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Rechter Aufmarsch in Berlin blockiertNicht in unserem Namen

Der rechte „Frauenmarsch zum Kanzleramt“ am Samstag bestand zumeist aus Männern. 1500 Gegendemonstranten stellten sich ihnen erfolgreich entgegen.

Kein Beifall für Bilge: Anti-AfD-Demonstrant*innen auf der Kreuzung Friedrichstraße/Rudi-Dutschke-Straße Foto: dpa

BERLIN taz | Für Checkpoint Curry 207 ist es ein guter Tag: Der kleine Imbiss am Checkpoint Charlie, normalerweise hauptsächlich von Touristen frequentiert, kann sich am Samstagnachmittag über mangelnde Kundschaft nicht beschweren. Mehrere hundert Menschen harren hier am Samstagnachmittag stundenlang aus, um die Friedrichstraße zu blockieren – eimerweise wandern Pommes über die Theke von Checkpoint Curry 207 quasi direkt in die Blockade.

Nicht nur hier am nördlichen Rand der Kreuzung Friedrichstraße/Rudi-Dutschke-Straße steht am Samstagnachmittag eine Menschenblockade, auch nach Westen und Osten hin ist die Kreuzung dicht. Rund 1500 Gegendemonstranten sind unterwegs, sagt die Polizei, das Berliner Bündnis gegen Rechts spricht von 3000 Menschen.

Südlich der Kreuzung stehen die, die eigentlich über die Friedrichstraße laufen wollen: der rechte „Frauenmarsch“ zum Kanzleramt, laut Polizei 500 Teilnehmer groß. Vordergründig richtet sich diese Veranstaltung gegen Gewalt an Frauen – in ihren Reden und auf ihren Transparenten machen die Teilnehmenden keinen Hehl daraus, dass sie sich für diese nur dann interessieren, wenn es sich bei den Tätern um Migranten handelt.

Schon als die Teilnehmer sich um 15 Uhr am Auftaktort am Kreuzberger Mehringplatz versammeln, ist klar: Der Name „Frauenmarsch“ passt nicht so ganz. Ein Großteil der Anwesenden ist männlich, darunter AfD-Abgeordnete aus verschiedenen Bundesländern ebenso wie Brandenburger Neonazis. Als die Demonstration loszieht, werden die Frauen in den vorderen Teil des Zugs gescheucht. Mit dabei ist Anmelderin Leyla Bilge, AfD-Politikerin mit kurdischen Wurzeln und eine Art Vorzeige-Migrantin der rechtspopulistischen Partei.

Pegida-Frontmann Lutz Bachmann marschiert mit

Nicht wenige Teilnehmer machen einen eher skurrilen Eindruck: Ein Mann hat sich eine Art Kutte angezogen und ein Kopftuch umgelegt, auf seinem Schild fordert er die „Schönheit einer selbstbewussten Frau“ dürfe nicht „mit einem hässlichen Tuch verschleiert werden“. Mittendrin die Prominenz der Bewegung: Pegida-Frontmann Lutz Bachmann ist gekommen, auch der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke soll am Rande der Auftaktkundgebung gesichtet worden sein.

Gerade mal 700 Meter weit kommt die rechte Demonstration, dann ist noch vor 16 Uhr Schluss. Die Blockaden stehen, und die Polizei unternimmt zunächst auch keine Anstalten, sie zu räumen. Für die beim „Frauenmarsch“ eingesetzten Kommunikationsteams der Berliner Polizei, die mit 900 Beamten vor Ort ist, beginnt nun eine anstrengende Zeit: Die Stimmung unter den rechten Demonstranten wird zunehmend aggressiver, sie beschimpfen die Polizisten, weil diese in ihren Augen nicht genug tun, um die Route freizubekommen. „Wasserwerfer, Wasserwerfer“, fordert die Menge im Chor. „Mit Eiskugeln müsste man dieses Pack von der Straße schießen“, sagt eine ungefähr 50-jährige Frau hinter dem Fronttransparent und schiebt sich die Brille zurecht.

