piwik no script img

Rechte von Fußballern in der CoronakriseIsolierte Interessen

Die Deutsche Fußball Liga berät, wie der Spielbetrieb weitergeht. Profis, die sich vor Quarantänelagern fürchten, dürfen nicht mitbestimmen.

Von der DFL empfohlener Coronajubel: Leverkusens Paulinho zeigt, wie man sich auf Distanz freut Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Das Wort „Geisterspiel“ klingt unschön. Bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) spricht man daher von „Spielen ohne Stadionbesucher“. Eine solche Wortwahl erleichtert vielleicht das Ziel vieler Proficlubs, die Bundesligasaison in der Coronakrise doch noch zu Ende spielen zu können. Heute hält die DFL ihre Mitgliederversammlung ab. Um eine Woche war das Treffen der Vorstände der 32 Klubs aus erster und zweiter Bundesliga verschoben worden. Es geht nun um die Frage, ob und wie der Spielbetrieb weitergeht – und zwar mit eingehenden Fernsehgeldern, mit Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Sponsoren, mit laufendem Merchandising. Aber „ohne Stadionbesucher“.

Jedoch mit Fußballern. Die allerdings dürfen nicht mitbestimmen, ob sie demnächst in Zweikämpfe gehen müssen. Die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) ist immer noch mehr oder weniger Zaungast, wenn entschieden wird, ob der Spielbetrieb läuft. VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky betont jedoch im Gespräch mit der taz, man sei ohnehin in ständigem Kontakt mit DFB und DFL – „das gilt auch für den Umgang mit der Pandemie“.

Corona ist schon seit Wochen das wichtigste Thema bei der Spielergewerkschaft. „Wir führen gegenwärtig zahlreiche Telefonate und Videokonferenzen mit Spielern durch“, sagt ­Baranowsky. „Auch der VDV-Spielerrat, dem unter anderen Benedikt ­Höwedes und Andreas Luthe angehören, hat per Videokonferenz zur Covid-19-Problematik getagt.“ Was die Spieler fordern, ist eindeutig: „Unsere Prio­ri­sierung ist klar: Gesundheitsschutz steht im Vordergrund. Zudem wünschen sich die Spieler, dass sie möglichst nicht in eine Dauerisolation geschickt werden.“

Diese Dauerisolation dürfte zu den Folgen eines Pro-Geisterspiel-Beschlusses der DFL gehören. Wenn Fußballprofis in diesen Tagen ihren Kontaktsport ausüben, dann heißt dass nicht nur, dass sie mehrmals die Woche getestet werden – etwa in Labors des Schweineindustriellen und Schalke-Bosses Clemens Tönnies – und damit Testkapazitäten binden, die andernorts eher gebraucht würden. Es heißt auch, dass sie wochenlang ihre Trainingslager nicht verlassen dürfen. Die Arbeitsverträge sehen jedoch solche Quarantänelager nicht vor, sagt Baranowsky. Natürlich wollten auch die in der VDV organisierten Profis – es sind überwiegend Spieler der ersten vier Ligen – bald wieder auflaufen, „allerdings immer unter der Voraussetzung, dass dies medizinisch verantwortbar ist“.

Das Schweigen der DFL

Doch die Möglichkeiten für erfolgreiche Interessenvertretung der VDV sind begrenzt. Zu konkreten Szenarios könne man sich derzeit kaum äußern, so Baranowsky, „da alle Planungen unter dem Vorbehalt der behördlichen Zustimmung stehen“. Und bei den Entscheidungen bestimmt die DFL, die aus Spielersicht Vertreter der Arbeitgeberseite ist. Die DFL wiederum teilt mit, sie werde Fragen erst beantworten, wenn die Beschlüsse gefasst wurden. Die taz wollte wissen, ob Profis bei der DFL-Mitgliederversammlung mitentscheiden dürfen oder wenigstens gehört werden.

Die VDV fordert schon lange Betriebsräte und Tarifverträge, wie es sie im englischen, französischen und spanischen Profifußball gibt. Aktuell laufen in Deutschland vier Insol­venz­verfahren – „in Wattenscheid und Erfurt musste sogar der Spielbetrieb eingestellt werden“, sagt Baranowsky. Hier würden solche Instrumente helfen. Wie sehr sich in der Corona­krise das Fehlen von Betriebsräten rächen kann, zeigt sich im Nachbarland Schweiz. Da hat der Erstligist FC Sion im März neun Profis entlassen, weil diese nicht binnen einer sehr kurz angesetzten Frist Kurzarbeit zugestimmt hätten. Die Spieler sagen, dass sie sich erst juristisch beraten lassen mussten und dass sie sehr wohl bereit seien, auf Teile des Gehalts zu verzichten. „Drei Monate ohne Lohn tut den meisten von uns nicht weh“, sagte etwa Ex-HSV-Profi Johan Djourou. „Aber wir haben auch Rechte.“

Dass sich der Fußball unter dem Gesichtspunkt demokratischer Mitbestimmung von Profis und Fans nach der Coronakrise noch schlechter aufstellen könnte als ohnehin schon, befürchten nicht wenige. „Wo weniger Geld ist, da kann auch weniger verteilt werden“, sagt Baranowsky. „Da­rauf sind wir als Spielergewerkschaft vorbereitet.“ Er verweist auf VDV-Angebote, die in der Krise immer wichtiger werden: etwa das Proficamp für vereinslose Spieler, die Rechtsberatung oder sportpsychologische Angebote.

Die Weltspielergewerkschaft Fifpro hat in diesen Tagen eine ­Befragung von 1.134 männlichen und 468 weiblichen Profis in England, Frankreich, der Schweiz und Südafrika vorgelegt: 22 Prozent der Spielerinnen und 13 Prozent der Spieler erkennen bei sich Symptome, die man Depressionen zuordnet. Generelle Angst erwähnen 18 Prozent der Spielerinnen und 16 Prozent der Spieler. Gerade die Sorgen um die Gesundheit sollten, so Fifpro, aber nicht dazu führen, zu schnell zum Spielbetrieb zurückzukehren.

„Wir müssen den Fußball künftig robuster aufstellen“, sagt Ulf Baranowsky. Vielleicht gelingt es ja in der Folge der gegenwärtigen schwierigen Situation, einige der VDV-Forderungen durchzusetzen. „Insofern bietet die Krise auch eine Chance.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die SG Wattenscheid 09 hat ihren Spielbetrieb bereits vor Corona eingestellt. Sie waren mal wieder aus anderen Gründen pleite.

  • Zur Zeit ist es ja besonders angesagt, mit Forderungen um die Ecke zu kommen. Allerdings kann und muss man sich sein Betriebsrat schon selbst wählen, wenn die betriebsverfassungsrechtlichen Grundlagen vorliegen.

    Im Unterschied zu Presseorganen sind Sportvereine diesbezüglich nicht privilegiert.

  • Eigendlich wäre doch jetzt mal die passende Gelegenheit diesen mafiösen Aurigasstall auszumisten.



    Aber die Fußballmafia hat schon zu viele Entscheidungsgremien wie ein Pilz überwuchert.

  • Ich gehe gern zum Fußball und es fehlt mir - sehr - ins Stadion zu gehen, aber ich verzichte gern auf Geisterspiele, damit Testkapazitäten da eingesetzt werden können wo sie notwendig sind. Meinen Verein unterstütze ich anderweitig.



    Wenn Herr Tönnies in seinen Labors freie Kapazitäten inclusive der erforderlichen Materialien und Personal hat, wäre es doch ein feiner Zug, wenn er diese im Interesse der Öffentlichkeit Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern zur Verfügung stellen würde.

  • Empfohlener Torjubel von der DFL? Von wegen: Fußball ist Emotion. Alles Coreo, schöne Bilder, zur Freude der Sponsoren. Die Reihenfolge der Tore bitte auch noch festlegen, damit die Spannung gesteuert werden kann; im Cirkus Maximus! Schon dort hatten die Gladiatoren einen Herren und keine Mitbestimmungsrechte.