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Rechtsdruck gestoppt

Seit Jahren verbreitet das „Compact“-Magazin rechtsextreme Verschwörungsmythen und Russland-Propaganda. Nun wurde es verboten

Die blaue Welle reiten: ein Stand des „Compact“-Magzins bei einer AfD-Wahlparty in Sonneberg Ende Juni 2023 Foto: Thomas Victor/Agentur Focus

Von Konrad Litschko
, Jean-Philipp Baeck
und Gareth Joswig

Das Compact-Magazin ist seit Jahren der publizistische Einheizer des Rechtsrucks. Symptomatisch dafür steht ein kürzlicher Auftritt des Chefredakteurs Jürgen Elsässer im sächsischen Zwönitz: Der 67-Jährige bekannte sich dort als „Putin-Unterstützer“, wetterte gegen „Umvolkung“ und „Wokeness“ und erklärte, Deutschland sei „ein besetztes Land“, unter Kontrolle der „Blutsauger im Westen“. Deutschland werde „vor die Hunde gehen, wenn wir die da oben nicht davonjagen“, rief Elsässer vor einer Großfahne der Freien Sachsen. Schon früher forderte er den „Regimesturz“, rief Soldaten 2015 dazu auf, die Grenzen, Asylunterkünfte und Moscheen zu schließen, und agitiert seit Jahren – Print wie Online – massiv gegen Geflüchtete.

Seit Dienstagfrüh ist damit Schluss. Im Morgengrauen ließ das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) das rechtsextreme Magazin verbieten, ebenso wie die dazugehörige Conspect Film GmbH. Polizeikräfte durchsuchten den Verlagssitz in Falkensee in Brandenburg, wo auch Chefredakteur Elsässer wohnt, und weitere Objekte in Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Vermögenswerte wurden beschlagnahmt. Ab sofort ist dem Magazin jede Tätigkeit verboten, sie fortzuführen ist strafbar.

Für Faeser ist Compact „ein zentrales Sprachrohr“ der rechtsextremistischen Szene. „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migra­tionsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie“, erklärte Faeser am Dienstag in einer Pressemitteilung. Das Ministerium wirft dem Magazin antisemitische, minder­heitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte vor. Vertreten werde ein „­völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept“ und eine „Widerstandsrhetorik“. Bereits Im Jahr 2020 wurde das Compact-Magazin vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft, ein Jahr später als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“.

Die erste Ausgabe des Compact-Magazins erschien im Dezember 2010, ab 2013 wurde es monatlich veröffentlicht. Zuletzt hatte Compact eine Auflage von rund 40.000 Exemplaren, online erreichte der Youtube-Kanal rund 350.000 Abo­nenn­t*in­nen und einzelne Videos mehrere Hunderttausend Klicks. Nach eigenen Angaben hatte CompactTV zuletzt über 1 Million Zuschauer am Tag.

Chefredakteur Elsässer gilt als „zentraler Vernetzungsakteur“ in der rechtsextremen Szene. Er stand bei Pegida auf der Bühne, hat Kontakte zu der Kleinpartei „Freie Sachsen“ und bot immer wieder Rechtsextremen wie dem Identitären Martin Sellner, dem Verschwörungsmythiker Oliver Janich oder AfD-Größen wie Björn Höcke und Maximilian Krah ein Podium. Gedruckt wurde ein „Exklusiv-Interview“ mit Kreml-Sprecherin Maria Sacharowa, und der russische neofaschistische Ideologe Alexander Dugin veröffentlichte Essays im Magazin.

Besonders eng ist das Verhältnis von Compact zur AfD. Zu den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg veranstaltete Compact etwa eine Kundgebungstour namens „Die blaue Welle“, für die zu Spenden aufgerufen wurde. Das wurde selbst der AfD zu heikel, die eine Parteispendenaffäre fürchtete und eine Unterlassungserklärung gegen das Magazin anstrengte. Die Veranstaltungen selbst wirkten dennoch als Wahlkampfveranstaltungen für die AfD, inklusive jeder Menge Russland-Folklore und Auftritten von AfD-Politikern wie dem unter Korruptionsverdacht stehenden Petr Bystron.