Von ernsthaften Räumungsversuchen ist nichts zu sehen

Weiter nördlich macht die Polizei inzwischen ihre obligatorischen drei Durchsagen. Zwar lassen es sich Einheiten der Polizei nicht nehmen, sich immer wieder einen Weg quer durch die Blockade zu bahnen und dabei auch kräftig nach allen Seiten auszuteilen, es gibt auch einige Festnahmen – doch von ernsthaften Räumungsversuchen ist hier nichts zu sehen.

Vielleicht will man am touristischen Checkpoint Charlie keine allzu unschönen Bilder produzieren, vielleicht reichen die Kräfte der Polizei auch zahlenmäßig schlicht nicht aus, um den rechten Aufmarsch tatsächlich auf der ganzen langen Route bis zum Kanzleramt gegen die zahlreichen Gegendemonstranten durchzusetzen. Klar ist jedenfalls: Um kurz nach 18 Uhr erklärt die Veranstalterin Leyla Bilge den Aufmarsch per Megafon für aufgelöst. Sie fordert die verbliebenen Teilnehmer auf, sich nun „in kleinen Gruppen“ zum Kanzleramt aufzumachen.

Rund 350 Menschen versammeln sich dort laut Polizeiangaben später am Abend zu einer Abschlusskundgebung. Für die Gegendemonstranten ist es nichtsdestotrotz ein Sieg: Rechte Aufmärsche in Kreuzberg funktionieren auch 2018 nicht.

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32 Kommentare

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  • §21 des Versammlungsgesetzes

    „Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”

    • @Baidarka:

      So what? Hamsejanich.

  • Eine genehmigte Demonstration wird rechtswidrigerweise blockiert - von teilweise rechtswidrig vermummten - Demonstranten und die Polizei unternimmt: NICHTS. Im Umkehrschluss: Hätten rechte Demonstranten sich einer Antifa-Demonstration entgegengestellt, so wären Wasserwerfe aufgefahren und die Polizei hätte die Rechten rigoros abgeräumt.

    Ich habe weder für die einen noch für die anderen irgendwelche Sympathien, aber eigentlich gilt ja "Vor dem Gesetz sind alle gleich" - aber scheinbar immer nur für die eine Seite.

  • Morgen findet übrigens PEGIDA-Hamburg auf dem Gänsemarkt in Hamburg statt ab 19:00 soll es dort losgehen. Vor Ort auch Nazihooligans und die NPD.

    Ich wollte das bloß mal erwähnt haben....

    • @Oskar:

      Kann leider nicht nach Hamburg.Hoffentlch geht es erfolgreich für die Gegendemonstranten aus.

  • Momentan ist wieder die Diskussion unter Politikern entbrannt, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachten soll.

     

    Was soll man da noch besprechen? Es steht im wichtigsten Gesetz des Landes klipp und klar:

     

    "Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht." Verstoße gegen die Grundrechte gab es seitens der AfD mehr als genug. Eine derartige Beobachtung seitens der Sicherheitsbehörden wie dem Verfassungsschutz ist zwingend und dringend erforderlich!

     

    Und man muss auch unterscheiden zwischen:

     

    "demokratisch gewählte Partei"

     

    und

     

    "demokratische Partei."

     

    Die AfD spricht oft von einem möglichen Bürgerkrieg. Das ist schon Grund genug, sie enger unter die Lupe zu nehmen.

  • Sehr oft wird bei Demos von Rechten, Rechtsextremisten, Rechtskonservativen Deutsche Flagge mitgeschleppt und „missbraucht“.

     

    Die eben erwähnten Menschengruppen wissen erst gar nicht, welche Bedeutung für Deutschland die Farben Schwarz-Rot-Gold haben. Aber das war schon immer so. Hitler und andere Nazis verspotteten ja die Farben als "Schwarz-Rot-Senf".

     

    Hier möchte man gern Herrn Peter Tauber zitieren:

     

    „Schwarz-Rot-Gold steht für Freiheit und Hoffnung – nicht für Hass und Angst.“

    • @Stefan Mustermann:

      Die Flagge bedeutet:" Aus finsterer Knechtschaft durch blutigen Kampf zur goldenen Freiheit".

