Rechte Gewalt in Ostdeutschland: Ein Kämpferherz
Linken-Politikerin Karen Larisch erhält Morddrohungen und wird von Rechten gestalkt. Sie hätte allen Grund, Güstrow zu verlassen. Doch sie bleibt.
Auf der Straße tritt jemand an sie heran, legt den Arm um sie; eine männliche Stimme sagt in ihr Ohr: „Geh mal lieber in deine Villa und pass auf, dass da nichts passiert.“ Sie erschrickt, sagt zu ihrer Begleitung: Pass auf die Kinder auf. Sie läuft zur Villa, dort wird sie eingenebelt. In dem Moment, in dem sie die Klinke drückt, gibt es eine Explosion. Die Tür fliegt aus den Angeln, Glas zerbricht über Karen Larischs Kopf. Ihre Haare sind versengt, die Jacke ist am Rücken aufgeschlitzt.
Die Polizisten, die schließlich kommen, wollen gar nicht so recht aus dem Auto steigen. Sie nehmen eine Sachbeschädigung auf und eine fahrlässige Körperverletzung. Die Körperverletzung verschwindet später aus den Akten, der Vorfall wird unter „Silvesterknallerei“ abgelegt. Das Verfahren läuft offiziell noch; aber so wie Karen Larisch die Sicherheitsbehörden kennt, wird es wieder eingestellt werden.
Karen Larisch hat es sich zur Gewohnheit gemacht, die Reste der Pyrotechnik aufzuheben, mit der bei ihr öfter Tür und Briefkasten gesprengt werden. Die Polizei hat sich dafür nie interessiert, sagt sie. Auch die Rauchbombe, die sie vor der Villa findet, will die Polizei nicht mitnehmen. Also packt Larisch sie ein und fotografiert sie später selbst. Es ist eine „Granat dymny RGD“ aus Polen.
„Versuchter Mord“
Das war versuchter Mord, sagt Karen Larisch. Sie ist Landtagsabgeordnete der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern und engagiert sich seit Jahren gegen die rechte Szene, die in ihrer Heimatstadt Güstrow besonders stark ist. In der Region haben sich viele völkische Siedler niedergelassen, und auch die NPD ist präsent, im Kreistag hat sie zwei Vertreter. Etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Neonazis sind in der Region nach Schätzungen gewaltbereit; die Unterstützerszene ist allerdings viel größer. Und es ziehen immer mehr Rechtsextreme nach Güstrow.
Vor etwa zehn Jahren haben die Rechten damit begonnen, Karen Larisch das Leben schwer zu machen. 2008 flog ein Pflasterstein durch ihr Fenster und verfehlte ihren Mann nur knapp. Seitdem gibt es Zeiten, in denen es besonders schlimm ist, und solche, in denen es ein bisschen ruhiger ist. Ein Grundrauschen von Beschimpfungen und Drohungen ist aber immer da.
Viele engagierte Menschen erleben das. Bei den meisten hat es irgendwann zur Folge, dass sie leiser werden oder verstummen. Es ist das, was die Rechten erreichen wollen – die Engagierten sollen den öffentlichen Raum zurückgeben. Bei Karen Larisch ist diese Rechnung nicht aufgegangen. Sie ist laut geblieben; manchmal ist sie fast schrill. Sie führt Demonstrationen an und führt ihre kleinen Kriege in den sozialen Netzwerken.
Um zu verstehen, wie sie das schafft, muss man verstehen, was sie erleidet. Die taz hat seit Oktober 2014 23 Vorfälle gezählt: Bedrohungen, Beleidigungen, Körperverletzungen, gesprengte Briefkästen, Schmierereien, ein Einbruch, ein Hausfriedensbruch, zwei Buttersäureanschläge. Die Morddrohungen, die Karen Larisch rund um einen Termin erhält, zum Beispiel zur Reichspogromnacht, wurden dabei zu einem Ereignis zusammengefasst. Die meisten der 23 Vorfälle wurden zur Anzeige gebracht. Bei den meisten Anzeigen wurde das Verfahren inzwischen eingestellt.
