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Rechte Gewalt in Bautzen„Ein bisschen wie Heilige“

In Bautzen hat sich nach den Krawallen gegen Flüchtlinge ein Runder Tisch gegründet. Erstes Ergebnis: Der Kontrollbereich bleibt eine weitere Woche bestehen.

Mit einer Lichterkette auf dem Bautzener Kornmarkt wird für eine friedliche Lösung von Konflikten demonstriert Foto: dpa

Bautzen epd | Nach den gewalttätigen Ausschreitungen in Bautzen übt Sachsens Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (CDU) Kritik an Polizei und Landkreis. „Ich frage mich, warum es erst zur Eskalation kommen muss. Alkoholmissbrauch, Belästigungen, Zusammenrottung, letztlich Gewalt unter der Verwendung fremdenfeindlicher und nazistischer Symbolik kann vorher begegnet werden“, sagte Mackenroth in einem Interview mit den Dresdner Neuesten Nachrichten. Auch das Kreisjugendamt werde seine Strategie überdenken müssen, wie es die unbegleiteten Flüchtlinge unterbringen und betreuen will, fügte er hinzu.

Junge Flüchtlinge und vorwiegend rechtsextreme Einheimische waren am Mittwoch in der vergangenen Woche auf dem Bautzner Kornmarkt aufeinander losgegangen. 30 Strafverfahren wurden inzwischen eingeleitet. Ermittelt wird nach Angaben der Polizei unter anderem wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Beleidigung. Die mutmaßlichen Täter kommen aus beiden Gruppen.

Mackenroth wirft den Behörden in Bautzen vor, „die Probleme gesehen, aber unter Abgrenzung ihre Verantwortung verschoben“ zu haben. Er appellierte in diesem Zusammenhang an die Stadt, Ordnungsbehörden, den Landkreis und die Betreiber der Unterkünfte, „Störer durch permanente Kontrollen“ zu entlarven und auf der anderen Seite die Asylbewerber durchgängig zu betreuen.

Schauplatz der Krawalle vor gut einer Woche war der Bautzner Kornmarkt. Der Platz steht seitdem unter verstärkter polizeilicher Kontrolle. Nach Angaben der Stadtverwaltung ist der Kontrollbereich auf dem Kornmarkt um eine weitere Woche verlängert worden. Am Mittwoch wurde in Bautzen auf Initiative des CDU-Landtagsabgeordneten Marko Schiemann ein Runder Tisch zu den Auseinandersetzungen ins Leben gerufen.

Nach Angaben der Stadt unterstützen derzeit fünf bis sechs Wachpolizisten einen dauerhaften Streifendienst in Bautzen. Ob der Kontrollbereich um den Kornmarkt vom 3. Oktober an weiter verlängert wird, müsse noch geprüft werden, hieß es.

Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) hat unterdessen eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bautzen besucht. Im Gespräch mit den 18 Jugendlichen mahnte er, sich nicht provozieren zu lassen. Die jungen Flüchtlinge stünden in der öffentlichen Wahrnehmung unter besonderer Beobachtung. „Auch wenn es für Jugendliche nicht einfach ist, in der aktuellen Situation sollte man sich ein bisschen wie Heilige benehmen“, erklärte Ahrens.

Aus Sicht des Landratsamtes Bautzen besteht kein generelles Problem mit jungen unbegleiteten Flüchtlingen. Von rund 180 minderjährigen Jugendlichen, die im Landkreis Bautzen betreut werden, gebe es lediglich mit sechs von ihnen „gravierende Probleme“, hieß es. Problematisch sei jedoch, dass die Verfolgung von Straftaten zu lange dauere.

An dem Runden Tisch nahmen Vertreter des Landes, der Görlitzer Polizeipräsident Conny Stiehl sowie Vertreter des Stadtrates und des Landratsamtes Bautzen teil. Um weitere Eskalationen zu verhindern, arbeitet Bautzen auch an einem Konzept für den Einsatz von Streetworkern.

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4 Kommentare

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  • 6G
    64457 (Profil gelöscht)

    @ N. Pfaff: Das "Provinzblatt" Sächsische Zeitung schreibt heute, dass der mutmaßlich libysche Rädelsführer im Internet mit MP posierte. Ist das weniger schlimm, weil es auch anständige Flüchtlinge gibt? Ja, laut Jugendschutz gehören Minderjährige, egal woher, nachts nach Hause und maximal mäßigem Alkoholkonsum unter Aufsicht ausgesetzt. Müssen sich alle Demokraten mal fragen, warum sie das nicht geschafft haben und daher Populisten das Feld überlassen. Der OB gab im TV zu, die Lage anfangs unterschätzt zu haben.

    • @64457 (Profil gelöscht):

      Haben Sie jugendliche Kinder?

  • Dieser Artikel hätte genauso auch in WELT, FAZ oder jedem reflexionsarmen Provinzblatt erschienen sein können. Der Sprachgebrauch könnte unreflektierter nicht sein, journalistische Fragen zur Tickermeldung der Nachrichtenagenturen unterbleiben leider völlig.

    Wie anderswo werden ohne jeden Zweifel in der Auseinandersetzung immer die "Flüchtlinge" zuerst genannt und den "Einheimischen" gegenübergestellt: wer sind denn letztere? Was war die Vorgeschichte?

    Völlig unhinterfragt wird auch die Erwartung wiedergegeben, die "Flüchtlinge" dürften sich eben nicht provozieren lassen, müssten rundum betreut (also beim Ausgang begleitet oder eingesperrt oder was ist hier gemeint?) oder wahlweise auch sich eben besonders korrekt benehmen. Warum? Weil sie hier nicht "zuhause" sind?

    Den Gipfel bildet dann allerdings, dass es hier ein Thema ist, dass es mit 6 von 180 jugendlichen Geflüchteten Probleme gäbe, während die rechtsdominierte, zurückweisende und rassistische Kultur in der Stadt Bautzen absolut kein Thema ist.

    Das kann kaum Euer Ernst sein, liebe TAZ….

    • @nien:

      Der Beitrag ist eine Pressemeldung und nicht von taz-Autor_innen oder Reporter_innen geschrieben.

       

      Aber Sie haben recht, die rechte Seite wird in Bautzen (und Umgebung) wie meist in Sachsen zu wenig beachtet.