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Rechtsextreme TerrorzelleDer Informant und die Germanen

Die Festnahme von zwölf Terrorverdächtigen verdanken die Behörden auch einem Spitzel. Seine Rolle in der Gruppe bleibt noch unklar.

Gründungsort der rechtsterroristischen Gruppe: der Grillplatz bei Alfberg Foto: Gabriel Habermann/ZVW

BERLIN taz | Das Treffen der Rechtsextremen lag erst wenige Tage zurück, da saß Bernd M. (Name geändert) bei der Polizei. Und er erzählte: Mit welch illustrer Runde er sich da zuletzt auf einem Grillplatz im schwäbischen Alfdorf getroffen hatte, Angereiste aus mehreren Bundesländern.

Der Termin von Bernd M. bei der Polizei, der nach taz-Informationen am 1. Oktober 2019 stattfand, ist brisant. Denn damals erfuhr die Polizei aus erster Hand, wie die Gruppe Rechtsextremer eingestellt war, die sie nun vor wenigen Tagen als Terrorverdächtige verhaftete: die „Gruppe S.“ um den Bayer Werner S. Anschläge auf PolitikerInnen, Geflüchtete und Muslime sollen die Rechtsextremen geplant haben, einige Waffen hatten sie schon in Besitz.

Die Frage ist nun: Wie real waren die Terrorpläne, wie weit gediehen?

Es ist eine Frage, für deren Beantwortung Bernd M. eine wichtige Rolle spielt. Denn nach taz-Informationen hatte dieser die Polizei schon sehr früh über die „Gruppe S.“ informiert, die in einem Chat als „Der harte Kern“ firmierte. Tatsächlich konnte die Polizei bereits die erste Gruppenzusammenkunft überwachen, die ihnen als Gründungstreff gilt: der Termin Ende September 2019 auf dem abgelegenen Grillplatz „Hummelgautsche“ bei Alfdorf nahe Schwäbisch-Gmünd.

Aussagen über das „Personenpotential“

Bei der Polizei soll Bernd M. nach taz-Informationen kurz darauf über das „Personenpotential“ des Treffens ausgesagt haben. Kurze Zeit später wurde M. unabhängig davon von der Bundespolizei auf dem Heidelberger Hauptbahnhof kontrolliert, laut ARD fanden die Beamten bei dem zufälligen Zusammentreffen eine illegale Gasdruckwaffe bei ihm.

In der Gruppe aber verhielt sich Bernd M. offenbar weiter angepasst. Und die Behörden, nun verstärkt vom Verfassungsschutz, setzten ihre Überwachung fort, hörten Telefone ab, lasen Nachrichten mit. Auch stufte die Polizei Anführer Werner S. laut Spiegel als Gefährder ein.

Am vorvergangenen Wochenende dann erfolgte das letzte Treffen der Gruppe – in Minden, wo einer der Hauptbeschuldigten lebt. Dort wurden nochmals Anschlagspläne und die Beschaffung weiterer Waffen diskutiert. Ein Plan laut Spiegel: der parallele Angriff auf Moscheen in zehn Bundesländern.

Eilig vorgezogene Durchsuchungen

Nach dem Treffen aber soll Bernd M. abgetaucht sein. Und in der Gruppe soll es nun misstrauische Töne gegeben haben. Die Bundesanwaltschaft zog ihre Durchsuchungen darauf vor – auf den vergangenen Freitag. Auffällig schon da: Durchsucht wurde bei 13 Personen, fünf Hauptverdächtige und acht Unterstützer. Festgenommen wurden indes nur zwölf Männer. Einer der fünf Hauptverdächtigen blieb auf freiem Fuß. Nach taz-Informationen ist dies: Bernd M.

Die Bundesanwaltschaft äußert sich zu der Personalie bisher nicht. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bekundete aber, man habe die Gruppe „schon länger im Blick“ gehabt. In den Sicherheitsbehörden wird das gute Zusammenspiel aller Beteiligten gelobt. Die „Gruppe S.“ sei eine „sehr ernst zu nehmende Gefahr“ gewesen. Und Bernd M. könnte nun derjenige sein, der schwerste Straftaten verhinderte.