Ein Beispiel? Am 21. April 2018 wird ein Buttersäureanschlag auf das Wohnhaus von Karen Larisch verübt. Meistens finden diese Angriffe im Umfeld von symbolischen Tagen statt, diesmal ist es Hitlers Geburtstag am 20. April. Karen Larisch erhielt zuvor Morddrohungen. Sie nannte der Polizei die Namen.
Zwei Monate später bekommt Larisch Post von der Staatsanwaltschaft. Von weiterer Strafverfolgung werde abgesehen, schreibt die Behörde, „weil konkrete Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat nicht vorliegen“. Weiter: „Durch das Verschütten einer eher geringen Menge übelriechender Flüssigkeit ist es nicht zu einer Substanzschädigung einer fremden Sache gekommen. Wer dafür verantwortlich war, ist überdies mangels konkreter Ermittlungsansätze und Spuren nicht festzustellen.“
Ein unwilliger Ton
Die taz konnte die Einstellungsbescheide der Staatsanwaltschaft Rostock einsehen. Durch die Begründungen zieht sich ein unwilliger Ton; etwa wenn die Staatsanwaltschaft davon absieht, öffentlich Klage zu erheben, als Karen Larisch als Kommunalpolitikerin zum Suizid aufgefordert wird. „Im vorliegenden Fall hat die Rechtsverletzung noch kein solches Ausmaß erreicht, dass die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit wäre“, heißt es dann im Einstellungsbescheid. „Das Privatklageverfahren ist geeignet, Ihnen Genugtuung zu verschaffen.“ Über zwei Jahre wartete Karen Larisch auf diese Antwort. Oft hört sie nie wieder etwas über die Delikte, die sie angezeigt hat.
Harald Nowack, Pressesprecher der Staatsanwalt Rostock, sagt, es sei natürlich tragisch, wenn jemand immer wieder angegriffen werde. „Aber die Strafverfolgung dient dazu, einen Täter zu ermitteln.“ Und oft könne man diesen eben nicht feststellen. Dann werde das Verfahren eingestellt. Dazu kommt: Vieles, was für Betroffene ärgerlich sei, stellt keine Straftat da – so zum Beispiel der Buttersäureanschlag, bei dem das Haus von Karen Larisch nicht beschädigt wurde. Nowack kann bei den Einstellungen keine Auffälligkeiten erkennen. „Das ist ein ganz normales Vorgehen.“
Karen Larisch fühlt sich von den Sicherheitsbehörden im Stich gelassen. Die Frage, wie es möglich ist, dass eine Politikerin seit zehn Jahren drangsaliert wird, ohne dass ein Täter ermittelt wird, bleibt ungeklärt. Die Bitte um ein Gespräch wird von der Polizeidirektion Rostock, von der Polizei Güstrow und vom Justizministerium in Schwerin abgelehnt.
Der Bürgermeister schweigt
Und auch andere Menschen in Güstrow, die Auskunft zu Karen Larisch geben könnten, wollen sich nicht öffentlich äußern. Nicht einmal der Bürgermeister, der jahrelang mit ihr als Kommunalpolitikerin zusammengearbeitet hat. Er lässt ausrichten, dass er Karen Larisch zu wenig kenne. Fragt man ihn, wie das sein kann, antwortet er nicht mehr.
Daniel Trepsdorf, der das Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg leitet und auch im Landesvorstand der Linkspartei ist, sagt, er beobachte schon länger, dass engagierte Menschen, die in den neunziger Jahren als Vorbild galten, inzwischen eher als Nestbeschmutzer wahrgenommen werden. Weil Mecklenburg-Vorpommern die Neonazis nicht in den Griff bekommt, ist es bequemer, das Problem totzuschweigen.
„Karen Larisch macht sich unbeliebt, weil sie den Finger in die Wunde legt“, sagt er. Und auch weil sie für ordentlich Arbeit bei den Sicherheitsbehörden sorgt. Die Zahl der Polizisten wurde stark reduziert. Und dort will man natürlich auch nicht von einem Einsatz zum nächsten jagen. „Das führt allerdings zu einem Unverwundbarkeitsgefühl innerhalb der rechten Szene.“ Man kann nur hoffen, dass Menschen wie Larisch ihren Esprit nicht verlieren, sagt er dann noch. „Es zieht wahnsinnig viel Energie, das Private öffentlich zu machen.“
„Würden alle zusammenstehen, würde weniger passieren“
„Dass man als Nestbeschmutzer gesehen wird, ist schlimmer als all die Angriffe“, sagt Karen Larisch. „Würden alle zusammenstehen, dann würde viel weniger passieren.“ Sie hat zu einem Gespräch über ihre Situation in den Landtag im Schweriner Schloss eingeladen. In einem Turmzimmer mit Blick über den Schweriner See spricht sie dann zwei Stunden lang fast ohne Pause. Zwischendurch lacht sie immer wieder heiser.
