantat“ zeigt.

„Während wir gegen den Terror kämpfen, kämpfen sie gegen uns“, heißt es in dem Kurzfilm von „Im Tirzu“, einer außerparlamentarischen Organisation, die sich erklärtermaßen für die Stärkung „zionistischer Werte“ einsetzt. „Im Tirzu“ bedeutet auf Deutsch „Wenn ihr wollt“ und lehnt sich an die berühmten Worte von Theodor Herzl, dem Visionär des Judenstaates, an: „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen.“

Die in dem Video angeprangerten Organisationen sind die Menschenrechtler von Betselem, die Armeereservisten von „Das Schweigen brechen“, das Öffentliche Komitee gegen Folter und das Rechtsbeihilfezentrum HaMoked. Die Gruppen setzen sich ein für die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen oder für die Abschaffung staatlich geregelter Folter.

Im Visier der rechtsnationalen Kampagne stehen vor allem die ehemaligen Soldaten, die öffentlich über Einsätze im Gazastreifen oder im Westjordanland berichten und damit, so die Kritik, die Armee untergraben würden und Israel zusätzlich gefährdeten. Verteidigungsminister Mosche Jaalon verhängte ein Verbot gegen „Das Schweigen brechen“, bei Veranstaltungen der Armee aufzutreten, und Erziehungsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei „Das jüdische Haus“ untersagt künftig Auftritte an Schulen.

Nadav Bigelman, Sprecher der kritischen Reservisten, wehrt sich gegen Begriffe wie McCarthyism oder Hexenjagd, trotzdem gebe es hier den „Versuch, Münder zu schließen“. Kritik an der Besatzung sei so unerwünscht wie nie. „Als wir mit unseren ersten Ausstellungen anfingen, sind wir damit in die Knesset eingeladen worden“, erinnert sich Bigelman. „Das Schweigen brechen“ hat vor elf Jahren mit einer Fotoserie aus dem besetzten Teil Hebrons angefangen und eine lebhafte Debatte in Gang gesetzt. „Damals galt, dass man nicht mit allem einverstanden sein muss, trotzdem aber alle Standpunkte hören sollte.“ Inzwischen würden kritische Stimmen gegen die Regierung „schneller unterdrückt“ werden.

Demonstration in Tel Aviv

Während das Anti-Folter-Komitee Anklage erhob, setzen sich die Reservisten von „Das Schweigen brechen“ in gewohnter Methode zur Wehr. „Wir tun das, was wir am besten können“, kommentierte Bigelman am Telefon, „wir berichten über unsere Erfahrungen.“ Über tausend ehemalige Soldaten sind mit ihren Geschichten schon an die Öffentlichkeit gegangen, allesamt in Absprache mit dem Armeezensor, der die Berichte absegnen muss. Wenn „Im Tirzu“ von Lügen spricht, werde „Das Schweigen brechen“ noch mehr Zeugenaussagen und Beweismaterial sammeln und an die Öffentlichkeit bringen, kündigte Bigelman an.

Oppositionschef Jitzchak Herzog (Das zionistische Lager) distanzierte sich von dem Video „Im Tirzu“. Sein Appell an die Regierung, es ihm nachzutun, stieß indes weitgehend auf taube Ohren. Überraschende Rückendeckung erreichte die israelischen Menschenrechts- und Friedensorganisationen schließlich von Juval Diskin, ehemals Chef des inländischen Nachrichtendienstes Schin Beth.

Der Angriff auf „Das Schweigen brechen“ und andere Gruppen sei „populistisch und überflüssig“, schrieb Diskin auf seiner Facebookseite. Auch wenn die Gruppen „unangenehm“ seien oder „ungenau und ihre Arbeit nicht immer ordentlich erledigen“, sei ihr Beitrag doch „wichtig und er hilft uns, die nötige Wachsamkeit für die empfindlichsten menschlichen Angelegenheiten zu bewahren“.

Rund 3.000 Israelis demonstrierten am Samstagabend in Tel Aviv gegen die Kampagne gegen linke Initiativen.

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8 Kommentare

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  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    "Die in dem Video angeprangerten Organisationen sind ... setzen sich ein für die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen oder für die Abschaffung staatlich geregelter Folter."

     

    Es ist ja recht interessant, dass hier anscheinend diesen bedeutenden und seriös transparent Menschenrechtsorganisationen Israels beigestanden werden soll. Doch die Art wirkt recht heuchlerisch, solange man hier nicht lesen kann, was diese denn genau DOKUMENTIEREN.

    Dabei wäre die einfachste Möglichkeit, sonst übliche Verlinkungen anzuwenden

     

    Btselem http://www.btselem.org/

     

    Breaking the silence http://www.breakingthesilence.org.il/

     

    Hamoked http://www.hamoked.org/home.aspx

     

    Noch besser wäre es, die Verbrechen des Israelischen Staates direkt zu benennen.

     

    Wegen dieser Nachlässigkeiten stellt sich die Frage, wie ernsthaft das oben im Artikel gewähnte mediale Beistehen für die Israel. Menschenrechts- & Friedensorganisationen gemeint sein kann?

     

    Solange man hier nicht zu schreiben pflegt, was genau in den Dokumententationen dieser Organisationen steht, ist man auch hier nur Teil der medialen Kampagne der Israel. Regierung, die oben beschrieben wird.

  • Eine traurige Entwicklung, in Israel.

     

    Und immer wieder benutzen Regierungen den Nationalismus und die Aggression gegen den jeweils äußeren Feind als Blitzableiter der nicht gelösten sozialen Konflikte, im Innern.

  • Das man Israelkritische-Artikel nun auch in der Taz zu lesen bekommt, hat mich verwundert ist aber begrüßenswert.

    Das Kritik an der Besatzung genauso unerwünscht ist, wie die Kritiker selbst, versteht sich von selbst, insbesondere dann, wenn man sich klar macht, dass die überwältigende Mehrheit der Israelis nicht mehr mit der Besatzung alleine zu frieden sind. Sie wollen mehr. Bisher wird der Landraub verschleiert hinter Siedlungen und der angeblich erforderlichen Besatzung. Die Israelis wollen das Land der Palästinenser offen rauben und als ihr eigenes ausweisen.

    Hiergegen wirken die noch wenigen Aufrichtigen Israelis die in div. Menschenrechtsorganisationen wie etwa 'Breaking the Silence' (Das Schweigen brechen) vereint sind störend und müssen deshalb aus Sicht der Landräuber beseitigt werden.

    • @Nico Frank:

      Artikel, die sich kritisch mit der israelischen Rechts-Regierung auseinandersetzen, gibt es schon seit Ewigkeiten.

       

      Haben Sie denn auch Belege, für diese sinistren Absichten der "überwältigenden Mehrheit der Israelis"? Oder haben die Ihnen das im Einzelgespräch bei Falafel und Coke mitgeteilt?

      • @Kawabunga:

        Ich habe auch nicht verstanden was seine Botschaft ist. Vielleicht kommt das noch.

  • Ich denke nicht, dass das neu ist. Vielleicht fangen jetzt tatsächlich mehr Israelis darüber nachzudenken was für düsteren Aussichten der jetzige Politik bringen.

    Und daher steigt der Widerstand enorm. Solange es wenig waren der sich zu wort gemeldet hatten, war es einfacher die zu drangsalieren - aber jetzt nicht.

    • @anton philips:

      Die Aussichten für Israel sind überhaupt nicht düster. Wo soll den diese Depression in Israel liegen? Heute braucht die israelische Gesellschaft noch die billigen und fleißigen palästinensischen Arbeiter. Sobald diese durch asiatische Arbeiter ersetzt sind, verlieren die Palästinenser auch diese Funktion. Dann werden die Palästinenser aller voraussicht endgültig ihres Landes durch die Israelis verwiesen. Die wenigen Aufrichtigen in Israel machen nicht einmal einen Anteil von 5% aus. Auf die letzte Knessetwahl darf verwiesen werden. Die Meretz Partei, die als einzige israelische Partei in der Knesset, den Frieden mit ihren Nachbarn im Wahlprogramm stehen hat, erhielt 4 Mandate von 120

      Soviel zu Ihrem (@Anton Phillips) „Und daher steigt der Widerstand enorm.“ in Israel.

      • @Nico Frank:

        Ich weiss nicht auf was Sie zielen.

        - Sie finden die Aussichten für Israel gut

        - Sie haben offensichtlich kein Problem damit dass die Palästinenser das Land "verwiesen" werden?

        - nur vier Sitze: aber welche %?

        - und Sie finden nicht dass der Widerstand enorm gestiegen ist? Aha, die Palästinenser nehmen es einfach hin oder wie?

        Hmmmm........