  • Wenn die Rechten in diesem Land etwas aufgeweckter wären, würden sie öffentlich dazu aufrufen, sich gesund und abwechslungsreich zu ernähren. Da würden Herr Ströbele und so mancher andere wahrscheinlich den Konsum von Obst und Gemüse einstellen ...

    • @WoogsRenegat:

      Sie kennen die Gründungsgeschichte der Grünen nicht, sonst wüssten Sie, dass das die Ökofaschisten, die dort offen in der Gründungsphase agierten, immer schon gemacht haben und niemand auf die gehört hat glücklicherweise.

  • Wäre es nichtmal an der Zeit, Mittel und Maßnahmen des "Kampf gegen Rechts" zu evaluieren?

     

    Das ist Blockade Nr. xy, dazu das tausendste Anti-AfD-Blog von diesem Nathan etc.

     

    Ergebnis: AfD ist bei 16%, R2G bei nur noch 39%. Zur Erinnerung: Vor einem Jahr waren es 48%.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Frank Erlangen:

      ...tja, da fragen Sie mal besser Merkel, Seehofer & Co.

  • Ob die Polizei wirklich aus den Fehlern von Hamburg gelernt hat oder ob das friedliche Handeln der Polizei nur Zufall war, würde mich interessieren.

  • Sehr schön, gute Nachricht, danke allen die dabei waren! Freut mich, daß so viele gegen die rechtspopulistische Nebelkerzentaktik auf die Straße gehen!

     

    Alle sexuellen Übergriffe gehören verfolgt, egal von wem sie ausgehen, auch die in der Ehe und in der ach so tollen weißen deutschen Familie!

     

    Love and respect our sisters!

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @kditd:

      "Der ach so tollen weißen deutschen Familie." Das ist doch absoluter Normalzustand in Deutschland.

  • 7G
    7332 (Profil gelöscht)

    Interessant, es gibt eine Demo wegen Gewalt gegen Frauen. Und es gibt eine Gegendemo. Ja was jetzt, die Gegendemo ist also für Gewalt gegen Frauen? Oder eher dagegen, dass irgend eine Gruppe gegen etwas demonstriert, und man denen schnell mal ein Mäntelchen umhängen kann (muss), weil diese Gruppe nicht links ist?

    Es ist also wichtig, dass die "Richtigen" demonstrieren, der Grund ist es nicht? Geht's noch?

    • @7332 (Profil gelöscht):

      "Interessant", aber wohl nicht interessant genug, um den Artikel zu Ende zu lesen. Sonst müssten Sie jetzt keine so überflüssigen Fragen stellen.

    • @7332 (Profil gelöscht):

      Ich denke das man eine Demo gegen Ausländer bei der Versucht wird Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe und Herkunft als Sexualstraftäter zu bezeichnen nichts mit einer Demo gegen Gewalt an Frauen zu tun hat.

      Auf der Demo ging es ausschließlich darum rassistische Inhalte zu verbreiten und zwar durch NPD und co. Das ist ein bisschen mehr als "nicht links"

      Was sollen diese kleingeistigen Nebelkerzen?

    • @7332 (Profil gelöscht):

      Falsch!

       

      Es geht nicht um das "Wer" (obwohl das imo auch ein Kriterium sein sollte), sondern um die Intention. Offenbar haben die Demonstranten der sog. Anti-Gewalt-Demo nicht die Fähigkeit gehabt, ihre Intention so darzustellen, dass sie zweifelsfrei als Anti-Gewalt-Demo erkennbar war.