Ihre Wahlkreismitarbeiter bekommen Probleme, wenn sie einen Raum für eine Veranstaltung mieten wollen, sagt sie. Die Leute sagen: Wenn Frau Larisch kommt, kommen auch die Nazis. „Das ist eine berechtigte Angst“, meint Karen Larisch. „Aber es hat auch damit zu tun, dass jahrelang hingenommen wurde, dass das so ist. Und dann die Hilflosigkeit der Polizei.“
Die Beamten haben ihr schon öfter gesagt, dass sie ab 17 Uhr zu Hause sein muss, weil es abends zu gefährlich für sie ist auf der Straße. „Ich weiß schon, dass die Polizei mir das raten muss“, sagt sie. „Der einzige Schutz, den es momentan für mich gibt, ist: Ich bleib drin. Aber vielen ist nicht bewusst, dass die Nazis gewonnen haben, wenn ich das mache.“
Die Angst um ihre Tochter
Karen Larisch hat sich über die Jahre mit dem Gefühl der Unsicherheit arrangiert. Aber jeder Mensch hat eine Schwachstelle, bei Larisch ist es ihre Tochter. Die Nazis wissen das. Auf einem Stadtfest vor drei Jahren stellen sie sich zu fünft um Karen Larisch und fragen: „Und, ist das da hinten deine kleine 15-jährige Jungfrau? Wollen wir mal schauen, wie lange sie noch Jungfrau ist?“ Larisch erzählt später, sie habe sich so erschreckt, dass sie das Fest verlassen hat. Sie will sich in die Villa Kunterbündnis zurückziehen, um sich zu beruhigen. Aber sie stolpert und fällt die Treppe hinunter. Schließlich wird sie vom Notarzt abgeholt.
Bei Karen Larisch ist schon lange nichts mehr privat, alles, was sie tut, wird von den Nazis genau registriert. Sie wird auf der Straße verfolgt und fotografiert, die Fotos werden dann im Internet veröffentlicht. Die rechte Internetseite „Der Staatsstreich“, die häufig gegen Larisch hetzt, postet kurz nach dem Vorfall Bilder des Rettungswagens und titelt: „Karen Larisch – missglückter Selbstmord, alles gegen rechts“. Das rechte Portal „Bützow wehrt sich“ schreibt auf Facebook: „Erst die Gangbang-Partys mit Fachkräften, dann die frei erfundenen Übergriffe auf ihre Person, Sufforgien inklusive leider fehlgeschlagenem Suizidversuch. Wir unterstützen die Kampagne ‚Selbstmord gegen Rechts‘ zu 100 Prozent.“
„So etwas machen sie dann daraus“, sagt Karen Larisch. „Es ist nicht lustig. Man muss sich immer erklären.“
„Manchmal hat Mutti Tiefpunkte“
Und ihre Tochter? Wie geht sie damit um? Johanna Larisch ist 18 Jahre alt und macht gerade eine Ausbildung zur Tierpflegerin. Sie trägt ihre braunen Haare lang und sieht ihrer Mutter sehr ähnlich. Aber sie ist viel ruhiger. Sie kennt die Güstrower Nazis, denn sie wird von ihnen bedrängt, seit sie ein Kind ist. „Die Nazis haben mich verfolgt, wenn ich nach der Schule zur Arbeit meiner Mutter gelaufen bin.“ Da war sie acht. „Sie haben das getan, um meiner Mutter Angst einzujagen. Manchmal hat Mutti Tiefpunkte.“ Sie macht eine kurze Pause. „Bewundernswert ist aber, dass sie immer wieder hochkommt. Dass sie standhaft bleibt und nicht weggeht.“
