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Rechte im ÖkolandbauKartoffel, Kürbis, Vaterland?

Die Prinzipien des Ökolandbaus sind anschlussfähig für rechte Ideologien. Anbauverbände diskutierten nun Strategien dagegen.

Biolandwirte sind oft – aber nicht immer – die Guten Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Berlin taz | „Zu Beginn der neuen Anbausaison haben wir uns klar gegen rechte Tendenzen im Ökolandbau positioniert. Bedingung war: Wer Mitglied werden will, muss das lesen. Prompt hatten wir ellenlange Mails im Postfach und auch gleich zwei Austritte.“ Lisa Schönberg* klingt fast erstaunt, als sie davon erzählt. Zwei Austritte, das ist für die Brandenburger Anbaugemeinschaft gar nicht so wenig. Rund 50 Mitglieder hätten sie im Moment, erzählt Schönberg. Normalerweise kennt man sich da untereinander, aber wegen Corona sind auch in den Solidarischen Landwirtschaften die direkten Kontakte ausgedünnt.

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Es sind altbekannte Probleme: Die Prinzipien des Ökolandbaus sind anschlussfähig für rechte Ideologien. Während der Corona-Pandemie sind auch Querdenker für viele Betriebe zum Problem geworden. Neben völkischen Siedlern, Reichsbürgern und der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung ist damit nun auch die aktuellste rechte Strömung im Ökolandbau angekommen.

Auf der Tagung „Kartoffel, Kürbis, Vaterland – Landwirtschaft aus rechter Hand?“ wollten engagierte Land­wir­t*in­nen deshalb in der vergangenen Woche Gegenstrategien entwickeln. Organisiert wurde das Vernetzungstreffen von der Arbeitsgruppe „Rechte Tendenzen“. Der Bedarf nach Austausch ist da, sagen Judith und Franzi von der AG „Rechte Tendenzen“ – mehr als 130 Teilnehmende zählten die beiden Organisatorinnen in den Workshops und Diskussionsrunden.

„Know your enemy“, das sei der wichtigste Schritt, sagt Melanie Herrmann von der Amadeu Antonio Stiftung. Wissen, mit wem man es zu tun hat. Anbauverbände wie Bioland, Naturland, demeter oder auch das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft gehen mittlerweile offener mit rechten Tendenzen in der ökologischen Landwirtschaft um. In ihren Satzungen verpflichten die Dachorganisationen sich zum Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung. Diese klare Abgrenzung ist wichtig, betont auch Joel Campe vom Verein Permakultur. Wenn der Verband Haltung zeige, können betroffene Betriebe sich auf Regeln berufen und notfalls um Unterstützung bitten.

Rauswurf von Mitgliedsbetrieben schwierig

Schwierig wird es, wenn tatsächlich Mitglieder ausgeschlossen werden sollen. Das räumt auch Bioland-Sprecher Gerald Wehde ein. Vor allem im Allgäu hat der Verband immer wieder mit Reichsbürgern zu kämpfen. Zwar gibt es seit 2013 eine neue Satzung, in der der Verband „rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen“ entgegentritt. Damit einen Rauswurf von Mitgliedsbetrieben notfalls vor Gericht durchzusetzen, bleibt aber schwierig. „Da müssen schon die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation oder entsprechende öffentliche Äußerungen nachgewiesen werden“, sagt Wehde.

Weil Ausschlüsse nicht nur nervenaufreibend, sondern juristisch schwierig sind, müssten vor allem Mitglieder geschult werden, wünscht sich auch Joel Campe. Wie erkenne ich Verschwörungsnarrative, die bei den meisten rechten Strömungen zu finden sind? Welche Auswirkungen haben solche Ideologien auf die Betroffenen? Wie können wir uns dagegen wehren? Schließlich sind es die Betriebe und Mitglieder, die im Zweifelsfall als erstes mit braunen Landwirten in Kontakt kommen. „Augen auf bei der Mitgliederwahl“, betont Gerald Wehde.

In Verbänden wie Bioland und Demeter nehmen professionelle Be­ra­te­r*in­nen potentielle Neu-Mitglieder unter die Lupe. Für die größtenteils ehrenamtlich geführten Organisationen wie den Verein Permakultur oder das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft ist so eine intensive Betreuung oft nur schwer zu stemmen.

Völkische oder verschwörungsideologische In­ter­es­sen­t*in­nen fallen so erst spät auf. In den Diskussionsrunden kristallisiert sich deshalb der Wunsch nach einer verbandsübergreifenden Strategie heraus: gemeinsame Schulungen, Rechercheprojekte und eine deutliche Positionierung des gesamten Ökolandbaus. „Das Ziel muss ein, gemeinsam Druck machen“, sagen die Organisatorinnen der Tagung, Judith und Franzi. Und nehmen selbstkritisch einen Auftrag mit: „Die Perspektive der Betroffenen von Rechtsextremismus müssen wir stärker einbeziehen. Der Ökolandbau ist bislang eine ziemlich weiße Blase.“

*Name geändert

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7 Kommentare

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  • Welche "Prinzipien des Ökolandbas" sind den nun "anschlussfähig für rechte Ideologien"?

    Der Verzicht auf Kunstdünger? Die Erhalt bzw. Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit? Der geschlossene Betriebskreislauf? Der biologische Pflanzenschutz?

    Der Artikel arbeitet die raunende Überschrift nicht heraus und bleibt tautologisch in der Erkenntnis hängen, das eine völkisch motivierte Landwirtschaft für Völkische anschlussfähig ist.

  • Die aufgeworfene Debatte erinnert mich and den Radikalenerlass aus den 1970ern. Nur dass eine Art Selbstreinigung - in diesem Falle gegen rechts - postuliert wird.

  • Ich bin froh darüber, dass die erwähnten Organisationen und Gruppen die Gefahr auf dem Schirm haben und sich damit beschäftigen. Die Geschichte des Ökolandbaus hat eben auch völkisch-rechte Wurzeln und solche Figuren werden immer wieder auftauchen.

    Auf der anderen Seite sind aber auch so viele tolle junge Menschen in der Szene unterwegs, die mich zuversichtlich stimmen! Und die Auseinandersetzung müssen sie führen, ich halte nix von einer Auslagerung.

    Den Kampf zwischen den Extremen gab es aber schon vor 40 Jahren. Noch heute zaubert es mir ein Lächeln auf die Lippen wenn ich einen bestimmten Hofkäse in der Käsetheke sehe von dem ich weiss, dass er einen KBW Hintergund hat....

  • Ich halte es für eine Überfrachtung der Idee vom Ökolandbau und befürchte vor allem eine Überforderung der Anbauverbände wenn sie nun neben den Anbaumethoden auch noch die politischen Hintergründe ihrer Mitglieder kontrollieren wollen oder sollen. Sehr verständlich scheint mir dieses Bedürfnis dann, wenn Rechte versuchen, die Verbandsrichtlinien in ihrem Sinne zu verändern; aber dem Kunden nun auch noch "rassismusfreies Gemüse" anbieten zu wollen, halte ich dann doch für eine zu große Aufgabe. Wäre es da nicht besser, dafür eine eigene Organisation zu schaffen?

  • Was bei den Ökobauern für ein unwohlbefinden sorgt und bei den potentiellen Kunden sowieso, ist in der klassischen Landwirtschaft vermutlich Alltag. Da würde mich wirklich Mal das Wahlverhalten interessieren.



    Gefühlt 70% CDU/CSU und 30%AFD...

    Und seien wir doch Mal ehrlich:



    deutsche Landwirtschaft ist gelebte "Blut und Boden" Politik.



    Diversität ist doch hier komplette Fehlanzeige....

    • @HoboSapiens:

      Es geht auf dem Land nicht nur um das bloße Wahlverhalten. Die "Blut und Boden"-Bauern sitzen ja zusätzlich noch im Gemeinderat, Kirchenvorstand und diversen sonstigen Ausschüssen, sind Vorsitzende diverser Vereine, spenden hier und da mal ein paar Euro für Kindergarten oder das Kriegerehrenmal und sorgen über die dadurch aufgebauten Seilschaften dafür, dass kein Flüchtlingsheim ins Dorf kommt, dass der Abtreibungsärztin das Leben schwergemacht wird und dass Bauanträge der eigenen Amigos glatt durchlaufen und die Subventionen fließen. So sieht der Würgegriff des Konservativismus in den ländlichen Regionen aus. Im Zweifelsfalle werden Reichsbürger oder völkische Landkommunen als Konkurrenz zu eigenen Interessen gesehen und entsprechend ausgebremst oder weggekeilt.

      Auswüchse wie ganze Dörfer in Mecklenburg, die von Nazis gekapert werden, sind nur im Vakuum der extrem strukturschwachen Regionen möglich, genau wie umgekehrt diverse identitätspolitisch geprägte Personengruppen nur im räumlichen Umfeld der großen Metropolen Einfluss haben. Selbst in SoLaWis wird es da schon mau, weil man dort echten Kontakt zur Scholle und zu den Menschen, die sie bearbeiten bekommt, also einen echten Kulturschock (zumindest in unserer SoLaWi ist es so). Dann also lieber in der Stadt bleiben und einfach Forderungen aufstellen, dabei aber nicht vergessen, dass auch die Grünen ihre rechtsesoterischen Altlasten mit sich herumtragen...

    • @HoboSapiens:

      Und seien wir doch mal ehrlich:



      Deutsche Landwirtschaft ist die Erzeugung von Lebensmitteln. Nicht mehr und auch nicht weniger. Alles andere ist Ideologie. Schmeckt bestimmt nicht besser und macht auch nicht satt.