Rechter KSK-Soldat bei der Bundeswehr: Zu Hause beim „Nazi-Opa“
Ein KSK-Soldat versteckte Kriegswaffen und Sprengstoff in seinem Haus. Wieso blieb das so lange unentdeckt?
Tags zuvor hatten Ermittler bereits eine AK-47 bei ihm sichergestellt, Munition und Plastiksprengstoff in großen Mengen, laut Sicherheitskreisen aus Bundeswehrbeständen. Auch am Freitag dauerten die Durchsuchungen an. Es geht in diesem Fall um Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz. Und um die Frage: Was hatte der Soldat damit vor?
Der Soldat im Range eines Oberstabsfeldwebels heißt Philipp Sch., er ist 45 Jahre alt, nach taz-Recherchen ist er Heeresbergführer und war mehrfach im Auslandseinsatz. Zuletzt war er offenbar beim Kommando Spezialkräfte (KSK) als Ausbilder eingesetzt. Dass seine Personalie öffentlich bekannt wird, ist daher außergewöhnlich: Das KSK ist eine streng abgeschottete Einheit, die im baden-württembergischen Calw stationiert ist.
Elite, sagen die einen. Eine Einheit, in der es auffällig oft zu rechtsextremen Verfehlungen kommt, sagen die anderen. Es ist jedenfalls die Einheit, in der auch André S. alias Hannibal Mitglied war. Dieser hatte ein rechtes Preppernetzwerk gegründet und paramilitärische Trainings für Zivilisten durchgeführt. Derzeit stuft der MAD rund 20 KSK-Soldaten als Verdachtspersonen ein.
Hitlergrüße bei einer KSK-Party
Auch auf Philipp Sch. kamen die Ermittler aufgrund eines rechtsextremen Vorfalls. Am 27. April 2017 verabschiedeten Mitglieder der 2. KSK-Kompanie ihren damaligen Kommandanten Oberstleutnant Pascal D. mit einer Party: Er sollte einen Parcours absolvieren und dabei unter anderem Schweineköpfe werfen.
Als Gewinn gab es Sex mit einer Frau, die eigens zu diesem Zweck angereist war. Sie war es, die sich später an Journalisten des Y-Kollektivs wandte und von Hitlergrüßen berichtete, die Pascal D. und andere an diesem Abend gezeigt hätten. Und von Musik der rechtsextremen Band Sturmwehr. Der Kommandeur Pascal D. wurde aufgrund dieser Vorkommnisse zu einer Geldstrafe verurteilt. Er ist der einzige, für den die Party juristische Konsequenzen hatte, einige wenige andere mussten Disziplinarmaßnahmen hinnehmen.
Recherchen der taz ergaben, dass auch Philipp Sch. bei dieser Party anwesend war. Die Zeugin nannte ihn den „Nazi-Opa“. Im KSK ist Phillip Sch. unter seinem Spitznamen „Schäfchen“ bekannt. Menschen, die ihn aus Calw kennen, sagen: Der Name ist Programm. Er sei ein harmloser Typ, der im Kasernenalltag nicht negativ aufgefallen sei.
Der Bundeswehrgeheimdienst MAD hat ihn trotzdem seit besagter Party beobachtet. Aufgabe des MAD ist es, extremistische Bestrebungen bei Soldaten zu entdecken. Anfang 2020 habe der Dienst schließlich Hinweise darauf erhalten, dass Sch. Waffen- und Munitionsverstecke angelegt haben soll, heißt es in einem internen Papier für die Verteidigungspolitiker des Bundestags. Der Dienst schaltete daraufhin die Ermittlungsbehörden in Sachsen ein.
Drei Jahre unter Beobachtung
Drei Jahre nachdem Philipp Sch. zum ersten Mal aufgefallen war, kündigt die Bundeswehr nun disziplinarrechtliche Schritte an: Gegen Sch. werde ein Uniformtrageverbot erlassen; er dürfe seine Kaserne nicht mehr betreten, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch im Bundestag. „Niemand, der in radikaler Art und Weise in unseren Streitkräften auffällt, hat in der Bundeswehr Platz“, sagte Kramp-Karrenbauer weiter, „wir gehen jedem Fall mit Härte und Konsequenz nach“. Die Ermittlungen bewertete sie als Erfolg.
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Noch am selben Tag war MAD-Chef Christoph Gramm im Verteidigungsausschuss zu Gast, auch das Parlamentarische Kontrollgremium kam zusammen. Obwohl in allen Presseinformationen betont wurde, dass die Arbeit des Geheimdienstes überhaupt erst zu den Ermittlungen geführt hatte, konnte Gramm kaum Auskunft geben – auch nicht erklären, warum Philipp Sch. drei Jahre lang unter Beobachtung stand und trotzdem Waffen horten konnte.
Unter Parlamentariern ist das Erstaunen über diese spärlichen Informationen groß: „Das Ministerium und der MAD haben jahrelang alle Hinweise eher abgetan“, sagt Tobias Pflüger, Verteidigungspolitiker der Linken. „Ein ‚Erfolg‘ ist das Ganze nicht. Es ist ein Beginn, an die Substanz des Problems zu kommen: Es gibt aktive rechte Netzwerke in der Bundeswehr, die wirklich gefährlich sind.“
Eine der Fragen, die die Ermittler dafür nun klären müssen, ist der Weg des Sturmgewehrs, eine Kriegswaffe, die man so in Deutschland nicht besitzen darf. Während sich viele am KSK-Standort Calw nicht zusammenreimen können, warum Philipp Sch. alias “Schäfchen“ Munition und Sprengstoff hortete, haben sie zu der AK-47 eine Theorie: Er könnte das Sturmgewehr als Andenken aus Afghanistan mitgenommen haben. Das komme schon mal vor, heißt es, dass nach dem Einsatz beschlagnahmte Waffen im Gepäck nach Hause landen, mit zugeschweißtem Rohr, also behelfsmäßig demilitarisiert – oder auch nicht.
Auch in Wermsdorf-Collm versuchen sich die Nachbarn von Philipp Sch. einen Reim auf den Mann zu machen. Obwohl er seit mehr als zehn Jahren dort lebt, wurde er wenig gesehen. Einer berichtet der taz, Philipp Sch. sei ab und zu mit seinem Sohn unterwegs gewesen, in „Kampfmontur“ und mit einem großen Rucksack seien sie zusammen in den Wald gegangen und am nächsten Morgen wiedergekommen. Auch der Sohn, sagt der Nachbar, sei inzwischen bei der Bundeswehr.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes wurde Philipp Sch. als Philipp S. abgekürzt. Es handelt sich um die selbe Person.
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