Johanna Larisch wollte oft weg, einmal zog sie für sechs Wochen zur Oma nach Niedersachsen. Das war nach dem Vorfall beim Stadtfest. Damals hat sie sich große Sorgen um ihre Mutter gemacht. Man merkt an der Sprache von Johanna Larisch, dass sie keine unbeschwerte Kindheit hatte. Sie spricht von „erhöhtem Polizeiverkehr“ in ihrer Straße, von Polizisten, die sie „unbefugt“ aus dem Klassenzimmer holten, nachdem die Nazis vor drei Jahren in ihren Hausflur eingedrungen waren. Und sie sagt auch: „Wir brauchen gar nicht mehr zur Polizei zu gehen. Wir haben festgestellt, das bringt nichts. Steht da der Name Larisch, wird eingestellt.“
Sie erzählt davon, dass sie kein Privatleben hat, weil sie ständig auf den Fotos der Nazis auftaucht. Dass sie kaum noch irgendwo allein hingeht. Von den Geldsorgen, weil immer wieder die Tür oder der Briefkasten beschädigt wird und die Familie die Reparaturen meistens selbst bezahlt. „Das war hart, als Papa allein verdient hat.“ Alles, was ihre Mutter tut und sagt, fällt auf sie und ihren Vater zurück, sagt Johanna Larisch. Sie sagt es ohne Vorwurf, es ist eine Feststellung. Sie fragt sich manchmal, ob es nicht besser wäre, wenn sie ruhiger wäre. Trotzdem ist sie froh, eine solche Mutter zu haben. Sie würde gerne in ihre Fußstapfen treten. „Sie hat ein Kämpferherz.“
Die Nationalen Sozialisten kommen in die Stadt
Es ist einer dieser heißen Sommertage, als die Nationalen Sozialisten Rostock eine Kundgebung in Güstrow abhalten. Karen Larisch weiß davon schon seit ein paar Tagen. Auch sie hat ihre Quellen. Am Vorabend ist sie mit ihrem Mann und Freunden lange durch Kneipen gezogen, erst um vier Uhr morgens lag sie im Bett. Trotzdem steht sie wenig später gut gelaunt vor der Villa Kunterbündnis und baut einen Infotisch auf. Freunde sind gekommen, ihr Bruder, ihre Schwägerin, und Männer mit Sonnenbrillen vom Verein Lobbi, der Betroffene rechter Gewalt berät. Sie filmen die Kundgebung.
„Wir sind hier, um sie aufzuklären“, sagt Adrian Wasner von der NPD ins Mikrofon. „Sprechen Sie mit uns, haben Sie Spaß.“ Dann spielen sie ein Lied der Rechtsrockband „Hassgesang“. „Es ist Zeit, den dritten Weg zu wählen“, singen sie. Dann Reden. „… nicht so wie Karen Larisch, die die Massenzuwanderung unterstützt“, sagt ein Mann ins Mikrofon. „Was hat der gesagt?“, fragt Larisch. „Das geht doch nicht. Keine Verächtlichmachung meiner Person. So steht es in den Auflagen.“ Sie geht zu einem der Polizisten. Der nickt. Er will es ans Ordnungsamt weiterleiten.
Unterdessen leert ein Postbote den Briefkasten neben der Villa Kunterbündnis. Einer von Lobbi fotografiert ihn dabei. Der Mann ist von Veranstaltungen der rechten Kameradschaft Güstrow bekannt. „Das ist ja interessant“, sagt Larisch. „Jetzt verstehe ich auch, warum meine Post verschwindet.“
Briefe verschwinden
Es passiert immer wieder, dass Briefe nicht ankommen. Sie hat schon lange den Verdacht, dass die Rechten ihre Post abfangen. „Das würde auch erklären, wie die Nazis an meine Betriebsnummer gekommen sind“, sagt Larisch. Über diese Nummer wurden etliche Menschen bei der Krankenkasse angemeldet, die gar nicht bei der Villa Kunterbündnis arbeiten.
Als die Rechten die Kundgebung später verlassen, wählen sie den Weg am Infostand vorbei. „Auf Wiedersehen“, sagt einer der Neonazis. Ein anderer trägt seine Utensilien in einer Postkiste. „An so eine Kiste kommt man auch nicht so leicht ran“, sagt Larisch.
