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Rechte Polizisten-Gang in FrankfurtRechte statt Demokraten

Die Frankfurter Polizeiaffäre weitet sich aus. Rechtsextreme bei der Polizei sind keine Einzelfälle. Nur: Statistiken dazu werden nicht geführt.

Hier im 1. Polizeirevier Frankfurt haben die fünf suspendierten Verdächtigen gearbeitet Foto: dpa

Berlin taz | Der Appell des Bundespräsidenten kürzlich auf dem Kongress der Deutschen Polizeigewerkschaft war deutlich. „Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, aber ich möchte es doch ganz unmissverständlich sagen: Extremismus in den Reihen der Polizeien darf es nicht geben“, sagte Frank-Walter Steinmeier. „Die Polizei muss einstehen für die Demokratie.“

Zumindest unter Teilen der hessischen Beamten scheint dieser Appell verhallt. Am Dienstag weitete sich die dortige Polizeiaffäre noch aus. Durchsucht wurde nun auch die Direktion Marburg-Biedenkopf. Dort soll zeitweise einer der fünf Frankfurter Polizisten gearbeitet haben, die beschuldigt werden, in einer Chatgruppe rechtsex­treme Botschaften versendet zu haben. Geprüft wird auch ein Zusammenhang zu einem Drohbrief an die NSU-Opferanwältin Seda Basay-Yildiz, sie solle verschwinden oder man werde ihre Tochter „schlachten“. Die Absender nannten sich „NSU 2.0“.

Der Kölner Anwalt Mustafa Kaplan berichtete am Dienstag ebenfalls von einem Drohschreiben an ihn, in dem der Begriff „NSU 2.0“ fällt. Ein Zusammenhang ist hier nicht klar.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigte harte Konsequenzen an, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. „Wir werden das lückenlos aufklären.“ Jedem „noch so geringen“ Verdacht werde nachgegangen. An diesem Mittwoch will Beuth den Innenausschuss des Hessischen Landtags über den Fall informieren. Die Gewerkschaft der Polizei spricht bereits von „skandalösen Taten“, die „nur das kompromisslose Entfernen aus dem Polizeidienst bedeuten“ könnten. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagt, „Polizeibeamte müssen zweifelsfrei auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen.“

Tendenziell ziehe es eher wertkonservative Menschen zur Polizei, die sich einen starken Staat wünschen.

Indes: Auch an anderer Stelle fielen Polizisten zuletzt negativ auf. Zwei sächsische Polizisten trugen sich in eine Dienstliste mit dem Namen des NSU-Mörders „Uwe Böhnhardt“ ein. Zwei Bundespolizisten in Rosenheim zeigten betrunken den Hitlergruß. Und der Verfassungsschutz prüfte zuletzt Dutzende Polizisten unter einem Reichsbürger-Verdacht.

Alles Einzelfälle? Man weiß es nicht. Es werde keine Statistik über rechtsextreme Vorfälle in der Polizei geführt, sagte am Dienstag eine Sprecherin des Bundeskriminalamts. Gleiches hört man aus den Ländern. Erkenntnisse über rechtsextremistische Beamte lägen nicht vor, so das dortige Innenministerium. Da es bisher nur „Einzelfälle“ gab, werde keine Statistik geführt. Als die Linkspartei im Bundestag kürzlich nach rechtsextremen Vorfällen in der Bundespolizei seit 2012 fragte, nannte die Bundesregierung immerhin 17 Fälle. Ob das wirklich alles ist, scheint fraglich.

„Es fehlt eine Problemsicht“, klagt der Polizeiforscher Rafael Behr. Tendenziell ziehe es eher wertkonservative Menschen zur Polizei, die sich einen starken Staat wünschen. Der Sprung zum Rechtsextremismus sei selten, so Behr. „Aber es sind auch mehr als Einzelfälle.“ Deshalb brauche es dazu aktuelle Studien. Die aber gebe es nicht.

Opposition fordert Beschwerdestelle

Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke fordert nun eine solche Studie über rechtsextreme Einstellungen in den Sicherheitsbehörden. Leider würden dort „rechtsextreme Exzesse häufig unter den Teppich gekehrt“. Auch die Grüne Irene Mihalic beklagt „ein Fehlen verlässlicher Analysen“ über Extremismus in der Polizei. Polizeiforscher Behr unterstützt das: Die Polizeikultur sorge dafür, dass sich Kollegen selten anzeigen würden. „Ein Polizeibeauftragter könnte hier Zivilcourage stärken.“

Das BKA verweist zumindest auf stete Sensibilisierungen in der Polizei für das Thema, auch in der Ausbildung. „Demokratisch-rechtsstaatliche Wertehaltung innerhalb der Polizei ist die wichtigste Voraussetzung für polizeiliche Legitimation.“

Der Opposition reicht das nicht. Sie fordert eine unabhängige Beschwerdestelle. Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle verweist auf die Bundespolizei, wo solche Vertrauensstellen bereits existieren, an die sich Polizisten bei Problemen wenden können. „Das Modell ist auszuweiten.“ Die Grüne Mihalic plädiert für einen unabhängigen Polizeibeauftragten: So könnten schon deutlich früher Hinweise auf Vorgänge wie in Frankfurt erfolgen.

Das Bundesinnenministerium hatte hier zuletzt allerdings eine klare Haltung: Für einen Polizeibeauftragten sehe man „derzeit keinen Bedarf“.

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20 Kommentare

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  • "Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagt, „Polizeibeamte müssen zweifelsfrei auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen.“"

    Selten so gelacht. Als spräche sich ein Metzger gegen Schlachtung aus.

    • @Lydia Stanke:

      Der Vergleich hinkt! Metzger schlachten nicht! - Schlachter schlachten...

  • "Tendenziell ziehe es eher wertkonservative Menschen zur Polizei, die sich einen starken Staat wünschen. Der Sprung zum Rechtsextremismus sei selten, so Behr"

    Die Schlussfolgerung erschließt sich mir keineswegs. Weit ist der Weg nicht von weit rechts zu ganz rechts...



    oder CDU zu AFD, werden von Konsevativen und Noch-Rechteren Xenophobie, Patriotismus, eine moralisierende Weltsicht und damit die Grundvoraussetzungen für Nazitum geteilt. Der wesentliche Unterschied besteht wohl darin, dass Konsevative dneken die Welt sei (mehr oder weniger) gerecht und die Verhätlnisse in Ordnung oder sogar wünschesnwert.



    Die Zahn wird einem innerhlab des Poliziedienstes vermutlich schnell gezogen, dementsprechend ist der Weg dann nicht mehr weit

  • Erschreckend, was sich da aktuell in FfM zusammenbraut. Die Serie von Brandanschlägen auf alternative Wohn- und Kulturprojekte im Raum Frankfurt muss nicht direkt damit zu tun haben, lässt aber insgesamt auf ein rechtsextremes Milieu mit grösserem Potential schliessen. Nazis sind ja meist keine Einzeltäter im luftleeren Raum, sondern gehen Stammtische besuchen, sind im Schützenverein, gehen auf Konzerte und in Szenekneipen.

Dazu habe ich eine Presseerklärung eines der betroffenen Projekte gefunden:

_Am Sonntag Abend, den 09.12.2018, wurde um 21:30 ein Brandversuch gegen das Café ExZess gestartet, der von uns frühzeitig gelöscht werden konnte. Wir sehen diesen Anschlag in der Reihe der Brandanschläge der letzten Wochen gegen Häuser des Mietshäusersyndikates und linke, politische Projekte. Wir schließen uns auch der Einschätzung an, dass diese Anschläge gefördert oder sogar bedingt sind, durch eine gesellschaftspolitische Stimmung und einen öffentlichen Diskurs, in dem linke Projekte und alternative Wohnformen stigmatisiert und kriminalisiert werden und damit Lebensentwürfe von Menschen bedroht werden, die solidarische Alternativen zur gesellschaftlichen Entfremdung gemeinsam aushandeln und umsetzen. Diese Entwicklungen sind nicht unbekannt, sondern erinnern zum Beispiel an den aufkommenden Faschismus seit den 1920ern und die rassistischen Brandanschläge in den 1990ern. Die Hemmschwelle dem bestehenden Hass einmal mehr Taten folgen zu lassen, wird dabei unter Inkaufnahme Menschenleben zu gefährden herunter gesetzt. Nicht nur unsere Leben, sondern die aller Menschen, die mit uns in solidarischer Nachbar*innenschaft wohnen.

Wir bedanken uns für die Solidarität, die uns bisher aus allen Richtungen entgegen gekommen ist. Wir sind solidarisch mit allen anderen betroffenen Projekten. In diesem Moment, wo wir diese Zeilen schreiben, gab es während laufendem Betrieb des Montagscafés einen weiteren Brandanschlag auf das ExZess.



    Quelle: anarchie-frankfurt.org

  • Natürlich braucht das Innenministerium keinen Polizeibeauftragten. Die machen ja außer jetzt halt mal bisschen Rechtsextremismus nie was falsch.

  • Die Katze beißt sich nicht selbst in den Schwanz und deshalb sollte es eine externe Stelle geben, die in Fällen von Fehlverhalten im Staatsdienst ermitteln kann. In vielen Ländern ist das bereits Gang und Gäbe, weil klar ist das Ermittler gegen Kollegen die sie seit Jahren kennen und mögen nicht unvoreingenommen arbeiten können.

    [...]



    Kommentar bearbeitet. Bitte bleiben Sie sachlich.

  • 9G
    97684 (Profil gelöscht)

    Ich würde mal behaupten. 50 % der Polizisten sind rechts bis rechtsextrem. Typische Machoallüren inklusive. Und würden in jeder Drecksdiktatur genauso ihren Job machen.



    Der alte Spruch"..... gebt mir eine Uniform" ist zeitlos.

    Ok. Das mag im Ermittlungsdienst der Kriminalpolizei vielleicht noch etwas anders aussehen.

    • @97684 (Profil gelöscht):

      50%CAB

      :-D

      • 9G
        97684 (Profil gelöscht)
        @Lydia Stanke:

        So ungefähr.

    • @97684 (Profil gelöscht):

      Da mal - LKA-Mann - a Party:



      “Klar - & wenn ich den Kollegen sage:



      '…ihr wißt aber schonn - daß ihr da illegal in Grundrechte eingreift'?



      'Wieso - ich bin ja Polizist - ich darf das!'



      (zu gerade zuvor aufgekipptem illegalem Abhören via “Weiße Kugeln“ inne Voreifel/Meckenheim around.;(

      So geht das

      kurz - 'Wasse könne - mache dee aach!'



      Das innerorganisatorische Vertrauen in



      “So what! & 'Arschlecken' ist AberHallo!



      DAS! Problem! Nothing else bzw alles andere folgt daraus. Befeuert durch die bekannten reaktionären VerfassungsGefähder. Die hier in der taz - betriebsblind - immer noch als respektable Konservative - sorry - aber.



      Abgefeiert werden. Blinder ist selten.



      Aber - Normal. Da mähtste so fix - Nix!

      unterm——-“Talent zur Anpassung“



      www.taz.de/!5556272/ -



      Tja - wer sich da wohl anpaßt*?* wa!



      Nich to glöben & rein tonn katolsch warrn! Liggers.

      • @Lowandorder:

        Nix Genaues weiß man nicht. Egal. Eins, zwei: wechselseitiges Schulterklopfen (angenehm). Drei: kalauerndes Geschwätzhäubchen - runde Sache das! Ist halt auch ne blöde Situation - wer aufhört zu klatschen ist fällig. Aber warum immer so furchtbar beflissen? Is doch öde...

  • Das nimmt Nazis und sich nazifizierende Leute in Schutz; wer den rassistischen oder nationalistischen Tendenzen in sich nachgeht ist dafür maßgeblich mitverantwortlich. du beschuldigst direkt eine Personengruppe, die du unter "Migranten" verallgemeinerst, Grund dafür zu sein. Ich finde deinen Kommentar also rassistisch.

  • Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

    • @Wombat:

      Zunächst einmal hat man mit vielen rechten Kollegen zu tun, das färbt ab, es sei denn man ist selber stramm links.



      Rechtsextreme Gesinnung wird zudem oft geduldet.

      Und man hat mit Migranten eben nur sehr einseitig zu tun und wird hier durchaus negativ geprägt. Im Privatleben treffen sich Polizisten sicher seltener mit Flüchtlingen oder Menschen mit Migrationshintergrund.

    • @Wombat:

      "Dabei soll intensiver Kontakt mit Migranten doch einer rechten Gesinnung vorbeugen?"

      Naja es ist ja nunmal so das man als Polizist immer hauptsächlich mit den Menschen zu tun hat, die sich nicht an die Regeln halten. Das ist nicht zu vergleichen mit dem Kontakt zum netten Nachbarn oder Kollegen.

  • Toll ist das, dass das in Hessen passiert, wo auch Grüne mitregieren.

    Nach den Vorfällen in Hamburg beim G20-Gipfel fragt man sich, ob es irgendein Bundesland gibt, in dem die Grünen während ihrer Regierungszeit wenigstens einen Hauch an Aufmerksamkeit den rechtsstaatlichen Zuständen in der Polizei gewidmet haben.

    • @Age Krüger:

      "Toll ist das, dass das in Hessen passiert, wo auch Grüne mitregieren."

      Es kommt ja nicht oft vor das ich die Grünen in Schutz nehme aber ich denke kaum das eine Regierungsbeteiligung die Gesinnung innerhalb einer traditionsreichen Institution nachhaltig ändert oder auch nur ändern kann und zwar schon garnicht innerhalb von einigen Jahren.

      • @Januß:

        In Hamburg gab es immer wieder rotfrüne und schwarzgrüne Senate, in Baden-Württemberg sind die Grünen die stärkste Partei seit Jahren und stellen den MP.



        Wäre es denn gerade dann nicht, wenn man weiß, dass es eben im Beamtentum z.B. die Gepflogenheit gibt, möglichst an alten Verhaltensweisen festzuhalten, die Aufgabe von den Regierenden das mal wenigstens öffentlich zu problematisieren und entsprechend deutlich einen Kurs in der Öffentlichkeit zu fahren, dass man von Beamten auch erwartet, dass sie sich klar hinter den Rechtsstaat stellen.

  • Die Polizei wehrt sich auch mit Händen und Füßen gegen eine Studie. Heinrich Bernhardt, ehemaliger Vizepräsident der Polizei in der Fnp am 12.12.18.

    "Woher wissen Sie das? Es gibt ja keine aktuellen Studien zu Rechtsradikalismus in der Polizei."

    "Eine solche Studie braucht es nicht. Sie kostet nur viel Geld, führt aber nicht weiter. Besser erscheint es mir, anlassbezogen einen breiten, intensiven Diskurs mit den Kolleginnen und Kollegen zu führen, um deren Sorge und Nöte zu erfahren und Stimmungen zu erheben. Das ist die Aufgabe aller Führungsebenen. Etwaige Ressentiments von Beamtinnen und Beamten gegen bestimmte Nichtdeutsche kann ich nicht ausschließen."

    www.fnp.de/frankfu...tml#idAnchComments

    • @Sven Günther:

      Jetzt also "besorgte Polizisten"?!