Rechter Wahlkampf auf X: Ist der Weidel-Talk von Musk eine illegale Parteispende?
Lobbycontrol kritisiert Musks AfD-Talk als mögliche verbotene Wahlkampfspende aus dem Ausland. Die Parteienrechtlerin Schönberger ist skeptisch.
Nach dem Wahlgesetz könne auch Wahlwerbung durch Dritte eine Parteispende sein, so Eschmann. Das wiederum wäre vor allem deswegen problematisch, weil Musk und X in den USA säßen und Parteispenden aus dem Nicht-EU-Ausland verboten seien, so Lobbycontrol. Im Fall des Musk-Talks sei jedoch noch unklar, wie die Bundestagsverwaltung die noch relativ neue Drittkampagnen-Regelung anwenden werde.
Die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger zeigte sich auf taz-Anfrage eher skeptisch, ob es sich tatsächlich um eine illegale Parteispende handeln könnte. Um den Fall abschließend zu beurteilen, müsste man Genaueres über das konkrete Format wissen, wie Schönberger sagte: „Grundsätzlich reicht ‚Reichweite‘ nicht aus, um etwas zur Parteispende zu machen. Sonst wäre auch das Interview, das die taz mit Friedrich Merz oder Robert Habeck führt, eine Parteispende.“
Entscheidend sei, ob die konkrete Leistung auch für Geld erworben werden könnte. Das erscheine ihr beim „Live-Talk“ auf X mehr als zweifelhaft. Nicht jede Wahlwerbung sei eine Parteispende, sondern nur die, die einen „geldwerten Vorteil“ gewähre, so Schönberger, „insofern schien mir der ‚Meinungsbeitrag‘ in der Welt problematischer, weil das letztlich sehr nahe an einer Werbeanzeige war. Das wäre dann aber keine Spende von Musk, sondern von der Welt“, so die Parteienrechtlerin.
Die zuständige Bundestagsverwaltung antwortete auf taz-Anfrage zum Thema am Donnerstag: „Die Bundestagsverwaltung führt im vorliegenden Fall derzeit eine Sachverhaltsklärung durch.“ Alice Weidel antwortete nicht auf taz-Anfrage.
Ataman fordert Rückzug der Bundesregierung von X
Eschmann von Lobbycontrol forderte darüber hinaus politische Konsequenzen: Die Interventionen Musks in die britische und deutsche Politik müssten ein Weckruf sein: „Wir brauchen Instrumente, um amerikanische Verhältnisse von Wahlkampfintervention hierzulande zu verhindern.“ Sie forderte einen „Deckel für Parteispenden“, um Umgehungen des Verbots von Spenden von außerhalb der EU zu unterbinden. In einer resilienten Demokratie dürfe nicht die Möglichkeit bestehen, sich über Geld in die Politik einzukaufen, so Eschmann.
Am Mittwoch hatte die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung Ferda Ataman gefordert, dass staatliche Stellen sich von dem rechtsradikal dominierten Netzwerk zurückziehen sollten. Regierungssprecher Hebestreit lehnte einen solchen Rückzug ab, der Spitzenkandidat der Grünen, Robert Habeck, kehrte erst für den Bundestagswahlkampf auf die Plattform X zurück.
Musk als Autoritarismus-Verstärker
Der Multimilliardär Elon Musk, wohl bemerkt Vertrauter des baldigen US-Präsidenten Donald Trump, agiert mittlerweile weltweit mit seiner gekauften Social-Media-Plattform X als Verstärker autoritärer Bewegungen. Dort beschimpfte Musk zuletzt auch den Bundeskanzler als „Fool“ und den Bundespräsidenten Steinmeier als „antidemokratischen Tyrannen“ – zugleich schrieb er, nur die AfD könne Deutschland retten, was er in einem argumentativ eher dünnen Gastbeitrag im Springerblatt Welt unterstrich, der innerhalb der Redaktion für erheblichen Missmut sorgte.
Zuletzt schaltete sich Musk in die britische Politik ein: Er kündigte an, Millionen für die rechtsextreme „Reform UK“ spenden zu wollen und ließ in einem Posting seine Follower*innen darüber abstimmen, ob Amerika die Bevölkerung von Großbritannien von ihrer „tyrannischen Regierung“ befreien sollte (58 Prozent auf X sind dafür – bei angeblich knapp 2 Millionen Stimmen). Nach von Musk verbreiteten Desinformationen im Sommer kam es in England in mehreren Städten zu rassistisch motivierten pogromartigen Krawallen.
Für Eschmann von Lobbycontrol ist klar: „Der Fall Musk zeigt überdeutlich, dass Demokratie nicht mit der Macht von Superreichen vereinbar ist, die unsere Gesellschaften nach ihren persönlichen Vorstellungen und Interessen beeinflussen und gestalten.“
Illegale AfD-Spenden wären nichts Neues
Mit illegalen Parteispenden hat die AfD in ihrer jungen Parteiengeschichte bereits vielfach zu tun. Nur in Auszügen: Im März 2023 etwa hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein Urteil bestätigt, wonach die Partei in der Spendenaffäre um die Spitzenkandidatin Alice Weidel ein Bußgeld von 396.000 Euro zahlen musste.
Auch im vergangenen Jahr prüfte die Bundestagsverwaltung den Verdacht auf mögliche illegale Parteispenden durch das rechtsextreme Verlagsnetzwerk Compact, weil sie indirekte Wahlwerbung für die AfD mit teurer Bühnentechnik unter dem Titel „Blaue Welle“ veranstaltet hatte. Die Partei mahnte Elsässer formal ab und verbot ihm, mit dem Namen AfD zu werben. Am Ende traten trotzdem AfD-Redner*innen auf der Compact-Bühne auf – unter anderem Petr Bystron, inzwischen EU-Abgeordneter.
Gegen Bystron wiederum gibt es selbst Vorwürfe wegen Bestechlichkeit, weil er im Zusammenhang mit russischer Einflussnahme Geld angenommen haben soll. Auch der Direktkandidat für die Bundestagswahl, Maximilian Krah, ebenfalls für russische Propaganda bekannt, war in den Komplex involviert. Das Geld sollte damals aus dem Umfeld des Putin-Freunds und Oligarchen Wiktor Medwedtschuk stammen. Womit man wieder bei Superreichen wäre, die autoritäre Formierungen finanzieren.
Hinweis, 9.1.2025, 11:40 Uhr: Der Text wurde um die Antwort der Bundestagsverwaltung aktualisiert.
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