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Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung„Nicht realisierbar“

Der Rechtsanspruch für Ganztagsbetreuung an Grundschulen soll ab 2026 gelten. Kommunen fordern, das in bereits überlasteten Regionen zu verschieben.

Grundschule und Ganzstagsbetreuung? Bei Fachkräftemangel schwer umsetzbar Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin dpa | Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht den beschlossenen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen in Gefahr. Er wird ab 2026 stufenweise eingeführt.

„Bis zum Jahr 2030 müssten die Kommunen mindestens 600.000 Ganztagsplätze zusätzlich schaffen, was allein aufgrund der angespannten Personalsituation im Bereich der Erzieherinnen und Erzieher nicht realisierbar sein wird“, sagte Geschäftsführer Gerd Landsberg der Augsburger Allgemeinen.

Ihm zufolge wird der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung weder mit dem schrittweisen Beginn 2026 noch 2030 flächendeckend umzusetzen sein. Er forderte daher, dass das Inkrafttreten verschoben und zumindest in Regionen ausgesetzt wird, in denen der Rechtsanspruch nicht erfüllt werden kann.

Landsbergs Warnung kommt zum Beginn der zweitägigen Kultusministerkonferenz, die von diesem Donnerstag an in Berlin tagt. Bei den regelmäßigen Treffen der Minister und Senatoren für Bildung, Wissenschaft und Kultus stimmen die Bundesländer ihre Bildungspolitik untereinander ab.

Vorwürfe bringen nicht weiter

Die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Ulrike Bahr (SPD), lehnte eine Verschiebung ab. Sie wäre nicht nur ein familienpolitisches Armutszeugnis, sondern vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels auch ein verheerendes Signal für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte sie. Der Rechtsanspruch sei bereits um ein Jahr nach hinten geschoben worden. Er sieht vor, dass bundesweit alle Kinder, die ab dem Schuljahr 2026/2027 eingeschult werden, für die ersten vier Jahre in der Schule Anspruch auf einen Ganztagsplatz bekommen sollen.

Der Bund habe über dreieinhalb Milliarden Euro für Investitionen bereitgestellt und eine Beteiligung an den Betriebskosten zugesagt, sagte Bahr. Nun müssten die Länder dafür sorgen, dass das Geld bei den Grundschulen ankomme. „Kommunen, Länder und der Bund müssen jetzt bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs in die Pötte kommen und gemeinsam pragmatische Lösungen finden, anstatt gegenseitig Vorwürfe hin- und herzuschieben.“

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8 Kommentare

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  • Es wäre lustig, wenn's nicht zum Schreien wäre.



    Eine Verschiebung wäre ein Armutszeugnis? Ja sicher! Aber die Armut, die da bezeugt würde, existiert auch so, denn es wurde ja nichts unternommen, was der fortschreitenden Verschlimmerung der Situation entgegengewirkt hätte.



    Das ist allerdings armselig.



    Ob mit oder ohne offizielle Verschiebung: Bezeugen können das alle Eltern, es wird nur mehr oder weniger gesteuert und somit mehr oder weniger chaotisch - je nachdem, wie ehrlich man sich macht.

  • Der Bund beschließt, die Länder ducken sich weg und die Kommunen haben das Problem.



    Wir hatten erst vor kurzem einen hohen Abschluss im Öffentlichen Dienst, die Finanzierung im Asylbereich ist unzureichend und die Bildungseinrichtungen sind seit Jahrzehnten unterfinanziert.

    Gerade arme Gemeinden können das nicht finanzieren, sobald sie Steuern und Abgaben erhöhen, kommt es zur Abwanderung.

    Und auch in den "reichen" Kommunen sieht es nicht gut, auch in guten Lagen gibt es mehr und mehr Leerstand und damit weniger Gewerbesteuer.

    Die letzten Jahre waren nicht sehr gut für die KMU, für örtlichen Handel und das Gewerbe, dafür hat die Politik gesorgt, in einer sehr Großen Koalition.

    Was dieses Land braucht, ist weniger Hysterie und Weltrettung und mehr Lösungen für die Probleme vor Ort.

  • Einfach nur lächerlich, wie Ulrike Bahr den Rechtsanspruch verteidigt. Mit einem kleinen Obolus an die Kommunen ist das Kapitel für die Regierung erledigt. Dabei ist sonnenklar, dass die Umsetzung zuvorderst personell gar nicht realisierbar ist!



    Das ist in meinen Augen Pseudo-Politk, die ins leere mündet, ein Versuch die eigene Haut zu retten, mehr nicht, „der Wille war ja da“ …

    Für so einen Schmarrn werden die auch noch bezahlt.



    Völlig ver-rückt!



    Jeder andere würde wegen wirkungsloser Arbeit gefeuert!

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Wenn Rechtsansprüche auf die Wirklichkeit treffen! Daran werden wir uns noch gewöhnen müssen das nicht alles was wir gerne hätten auch bekommen werden.

  • 6G
    675670 (Profil gelöscht)

    Die Kommunen scheitern an einfachsten Aufgaben. Bei Kita-/Kigaplätzen ist es auch so. Dabei ist die Lösung klar: Erzieher:innenausbildung endlich bezahlen, Gehälter für Erzieher:innen raufsetzen - das wäre marktwirtschaftliches Handeln in so einer Mangelsituation.

    Geldmangel könnte man über Stadtmaut und/oder Parkgebühren begegnen, vielleicht auch über eine höhere Steuerlast für Grundeigentümer.

    • 4G
      49732 (Profil gelöscht)
      @675670 (Profil gelöscht):

      Erzieher verdienen schon sehr gut wenn Sie mal in die Tariftabellen schauen!

      Du Unattraktivität des Erzieherberufes liegt u.a. an den immer steigenden Ansprüchen der Eltern an das Personal und dem Umgang mit den eigenen Kindern. Darauf haben einfach viele keinbe Lust mehr. Das gleiche in den Schulen.

    • @675670 (Profil gelöscht):

      Man könnte seine Kinder zumindest teilweise auch selbst betreuen. Ginge auch.



      Wie war das doch gleich? "Hmm, Internet ausgefallen, hab mal mit meiner Familie geredet, scheinen ganz nett zu sein".

    • @675670 (Profil gelöscht):

      Lassen Sie mich raten: kein Auto, kein Grundeigentum? Also klassisches St. Florians-Prinzip aka NIMBY.



      Ne, so wird das nix...