Dennoch bleiben Fragen über seine Rolle. Wie positionierte er sich in der Gruppe zu den Anschlagsplänen? Befeuerte er diese? Die Linken-Innenexpertin Martina Renner sieht noch Klärungsbedarf: „Wie immer stellt sich auch in diesem Fall einer V-Person die Frage, welchen Anteil sie – und damit die führende Behörde – an der kriminellen Dynamik der Gruppe hatte.“

Für Daniel Sprafke, Verteidiger eines Festgenommenen, ist wiederum aufgrund der Überwachung die ganze „vom Generalbundesanwalt suggerierte Gefährlichkeit zweifelhaft“.

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5 Kommentare

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  • Woher kann man wissen, wie häufig das BfV seine Spionageinformationen an die Polizei weiterleitet und wie oft nicht?

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Das ist doch keine "V"-Person mit Führung durch Polizei, Staatsschutz oder Verfassungsschutz, sondern ein "Beteiligter Whistleblower", der die Polizei informierte ... ggfs. als Kronzeuge, dem in einem getrennten Verfahren für seine Zeugenaussage eine Strafminderung zugebilligt wird.

    So, wie wenn ein Kriminieller als Fahrer oder Safeknacker eingesetzt wird und dann erfährt, dass andere Gangmitglieder als erstes die Banksecurity erschiessen will und er das nicht mitmachen will ....

    Oder ein US-Soldat oder NSA-Mitarbeiter Gesetzesverstöße an Asange oder Zeitungen weitergibt.

    "V"ertrauens-Leute sind aus einem gewissen Millieu angeworben/eingekauft, um aus geschlossenen Gruppen Informationen zu erfahren.

    Ansonsten finde ich den Artikel auch zu genau ...

    Gerade die TAZ sollte Whistleblower besser schützen!

  • Super!



    nach so einer detaillierten Berichterstattung ist der Spitzel jetzt auf jeden Fall den eingeweihten (Rechtsradikalen) namentlich bekannt.



    Es ist ja nicht schwer festzustellen, wer von den Jungs gerade NICHT im Gefängnis sitzt.

    Entweder die Polizei ist selten dämlich oder es gibt interessierte Kreise in den Entwicklungsbehörden, die ein Interesse daran haben, das die Polizei in Zukunft weniger Hinweise aus rechten Gruppen bekommt.

    Es fällt mir irgendwie schwer, Letzteres vom Tisch zu wischen.

    An die taz gerichtet: ist es eigentlich notwendig, z.B. das Datum des Treffens so genau zu nennen? Auch das bietet Möglichkeiten, den Zeugen zu identifizieren. Hätte "Anfang Oktober" nicht gereicht?

    • @Sonntagssegler:

      Also, die werden ja wohl selber schon wissen, wann sie sich getroffen haben, oder?

      Davon abgesehen: Wenn diese rechten Knallköppe damit rechnen müssen, dass in jeder Runde ein Spitzel sitzt, dann macht sie das misstrauisch und vorsichtig und ineffizient und das ist gut so. Im Idealfall trauen sie niemandem mehr und unter diesen Umständen macht das gerade solchen Bauchgesteuerten es nicht gerade einfacher, Unterstützer zu finden und Leuten, nun ja, zu vertrauen.

      Ich kann an möglichst großer Transparenz nichts schlechtes finden. Für den Betroffenen selber ist das sicherlich eher unangenehm, aber so ist das nunmal. Trau schau wem.

      • 9G
        91655 (Profil gelöscht)
        @Mustardman:

        Und dann haben wir überhaupt nicht mehr vorher auf dem Radar auftauchende einsame "Wölfe" ... und können jeweils nach einen Massaker aufräumen, es sei denn, wir gehören zu den Opfern.