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Rechte Gewalt gegen GeflüchteteAngriffe auf Unterkünfte nehmen zu

Bis zum Oktober gab es im Jahr 2024 schon fast so viele Attacken auf Unterkünfte wie 2023. Angriffe auf Geflüchtete selbst gehen vorerst zurück.

Mögliche Einschusslöcher in einer Jalousie einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Marienfelde haben zu einem Polizeieinsatz geführt Foto: Marco Porzig/TNN/dpa

Berlin taz | Schon jetzt ist absehbar, dass die Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte dieses Jahr deutlich höher liegen wird als im Vorjahr. Das zeigen Hochrechnungen auf der Basis von Zahlen, die die Linken-Abgeordnete Clara Bünger bei der Bundesregierung erfragt hat. Bünger sagte der taz: „Die Bewohner und Bewohnerinnen dieser Orte sind aufgrund ihrer Fluchterfahrung besonders vulnerabel und brauchen Schutz und Sicherheit statt ständiger Übergriffe.“ Gleichzeitig sinkt die Zahl der Angriffe auf Geflüchtete außerhalb der Unterkünfte offenbar.

Aus der Antwort der Bundesregierung geht zunächst hervor, dass es zwischen Juni und September insgesamt 19 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte gab, wobei 8 Personen verletzt wurden. Das sind deutlich weniger Angriffe als im ersten (72) und zweiten Quartal (64). Allerdings fehlen für das dritte Quartal bisher noch die Nachmeldungen, die die Zahlen oft mehr als verdoppeln.

Aber auch so lässt sich schon absehen, dass die Gesamtzahl für 2024 deutlich höher liegen dürfte als für 2023. Damals wurden für das gesamte Jahr mit Nachmeldungen insgesamt 167 Angriffe auf Unterkünfte registriert, für das laufende Jahr sind es von Januar bis Oktober schon 155, wobei es sich eben noch um vorläufige Zahlen handelt, die noch steigen dürften.

Bünger sagte dazu: „Diese Übergriffe sind das direkte Ergebnis einer politischen Rhetorik, die von rechten Parteien und ihren Unterstützern und Unterstützerinnen geschürt wird.“ Sie macht dafür aber auch SPD, Grüne und FDP verantwortlich: „Die Migrationspolitik der Ampel-Koalition hat in den letzten Jahren Angst und Ausgrenzung gefördert und damit das Klima für solche Angriffe geschaffen.“

20 Prozent aller Attacken in Brandenburg

Aus der Antwort der Bundesregierung geht aber auch hervor, dass es zuletzt weniger Angriffe auf Geflüchtete außerhalb ihrer Unterkünfte gab. Wurden im Vorjahr noch fast 2.500 solcher Attacken registriert, sind es 2024 bis einschließlich Oktober „nur“ etwa 1.200. Aber auch hier fehlen für das dritte Quartal noch die Nachmeldungen.

Zu den sinkenden Zahlen sagt Bünger: „Wir müssen uns schon fast darüber freuen.“ Und weiter: „Das ist katastrophal und traurig, denn jeder Angriff ist einer zu viel.“ Sie verweist auch auf die geografische Verteilung der Vorfälle: Während in Sachsen nur 5 Prozent aller Geflüchteten leben, entfallen über 12 Prozent aller Angriffe auf dieses Bundesland. Das Bild in Brandenburg ist noch dramatischer. Hier leben lediglich rund 3 Prozent aller Asylbewerber*innen, gleichzeitig finden fast 20 Prozent aller Attacken hier statt.

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7 Kommentare

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  • "um vom wahren Übel abzulenken" - was ist denn in ihren Augen das "wahre Übel" ?



    Und wenn alle, aber wirklich alle (!) Parteien und deren Mitglieder (die ja auch nur aus Menschen hier im Land bestehen) außer den Linken und den Grünen (und damit reden wir aktuell von ca. 15-20% ) Migration als großes Problem ansehen, sehen sie immer noch nicht das es vielleicht auch ihre Linke Sicht ist die einfach nicht mehrheitsfähig ist..



    Mitnichten sind das alles Rassisten in CDU/CSU/FDP/AFD/BSW oder Medien. Das die Medien bis auf wenige Ausnahmen sogar eher "grün" orientiert sind ist mittlerweile auch durch verschiedene Erhebungen offensichtlich, von "rechter Hetze in den Medien" sind wir also WEIT entfernt.

    • @hkj2314:

      Sie haben vollkommen Recht, der tiefgrüne Springer-Konzern ist der größte Verteidiger der Ausländer- und Flüchtlingsrechte in Deutschland und beschämt alle anderen Medien durch seine Berichterstattung, die objektiv und frei von jeder Hetze ist.

  • Wer hätte es gedacht? Nachdem inzwischen alle Parteien außer der Linken gegen Gefüchtete als die Wurzel allen Übels hetzen, um vom wahren Übel abzulenken, ist der Kern des Rassismus natürlich in der Bevölkerung gestärkt. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, muss miterleben, dass inzwischen öffentlich kein Blatt mehr vor den Mund genommen wird.



    Und die Presse hetzt fließig mit. So wird gerade viel über Femizide geschrieben und dass jeden Tag eine Frau ermordet wird in Deutschland. Aber niemand zieht eine Verbindung zum letzten Medienrummel um das Attentat von Solingen, das laut Merz eine "nationale Notlage" anzeige. Wie groß mag die Notlage eines Mordes sein, wenn jeden Tag eine Frau getötet wird? Und da sind die vielen toten Männer noch nicht mitgezählt.



    Die Presse sollte in der Lage sein, und es auch tun, solche Dinge in Maß ihrer Bedeutung zu verknüpfen.

  • Danke für die Erwähnung, dass nicht nur die rechten Parteien und Organisationen dafür mitverantwortlich ist. Das sind auch jene Kräfte in der aktuellen Regierung, ebenso große Teile der Opposition (mit CDU/CSU) die dies Vorschub leisten. Aktuell will ja fast jeder die AfD noch rechts überholen in den Forderungen zur Verschärfung der Asylpolitik.



    Da hätte man also auch CDU/CSU durchaus mit benennen können, wo auch Landtagspolitiker keine Probleme haben mit der AfD zu klüngeln...

    Das in Brandenburg und Sachsen, die Zahlen so sind, ist ja jetzt auch nichts Neues. Bei einer Polizei die nur die Augen nach links offen hat, und wo der Verfassungsschutz immer wieder gerne Geld, Autos, Waffen und Logistik in den rechten Gruppierungen unterbringt, ist das nun nicht wirklich überraschend. Es zeigt einmal mehr, der Staat schaut nicht nur zu, sondern er hilft tatkräftig mit!

  • Was zählt denn als "Angriff" und interessant wäre hier - wer sind die Angreifer?



    Zählt es auch als Angriff wenn ein Geflüchteter die eigene Flüchtlingsunterkunft abfackelt wie gerade passiert? Nur mal so als Frage...

    • @hkj2314:

      Ich korrigiere mich mal:



      Natürlich nehmen die "Angriffe" zu, das ist die direkte Folge der Zunahme der Hetze durch Politiker, staatliche Institutionen und sogenannte "normale Bürger"

  • Natürlich nehmen die "Angriffe" zu, das ist die direkte Folge der Zunahme der Hetze durch Politiker und staatliche Institutionen.