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Rechte Hetze gegen JournalistinLinker Vortrag trotz rechter Drohungen

Wegen Gewaltdrohungen gegen die Journalistin Veronika Kracher musste eine Veranstaltung mit ihr verlegt werden. Rechter Protest blieb aus.

Kracher hatte getwittert, der Angriff auf Magnitz sei die konsequente Durchführung von #NazisRaus Foto: dpa

München taz | Schon am Eingang des Münchner Kafe Marat hat sich eine Menschentraube gebildet. 30, 40 jüngere Leute wollen am Freitagabend noch rein, doch drinnen im großen Saal ist es schon mehr als voll. Der Grund: Die freie Journalistin Veronika Kracher hält einen Vortrag. Das Thema lautet „Antisemitismus und Männlichkeit bei Burschenschaften“, Veranstalter ist das Münchner „Linke Bündnis gegen Antisemitismus“ (LBGA).

Veronika Kracher ist jene Frau, über die sich in dieser Woche im Internet ein riesiger Shitstorm ergossen hat, hervorgerufen von rechten Gruppen wie der AfD, den Identitären und Rechtsradikalen. Hundertfach erhielt sie übelste Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen.

Kracher hatte am Montag auf Facebook über den Gewaltangriff auf den Bremer AfD-Politiker und Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz geschrieben: „Dass #Magnitz zusammengelatzt wurde ist übrigens die konsequente Durchführung von #NazisRaus. Abhauen werden die nicht. Die werden sich bei der größten möglichen Bedrohungssituation aber zweimal überlegen ob sie offen faschistische Politik machen. Deshalb: mit ALLEN Mitteln.“

Unter anderem der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen und der österreichische Identitären-Aktivist Martin Sellner griffen diese Äußerung per Facebook auf. Sellner hat auf Twitter 30.000 Follower. Nachdem er getwittert hatte, sei Krachers Profil innerhalb weniger Minuten, so schreibt sie, „mit Kommentaren von Faschisten, Identitären, AfD-Fans und Wutbürgern überflutet gewesen“.

Konzentriert auf den Vortrag

Außerdem verwies Meuthen auf die Kracher-Veranstaltung in München, die ursprünglich im DGB-Haus hätte stattfinden sollen. Er schrieb: „Vielleicht finden sich ja einige von Ihnen, liebe Leser, die an dieser Veranstaltung teilnehmen wollen und jene Dame mal darauf ansprechen wollen“, welches „Männnlichkeitsverständnis“ Linksextremisten hätten, „die einen Bundestagsabgeordneten heimtückisch überfallen und zusammenprügeln“.

Auf dem Podium im Kafe Marat sagt Veronika Kracher: „Ich werde hier nicht zur Gewalt aufrufen.“ Sie hält ihren Vortrag, spricht über den Ursprung deutscher Burschenschaften im Jahr 1815, über den „deutschen Mann“ und „eine auf Blut und Boden begründete Idee von Deutschland“. Sie ist, natürlich, schockiert über die Vorfälle der vergangenen Tage, doch sie konzentriert sich auf ihr Thema. Kracher ist eine Journalistin, die für Konkret und Jungle World schreibt und auch einige Beiträge in der taz veröffentlicht hat.

Bis zuletzt war offen, ob diese Veranstaltung in München stattfindet. Laut zwei LGBA-Organisatoren, die ihre Namen nicht nennen wollen, habe der DGB das Bündnis ausgeladen. Die Gewerkschaft hätte dies einerseits damit begründet, dass aufgrund der rechten Drohungen die Sicherheit in ihrem Haus nicht gewährleistet werden könne, und andererseits mit den Gewalt-Äußerungen der Referentin.

Auf eine taz-Anfrage antwortet der DGB-Bayern: “Ausschlaggebend waren ausschließlich sicherheitsrechtliche Bedenken aufgrund des gesteigerten Interesses an der Veranstaltung und der Drohungen gegen Frau Kracher. In der Kürze der Zeit war es nicht möglich, genügend Sicherheitspersonal zu engagieren, das die Sicherheit im Gewerkschaftshaus München mit seiner Vielzahl an offenen Eingängen zu gewährleisten vermag.“

Keine Lichterketten gegen Rechte

Kurzfristig stellte das Kafe Marat, ein linkes Zentrum, seinen großen Raum zur Verfügung. Der neue Ort wurde nicht veröffentlicht, die Veranstaltung als privat deklariert. Die Münchner AfD-Jugend bekam dennoch Wind davon und postete den Ort am Freitag auf ihren Social-Media-Kanälen. Die reale Welt zeigt sich in diesem Fall aber gänzlich anders als die virtuelle. Der rechte Protest ist komplett ausgefallen. Beim DGB-Haus war am Abend niemand. Am Kafe Marat wurden kurz zwei Burschenschaftler gesichtet. Ein weiterer habe am Einlass gefragt, so ein LBGA-Mitarbeiter, ob er den Vortrag anhören dürfe. Er wurde aber abgewiesen.

Die Frage der Gewalt bleibt an dem Abend im Marat virulent. In der anschließenden Diskussion wird Veronika Kracher gefragt, wie groß die rechte Gefahr sei – „schließlich müssen wir uns hier im Geheimen treffen“? Sehr groß sei sie, meint Kracher, und schlussfolgert dann: „Antifaschistische Gewalt ist notwendig. Rechte werden nicht mit Lichterketten zurückgedrängt.“

Neben der Tatsache, dass der Vortrag überhaupt stattgefunden hat, verbucht das LBGA noch einen Erfolg für sich: Geschätzte 150 Besucher und Besucherinnen waren da, einige weitere mussten aus Platzgründen abgewiesen werden. Die digitalen Geschehnisse haben die Menschen angezogen. Der ursprünglich gebuchte Jugendraum im DGB-Haus wäre viel zu klein gewesen. „Normalerweise kommen 25 bis 50 Leute zu unseren Veranstaltungen“, sagt die Sprecherin.

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8 Kommentare

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  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    "Deutscher Herbst 2018/19" ...?

    Manche haben sich damals für Rückzug, andere für den Marsch durch die Institutionen; und wieder andere für Terror entschieden.

    Interessant für mich als sog. Alten, Westberliner 68er, wie sich heute die jungen Zauberleerlinge mit der alten, neuen Gewaltfrage beschäftigen;

    gegen Sachen, gegen Personen, egal ...

    Der wesentliche Unterschied aus meiner historisch grundierten Sicht ist derjenige, dass es damals gegen das System, das sog. Schweinesystem ging.

    Heute dagegen ist die sogenannte neue Linke systemisch vollkommen eingemeindet, findet "legitime" Gewalt -so wie ich die hier in Rede stehenden Autorin verstehe- eben nicht mehr gegen das System und seine exekutiven Organe statt;

    sondern gegen Popanze, die weder im Bund, noch in einem Bundesland exekutive Gewalt ausüben;

    wurde der neuen Linken um Kracher & Co. eben mal das Feindbild getauscht.

  • Nazis auf die Couch wäre vielleicht ein besserer Slogan.



    Aber wem angesichts des aktuellen Faschismus in Deutschland, wo selbst die beschaulichen Parteien der Mitte wie SPD und CDU bedroht sind, spontan keine Gewaltphantasien kommen gegenüber rechten Dumpfbacken und Hetzern, die Flüchtlingsheime niedergebrannt haben, der hat keine Gefühle. Eine Distanz zu starken Gefühlen ist notwendig, um frei zu sein, aber haben sollten man sie schon dürfen.

    Wir Deutschen dürfen hundert Jahre nach der einzigen halbwegs gelungenen Revolution in Deutschland, die das Kaiserreich friedlich gestürzt hat, ruhig darüber nachdenken, warum der Nazifaschismus nur von außen besiegt wurde und den schlimmsten Nazis in der BRD jahrzehntelang kein Haar gekrümmt wurde.



    Noch in Tausend Jahren wird über die maschinelle Vernichtung von Menschen durch Deutsche gesprochen werden. Das ist und bleibt Anlass, wach zu sein, auch, da gebe ich anderen hier im Forum Recht, gegenüber dem eigenen Schatten, dem eigenen Potential zum Bösen.

    Deutschen wurde lange die Unfähigkeit zu Sensibilität und Empathie nachgesagt. Deshalb ist es so wichtig, Gefühle zu zulassen. Ein Grund, warum ich z.B. die Heute-Show als therapeutisch erlebe, denn sie versucht es nicht ganz so auf der intellektuellen Schiene alleine zu belassen.

  • Kommentar gekürzt wegen pauschalen Unterstellungen. Die Moderation

    • @genova:

      Ach. Gab's jetzt doch ein Kantholz? Und diesmal von vorne?

    • @genova:

      "Die Nazis freuen sich über eine wie Kracher"

      Sicher, deshalb schreiben ihr auch alle Liebesbriefe.



      Meine gewagte Gegenthese: Nazis freuen sich über Menschen wie Sie viel mehr als über Menschen wie Frau Kracher.



      Warum? Die einen werden ihnen gefährlich, die anderen sagen nachher nur: 'Was hätte ich denn tun sollen?!'

    • 9G
      97627 (Profil gelöscht)
      @genova:

      Kommentar entfernt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Danke, die Moderation

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @97627 (Profil gelöscht):

        Ich glaube so romantisch sollte man sich Antifaschismus nicht vorstellen.

        Wenn Sie denken, dass man möglichst nett zu Faschisten sein sollte, damit sie nicht davon profitieren, wenn man nicht nett zu ihnen ist, dann sollten Sie mal lesen, was der Tagespiegel, nicht gerade ein antifaschistisches Kampfblatt, schreibt:

        www.tagesspiegel.d...ntifa/9382378.html

        Und ihre küchenpsychologischen Anmerkungen, naja, können Sie sich eigentlich sparen.

        Diese Leute riskieren viel und das tun sie sicher nicht zum Spaß. Was machen Sie denn so gegen Nazis?

    • @genova:

      Man sollte dem rechtsextremen Opfermythos keinen Zucker geben, da haben Sie schon recht. Nach mehreren Jahren, die man die AfD beim Kopieren der NSDAP beobachten konnte, kann man aber schon davon ausgehen, dass wer informiert Nazis wählt wohl selbst ein Nazi sein dürfte.