Kita-Abholstreik: Noch mehr Druck für die Eltern

Einige Eltern gehen in Kita-Abholstreik, weil Kommunen keine Ganztagsbetreuung gewährleisten. Doch ihre Kinder können deswegen den Kitaplatz verlieren.

Ein kleines Mädchen sitzt an einem Tisch, vor ihr stehen Buntstifte

Wegen Personalmangel einfach mal die Öffnungszeiten der Kita kürzen Foto: Uli Deck/dpa

Chapeau an alle, die diese Woche das Wort „Kampf“ in den Frauenkampf-tag geschmuggelt haben. „Frauentag“ ist unverfänglich, klingt nach Muttertag, nach Blümchen und Konfekt. In einer Klokabine quäkt mir aus Lautsprechern ins Ohr, ich solle die „Rabatte zum Frauentag“ nicht verpassen.

Dabei ist Frauenpolitik immer ein Kampf. Aber wer will schon kämpfen? Seit Jahresanfang ist es in Deutschland zu sogenannten Kita-Abholstreiks gekommen. Die Geschichte geht so: Eine Kommune hat nicht genug Fachkräfte für eine ganztägige Betreuung von Kleinkindern. Die Öffnungszeiten der Kitas werden verkürzt, berufstätige Eltern fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Sie treten darauf in den „Abholstreik“, kommen also zur späteren Uhrzeit. In dem Wissen, dass natürlich keine Er­zie­he­r*in das Kind im Gebäude einschließt und geht. Nun ist die Kommune am Zug und führt Sanktionen ein. Zum Beispiel, dass ein Kind aus der Kita fliegen kann, wenn so etwas öfter passiert. So ist es kürzlich in Baden-Württemberg gekommen. Das ist ein Kampf, den niemand kämpfen will. Gemeinden, Eltern, Erzieherinnen und Kinder gegeneinander in Angriffsstellung? Warum ist das kein größerer Skandal als Marie-Agnes Strack-Zimmermanns Büttenrede?

Und was machen die Arbeitgeber?

Das Verhalten aller Beteiligten ist verständlich. Irgendwer muss ja streiken. Denn Kinderbetreuung und andere Sorgearbeit wird von der Politik deshalb so stiefväterlich behandelt, weil sie immer irgendwer am Ende himmel­hoch seufzend erledigt. Aber die Konsequenzen der Abholstreiks tragen die Betroffenen. Die Kinder sowieso, die Er­zie­he­r*in­nen auch, denn die machen weiter Überstunden und erziehen sich kaputt. Ergo kriegen die Kommunen keine neuen Fachkräfte. Die Rausschmiss-Drohung wiederum setzt die Eltern unter Druck. Auch diejenigen, die ihre Kinder zwar pünktlich abholen wollen, es aber immer nur gerade so rechtzeitig schaffen. Sie wissen ja, dass der Che­f*in immer dann noch drei Sachen einfallen, wenn man schon die Jacke anhat.

Ach ja, Che­f*in – komisch, dass die Ar­beit­ge­be­r*in­nen in dieser Abholstreik-Geschichte kaum vorkommen. Die Eltern spielen schließlich nicht acht Stunden Bridge. Menschen, die am wenigsten kämpfen sollten, sind gezwungen zu kämpfen – und das auch noch gegeneinander. Und warum? Weil die Chance, nach dem Coronaschock das System Fürsorge neu zu denken, ungenutzt blieb. Das ist kein „Frauenproblem“. Wenn man bedenkt, wie schnell wir altern und wie viel und lange wir in Zukunft lohnarbeiten sollen, sind wir alle davon abhängig, dass die Sorgearbeit läuft. Wenn Kitas und Pflegezentren nicht bald mindestens dieselbe Stellung im Diskurs bekommen wie die Autoindustrie, dann hoffe ich, dass niemand ein Problem mit kinderbespaßenden Robotern hat. Wer nicht anders kann, kämpft für das Jetzt. Der Rest muss sich hinsetzen und über die Zukunft nachdenken.

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