Rechte in Europa: Orbán plant Rechtsaußen-Fraktion
Mit der österreichischen FPÖ und der tschechischen ANO will Ungarns Premier das rechte Lager im EU-Parlament neu aufstellen. Noch fehlen Mitstreiter.
Für die Gründung einer neuen Fraktion gelten jedoch Hürden: Einerseits braucht es mindestens 23 EU-Parlamentarier, auf die Fidesz (10), ANO (7) und FPÖ (6) zusammen zwar exakt kommen. Es braucht aber auch Parteien aus mindestens sieben EU-Ländern. Noch offen ist, welche anderen Parteien sich dem neuen Bündnis anschließen.
Andreas Maurer, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck, rechnet hier nicht mit Problemen: „Es gibt eine große Anzahl fraktionsloser Abgeordneter im Parlament. Für ein neues Wahlbündnis reicht es aus, wenn Mitgliedsparteien auch nur einen einzigen Abgeordneten zählen.“ Schon bald wird es jedenfalls Klarheit geben, denn Anmeldeschluss für neue Dachparteien ist der kommende Mittwoch, bevor sich am 16. Juli das neue Europaparlament konstituiert.
Bei den inhaltlichen Eckpunkten gibt es keine Überraschungen: Die neue reche Allianz will den europäischen Green Deal rückabwickeln. Die Zuwanderung soll eingeschränkt, die EU-Außengrenzen sollen stärker kontrolliert werden. Auch fordert das Bündnis weniger Zuständigkeiten für Brüssel, dafür mehr Effizienz.
Fidesz war zuletzt fraktionslos
Die tschechische ANO gilt als konservativ und wirtschaftsliberal, bisher war sie bei den europäischen Liberalen („Renew Europe“). Orbáns Fidesz kam vor zwei Jahren einem Ausschluss aus der Europäischen Volkspartei durch eigenes Ausscheiden zuvor. Seitdem war die Fidesz im Straßburger Parlament fraktionslos.
Alle drei Parteien stehen Sanktionen gegen Russland kritisch gegenüber und fordern die Ukraine zu Friedensverhandlungen, wohl unter russischem Diktat, auf. Tatsächlich war das Verhältnis zu Russland der größte Streitpunkt der bisherigen EU-Rechtsblöcke. Die EKR-Fraktion, der zuletzt etwa die italienischen Fratelli unter Giorgia Meloni und die polnische PiS angehörten, gilt als russlandkritisch. Die ID-Fraktion hingegen, zu der das Rassemblement National (RN) aus Frankreich, die rechtspopulistische FPÖ und die jüngst ausgeschlossene AfD zählten, als überwiegend Moskau-freundlich.
Paul Schmidt, Generalsekretär der österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, rechnet damit, dass sich auch die AfD der neuen Fraktion anschließen wird. „Sie ist derzeit fraktionslos und sucht nach Verbündeten“, so der Experte. In einer ersten Reaktion am Sonntag zeigte sich ein Sprecher der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel denn gesprächsbereit mit den „Patrioten für Europa“.
Für Marine Le Pens Rassemblement National dürfte das neue Bündnis hingegen zu extrem sein, sagt Schmidt: „Le Pen muss sich als moderat präsentieren, um die kommenden Wahlen zu gewinnen. Beim Thema Remigration etwa kann sie wohl nicht mitgehen.“
„Akt der Verzweiflung“
Unterschiede gibt es bei der Bewertung der neuen Allianz. Schmidt sieht eine weitere „Fragmentierung“ der Rechtsparteien. Wojciech Przybylski vom polnischen Politik-Thinktank Visegrad Insight attestiert hingegen einen reinen PR-Stunt. Ihm zufolge werde die neue Allianz voraussichtlich nur wenig Gewicht haben und als „Habsburger-Klub“ ein eher regionales Phänomen bleiben. „Ihr Ziel ist es, die europäische Gesetzgebung zu unterminieren. An wirklicher Zusammenarbeit sind sie weniger interessiert“, sagt Przybylski. Im Falle Orbáns, der stark geschwächt aus der EU-Wahl ging, handle es sich gar um einen „Akt der Verzweiflung“.
Politologe Maurer hingegen sieht keine Schwächung oder Fragmentierung der europäischen Rechten. „Da gibt es weniger Unterschiede als oftmals angenommen. In vielen wichtigen Fragen ist man sich einig.“ Maurer zufolge könnten sich ID und EKR gar zu einer einzigen Partei zusammenschließen. Das Streitthema Russland sei zwar groß, aber nicht unüberwindbar.
Die Ankündigung am Sonntag erfolgte just am Tag vor Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft, die das Land in der zweiten Jahreshälfte übernimmt. Das ausgegebene Motto: „Make Europe Great Again“ (Macht Europa wieder großartig) – angelehnt an das Wahlkampfmotto des früheren US-Präsidenten Donald Trump.
Experte Schmidt sieht in den Zeitpunkt eine „bewusste Provokation“. Derzeit sei Orbán in Europa ziemlich isoliert, daher werde er im kommenden Halbjahr „gemäßigter auftreten und ein gewisses Maß an Pragmatismus zeigen müssen“. Die restlichen EU-26 würden, so Schmidt, notfalls aber auch ohne Budapest zu Einigungen finden.
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