Recht auf Asyl: Willkürliche Ungleichbehandlung
Um seiner Abschiebung zu entgehen, flüchtete ein Eritreer ins Kirchenasyl. Sein Anwalt sagt: Er müsste bleiben dürfen wie derzeit ein Syrer.
Für alle Syrer hat Deutschland das sogenannte Dublin-Verfahren ausgesetzt. Das heißt: Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland sollen nicht mehr in jenen EU-Staat zurückgeschickt werden, in dem sie zuerst registriert wurden. Die Begründung: Es ist damit zu rechnen, dass die Syrer hier bleiben dürfen.
Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden zuletzt 85 Prozent der über 31.000 Asylanträge syrischer Flüchtlinge positiv entschieden. Doch auch 73 Prozent der Eritreer dürfen bleiben, gemessen an etwas mehr als 2.100 Anträgen. Allerdings stehen 22 Millionen Syrern nur etwa fünf Millionen Eritreer gegenüber.
Deren Anerkennungsquote ist indes deutlich größer als bei allen übrigen Staaten dieser Welt: Abgesehen von Irak und Afghanistan liegt die Schutzquote bei keinem Land jenseits der 40 Prozent. Für Sommerfeldt ist damit klar: Was für Syrer gilt, muss auch für Eritreer gelten. Das gebietet der Gleichheitsgrundsatz. Also hat er das Bundesverfassungsgericht angerufen. Eine Entscheidung von dort steht aber noch aus.
Rund 400.000 Eritreer halten sich derzeit als Flüchtlinge in Europa auf, aus keinem afrikanischen Land fliehen momentan mehr Menschen. Ursache ist das als extrem brutal geltende Regime des Diktators Isayas Afewerki.
Im 484-seitigen Rapport belegt der UN-Menschenrechtsrat, dass Afewerki auf Folter und Menschenrechtsverletzungen zurückgreift, die „in einigen Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen dürften“.
Verschleppungen sind an der Tagesordnung und „Wächter haben die Erlaubnis, jeden im Gefängnis nach Gutdünken zu foltern“, so der UN-Bericht.
Junge Männer werden in Militärdienst und Zwangsarbeit gepresst und so „für unbestimmte Zeit missbraucht, ausgebeutet und versklavt“.
Laut den Vereinten Nationen fliehen jeden Monat rund 5.000 Eritreer ins Ausland. Die Menschenrechtslage in dem ostafrikanischen Land ist „äußerst prekär“, hat auch die UNO jüngst in einem 500-seitigen Bericht festgestellt. Es gibt zahlreiche Berichte, wonach in dem autokratischen Regime Menschen willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und getötet werden oder verschwinden.
Das Verwaltungsgericht in Stade sah dennoch keine „sachlichen Erwägungen“, die dafür sprechen, Eritreer wie Syrer zu behandeln – und dagegen, Hayat H. nach Italien abzuschieben. Zumal, so das Gericht weiter, auch nicht davon auszugehen sei, dass eine Abschiebung „unzulässig“ sei – das aber behauptet Sommerfeldt. Seine Begründung: Die derzeit „völlig unzureichende“ Unterbringung von Flüchtlingen in Italien. Dabei hat das Verwaltungsgericht Hannover dies jüngst genauso gesehen wie der Anwalt.
Sollte H. am 1. Dezember noch immer in Deutschland sein, ist die Abschiebung erst mal hinfällig. Dann liefe das Asylverfahren des Eritreers weiter und er bekäme eine „Aufenthaltsgestattung“, erklärt Sommerfeldt. „Dann hätte er gute Chancen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.“ So wie die Syrer auch.
Deshalb hat der Kirchenvorstand der Verdender Zionsgemeinde H. vorerst Unterschlupf gewährt. Es gehe darum, „Zeit zu gewinnen“, sagt Pastor Carsten Voß, zumal der Flüchtling „gesundheitlich in keiner guten Verfassung“ sei. Es ist das erste Mal, dass die Gemeinde ein Kirchenasyl gewährt, der Kontakt kam über gemeinsame Bekannte zustande. „Als Christen wollen wir ihm helfen“, sagt Voß.
In Verden ist er „halbwegs sicher“, sagt Sommerfeldt. Die Polizei dürfte H. zwar in der Kirchengemeinde abholen, um ihn nach Italien zu schaffen. Polizei und Ausländerbehörde sind auch informiert – „doch bislang kam keiner zu uns“, sagt Voß.
Der Eritreer habe „positive Aufnahme in der Gemeinde gefunden“, so der Pastor. Der Umstand, dass das Kirchenasyl nach acht Wochen beendet werden kann, also zum 1. Dezember, mag das erleichtert haben.
Zwar sei es „eher unwahrscheinlich“, dass Italien den Eritreer in sein Heimatland abschiebt, sagt Sommerfeldt. Vermutlich bekäme er auch dort „irgendwann eine Anerkennung“. Solange aber, so der Anwalt, müsste er in Italien – womöglich „auf der Straße“ – „unter menschenunwürdigen Bedingungen“ leben.
* Name von der Redaktion geändert
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