Auf das Verbot des Magazins reagiert die AfD denn auch so, als ob sie direkt betroffen wäre: Co-Chef Stefan Möller aus der AfD Thüringen sprach vom „Ende der Pressefreiheit“. Höcke sang anlässlich des Verbots ein Loblied auf den Querfront-Aktivisten Elsässer und meinte: „Der Angriff auf Jürgen Elsässer soll uns alle treffen.“ Der AfD-Spitzenkandidat aus Brandenburg, Hans-Christoph Berndt, nannte Faeser eine „Antifa-Ministerin“. Die AfD-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla nannten das Verbot einen „schweren Schlag gegen die Pressefreiheit“, den man mit großer Sorge beobachte.

Auch andere rechte Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen solidarisierten sich mit dem Magazin und unterstrichen dabei ihre völkische Agenda: „Verboten wird, wer das Volk erhalten will“, empörte sich etwa Philip Stein von „Ein Prozent“, einem Identitären-nahen Verein, der seinerseits im April 2023 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurde.

Jürgen Elsässer selbst hatte sich bereits am Dienstagmorgen vor seinem Haus in Falkensee öffentlich zu Wort gemeldet und sprach von einem „schlimmen Eingriff in die Pressefreiheit“, einer „diktatorischen“ und „ganz klar faschistischen Maßnahme von Frau Faeser“, verglich dies mit Aktionen, „wie man sie aus der DDR oder dem 3. Reich“ kennt. Compact sei noch nie strafrechtlich verurteilt. „In 14 Jahren Existenz gab es keine einzige Verurteilung wegen irgendwas wie Volkverhetzung, Rassismus, Antisemitismus oder Aufruf zur Gewalt – niemals“, so Elsässer.

Verboten wurde das Compact-Magazin allerdings nicht in strafrechtlicher Hinsicht, sondern nach dem Vereinsrecht, weil es sich gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ richte. Auch Unternehmen können unter bestimmten Vorausetzungen mit Vereinsverboten belegt werden. Das Verbot einer Publikation hat indes Seltenheitswert: Zuletzt hatte das Innenministerium 2019 den kurdischen Mezopotamien-Verlag verboten, dem vorgeworfen wurde, die PKK zu unterstützen.

Neben dem Verkauf der Hefte warb Compact immer wieder um Spenden, versuchte auch mit Sonderausgaben, CompactTV, Sommerfesten, einer „Clubmitgliedschaft“ oder Fanartikeln im Compact Shop wie einer „Heldenmedaille Donald Trump“, einem „Höcke-Taler“ oder einer „Druschba-Medaille“ Geld einzutreiben. Zuletzt beklagte Elsässer jedoch Kontokündigungen und einen „Finanzkrieg“ gegen sein Magazin. Es seien Spendenausfälle von 140.000 Euro angefallen.

Elsässer sprach von einem „schlimmen Eingriff in die Pressefreiheit“,

einer „faschistischen Maßnahme“

Laut dem jüngsten, im Mai veröffentlichten Jahresabschluss der Compact-Magazin GmbH betrug der Umsatz im Geschäftsjahr 2021 geschätzte 6,8 Millionen Euro bei einem Gewinn von 390.000 Euro. Auch in den fünf Jahren davor lag der Umsatz jeweils bei mittleren einstelligen Millionenbeträgen.

Dass sein Organ nun verboten wird, ist für Chefredakteur Elsässer das vorläufige Ende eines langen Weges von ganz links nach ganz rechts. Denn ursprünglich war der Publizist mal Anhänger des Kommunistischen Bundes und konkret-Autor. Vor knapp 20 Jahren begann dann sein Weg nach rechts, vorgeblich, weil sich „die Linke“ nicht mehr für das Proletariat interessiere.

Mit seinem Magazin prägte Elsässer dann den rechten Diskurs der letzten Jahre mit. Für den 27. Juli hatte Compact bereits das nächste Event geplant: ein „Sommerfest“ mit Sellner und Krah in Stößen (Sachsen-Anhalt).