Später sitzt sie bei einem Nachbarschaftsfest und genießt ein Stück Torte. „Es geht darum, mich mürbe zu machen“, sagt Larisch. „In Regimen nennt man das Zersetzung.“ Ihr wurden Pizzas geliefert, die sie nie bestellt hatte, Schuhe, ein Schwulenmagazin. Einmal eine ganze Küche. Vieles konnte sie stornieren, manches nicht, einiges musste sie bezahlen.
Karen Larisch hat sich angewöhnt, solche Sachen sportlich zu sehen. Schlimm wird es, wenn ihr Leute in den Rücken fallen, die sie auf ihrer Seite wähnt. So wie Innenminister Lorenz Caffier von der CDU. Der Verfassungsschutzbericht für Mecklenburg-Vorpommern wird am 31. Juli 2018 vorgestellt. Als ein Journalist fragt, warum darin nur Angriffe auf AfD-Politiker oder -Büros genannt werden, sagt Caffier, Angriffe auf linke Politiker gab es nur selten oder sie seien nicht so schlimm gewesen. Als Karen Larisch in einer Pressemitteilung darauf hinweist, dass sie selbst fast täglich betroffen ist, bezeichnet Caffier ihre Beschwerde gegenüber der Ostseezeitung als „Begleitmusik“ und „Falschbehauptung“.
Karen Larisch
„Nach Durchsicht der polizeilichen Statistik der politisch motivierten Kriminalität für das Berichtsjahr 2017 sind dort keine entsprechenden Straftaten zum Nachteil von Frau Larisch enthalten“, schreibt die Pressestelle des Innenministeriums. Die gesprengte Tür, zu der jemand Karen Larisch in der Silvesternacht gelotst hatte, zählt bei der Polizei als Sachbeschädigung. Der Angriff auf ihr Parteibüro wurde als extremistische Straftat eingestuft, aber nicht ihrer Person zugeordnet. Und die Beschimpfungen, die ihre Tochter online angezeigt hat, wurden offenbar nirgendwo erfasst.
Es sind dunkle Tage für Karen Larisch. Sie fürchtet um ihre Glaubwürdigkeit. Ruft man sie an, spricht sie ohne Punkt und Komma, vertauscht Zahlen und Daten. Am 8. August postet sie auf Facebook: „Jeder Mensch, der schonmal Opfer von Gewalt wurde, weiß, was für ein scheiß Gefühl das ist. All die Träume, dieses ständige Umdrehen auf der Straße, die irrationale Angst. Man misstraut Menschen, die es vielleicht sogar gut meinen. Manchmal glaubt man, verrückt zu werden.“
Zum ersten Mal ruft die Kripo an
Aber ihre laute Beschwerde hat zumindest teilweise Erfolg. Die Polizei kontaktiert sie. Es folgen Gespräche mit der Polizeipräsidentin und dem Landeskriminalamt. Als wenig später antisemitische Aufkleber an ihrem Haus auftauchen und ihr Briefkasten voller Kunstblut ist, ruft die Kripo an. Es ist das erste Mal, dass das passiert, schreibt Larisch begeistert in einer SMS.
Es dauert nur wenige Tage, dann ist sie wieder voller Elan. Vermutlich geht es nicht anders: Sie will den Rechten den Triumph nicht gönnen. Am Telefon lacht sie wieder ihr heiseres Lachen. Sie arbeitet daran, mit der linken Bundestagsabgeordneten Heidrun Bluhm eine Begegnungsstätte in Güstrow zu eröffnen. Im Erdgeschoss, mit großen Glasscheiben. Muss das sein, fragen viele, im Erdgeschoss? Larisch findet: Ja, das muss sein.
Die Begegnungsstätte heißt „Der rote Salon“. Am 5. Oktober wird sie eröffnet. Karen Larisch feiert mit ihren Unterstützern bis in die Nacht. Es kommen Gäste aus dem ganzen Land. Nachts, um Viertel vor eins, schreibt sie bei Facebook: „Es gibt Tage, die machen glücklich. Die paar Nazis, die uns stören wollten im Dunkel des Abends waren ein bisschen feige. Ein blauweißer Partybus und weg waren sie. Was für Nulpen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge