Rechte in Rumänien: In Tarnuniform und hoch zu Ross
Anwältin Diana Iovanovici-Șoșoacă von der rechtsradikalen Partei S.O.S. Rumänien könnte ein EU-Mandat erringen. Chancen hat auch die rechtslastige AUR.
Am Ende des auch in sozialen Netzwerken verbreiteten Videos taucht Şoşoacă mit der Sängerin auf. Beide in militärischer Tarnuniform und martialisch hoch zu Ross. Als Chefin der rechtsradikalen, homofeindlichen und euroskeptischen Partei S.O.S. Rumänien richtet sich Şoşoacă dann direkt an ihre Wähler: „Bis hierher! So geht es nicht mehr weiter! Es reicht!“
Die Rechtsanwältin Diana Iovanovici-Șoșoacă sitzt seit 2020 als Senatorin im Oberhaus des rumänischen Parlaments. Das Mandat erhielt sie als Kandidaten der rechtsextremen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR). Wegen ihrer rowdyhaften öffentlichen Auftritte wurde sie 2021 aus der AUR ausgeschlossen. Eine neue politische Heimat fand die militante Impfgegnerin danach in der ultrakonservativen, autoritären und europafeindlichen Partei S.O.S. Rumänien. Kurz darauf wurde sie auch Parteichefin.
Unterstützt wird Şoşoacă von rechtsextremen Internetpublikationen, die insbesondere ihre antisemitischen Skandalauftritte verbreiten und für ihre Wahl als EU-Abgeordnete werben. Eine im Parlament gehaltenen Rede, in der sie Mitte Mai von einer jüdisch-bolschewistischen Diktatur sprach und den Holocaust leugnete, fand großen Anklang in rechtsextremistischen Kreisen, die sich zusehends von der AUR-Partei distanzieren.
Geil auf die Macht
Gegen die AUR wurde der Vorwurf erhoben, sie sei zu israelfreundlich, habe aus Machtgeilheit den rumänischen Patriotismus verraten und wolle sich jetzt den EU-Bürokraten und Globalisten anbiedern.
Beide rechtsradikalen Parteien, sowohl die S.O.S. Rumänien als auch die AUR, haben gute Chancen, Vertreter ins EU-Parlament zu schicken. Alle Umfragen der letzten Monate bestätigen, dass die AUR zur zweitstärksten Partei aufgestiegen ist und mit etwa 20 Prozent gleich hinter dem derzeitigen Regierungsbündnis aus Sozialdemokraten (PSD) und Liberalen (PNL) liegt.
Auch in den Umfragen für die im Herbst stattfindenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen befinden sich die beiden rechtsradikalen Konkurrenzparteien im Aufwind. Für einen Präsidentschaftskandidaten der AUR würden 13,5 Prozent der Wählerschaft stimmen, für Şoşoacă 11,5 Prozent. Die Sozialdemokraten kämen auf 13,5, die Liberalen auf 11,5 Prozent.
Inzwischen nimmt der Wahlkampf an Fahrt auf. Mit populistischen und aggressiv nationalistischen Parolen versucht die AUR-Partei dem Publikum all jene Themen schmackhaft zu machen, die auch im Repertoire anderer ultrarechter europäischer Parteien zu finden sind.
Auf Betteltour
„Rumänien ist ein Land, das bettelnd, mit dem Hut in der Hand, vor den internationalen Konzernen und der EU steht. Die Rumänen können am 9. Juni zwischen Vasallentum und Souveränität wählen“, heißt es in einer Botschaft der AUR-Kandidatin Mara Nicolescu.
Claudiu Târziu, der als einer der Ideologen der AUR gilt, tingelt in diesen Tagen durchs Land mit der Aufforderung, den derzeitigen „selbstmörderischen Kurs Rumäniens zu ändern“ und „den Weg des Lebens und der Entwicklung einzuschlagen“. Gleichzeitig verspricht er, nach den EU-Wahlen zwei von der AUR initiierte Volksbefragungsprojekte voranzutreiben.
Eines davon bezieht sich auf die Verankerung in die Verfassung der sogenannten traditionellen Familie, bestehend aus Mann und Frau. In einem weiteren Referendum soll über „das Recht auf Bargeldzahlung“ abgestimmt werden, das dann ebenfalls in die Verfassung aufgenommen werden soll.
Mit dem letzten Vorschlag folgt die AUR dem Modell der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Zwischen den beiden Parteien hatte es bereits Anfang April so genannte Arbeitskontakte gegeben. Den spröden Pressemitteilungen der AUR war zu entnehmen, dass es dabei auch um die Auslotung der Möglichkeiten zur effizienten Bekämpfung der Migrationsströme und den Schutz der EU-Außengrenzen gegangen sei.
Striktes Abtreibungsverbot
Die programmatischen Wahlkampfreden der AUR und die im Internet verbreiteten Appelle an die Wähler sind von christlich-fundamentalistischen Argumenten geprägt. Diese zielen darauf ab, nicht nur in Rumänien, sondern auch auf europäischer Ebene ein Abtreibungsverbot durchzusetzen.
Einer der AUR-Kandidaten, Mihail Neamţu, ein bekennender Anhänger von Ex-US-Präsident Trump und selbsternannter Kämpfer gegen den „Neomarxismus“, erklärte in einem Interview, er werde nach seinem Einzug ins EU-Parlament als ersten Redebeitrag das orthodoxe Glaubensbekenntnis vortragen. Damit wolle er an die christliche Tradition Europas erinnern, für deren Erhalt er sich als Abgeordneter einsetzen werde.
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