  • Natürlich war dieser Aufmarsch verlogen und es ist gut, dass gegen diesen Aufmarsch auch demonstriert wurde. Allerdings ist die Gegenposition auch genauso verlogen. Wenn migrierte Männer in einer Weise, wie wir das sonst nicht kannen, Frauen belästigen und misshandeln, dann wird stattdessen auf die deutschen Männer gezeigt. Jedem sein Feindbild und alles was dem eigenen Feindbild nicht entspricht wird ignoriert oder gar schöngeredet. Ähnliches gilt auch für Gewalt in Paarbeziehungen oder gegenüber Kindern. Weibliche Gewalt wird dabei komplett ausgeblendet. Wer sich dagegen ausspricht wird dann gleich in die andere extremistische Gruppe gesteckt, die meinen, dass weibliche Gewalt mindestens genauso groß wäre und daher jedes Klagen über Männergewalt unberechtigt wäre.

    Es geht ja soweit, dass wenn AfD und Grüne oder Linke für die Abschaffung der Sommerzeit wären, die Meinung garantiert noch mal gewechselt wird, damit man ja nicht einer Meinung ist.

    Das zeigt, dass es schon lange nicht mehr um "die Sache" geht. Es geht um Deutungshoheit, das Pflegen von Feindbildern, Macht im öffentlichen Raum und verlogene Selbstgefälligkeit. Das ist der verbleibende gemeinsame Nenner der politischen Strömungen in Deutschland.

    • @Velofisch:

      Sexualisierte Gewalt ist in Ausmass unabhängig von Nationalität. Lesen Sie dazu unter Anderem die Bücher der Rechtsmedizinerin Elisabeth Trube- Becker. Hilfreich ist auch eine Recherche über den Sextourismus deutscher Männer z.B. an der Grenze zur Slovakei. Sexuelle Gewalt durch Frauen wird übrigens seit längerem in der Frauenselbsthilfe bearbeitet und diskutiert.

      • @aujau:

        Wir haben keine Grenze mit der Slovakei...

        • @Sven Günther:

          Danke für den Erdkundeunterricht. Gemeint ist die Grenze zu Tschechien.

        • 6G
          61321 (Profil gelöscht)
          @Sven Günther:

          hatten wir mal - nachdem ein Teil meiner Mischpoke heim ins Reich geholt worden war

    • @Velofisch:

      Sorry, aber das ist Bullshit....

      "nach Köln" haben mitteleuropäische Männer maßgeblich und erleichtert die Debatte bestimmt, weil sie endlich behaupten konnten: die anderen sind die Bösen.

      Für Frauen schlicht unerträglich, weil jegliche Diskussion über die Übergriffigkeit mitteleuropäischer Männer sofort im Keim erstickt wurde. Dabei ist es diese Übergriffigkeit, die die Erfahrungen der Frauen prägt.

      Mit #meetoo berichten Frauen über ihre eigenen Erfahrungen mit ebenjenen mitteleuropäischen Männern und es gelingt diesen immer noch nicht, einfach mal zuzuhören und auch zuzugestehen.

      Nein, es wird weiter relativiert....."migrierte Männer in einer Weise wie wir das sonst nicht kannten"..... Das ist einfach nicht wahr!

      • 9G
        98589 (Profil gelöscht)
        @Life is Life:

        Kommentar entfernt. Bitte verzichten Sie auf pauschale Diffamierungen. Danke, die Moderation

  • Rechte Aufmärsche funktionieren in Kreuzberg nicht. Wir brauchen keine nationalistische Verdummung und Hetzstrategie.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @aujau:

      Und dann nur 1500 Gegendemonstranten? Ich glaube sie kennen Ihr Kreuzberg nicht.

      • @97796 (Profil gelöscht):

        Ergänzend ist hinzuzufügen, dass auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Leute aus anderen Bezirken an der Blockade teilgenommen haben. Dank an diese Personen, die mit dafür gesorgt haben, dass ein rechter Aufmarsch in Kreuzberg nicht funktioniert.

      • @97796 (Profil gelöscht):

        Die Demo wurde erstens kurzfristig angekündigt und die Teilnehmer haben in der Anzahl ausgereicht. Außerdem: Wer kennt schon "seinen/ihren" Bezirk in allen Einzelheiten perfekt?

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Gute Gegendemo. Ziel erreicht. Glücklicherweise ohne die inzwischen üblichen Gewaltaktionen.