Recherche der Organisation Global 2000: Dubioser Deal mit Atomstrom
Der Kohlekonzern Leag soll nie erzeugten Strom des AKW Mochovce gekauft und damit Gewinn gemacht haben – auf Kosten des slowakischen Staats.
Volle 36 Jahre hatte der Bau des Blocks 3 des Atomkraftwerks Mochovce gedauert, ehe dieser Ende Januar schließlich in Betrieb ging. Allerdings lief er auch in den vergangenen Wochen nur mit eingeschränkter Leistung, weil immer wieder Reparaturen nötig wurden.
Zum Beispiel hätten beschädigte Signalkabel des Reaktors repariert werden müssen, berichtet Global 2000. Die Umweltschützer halten das für „besorgniserregend“. Außerdem seien an „Kühlwasserrohren der höchsten Sicherheitsklasse rostanfällige Verbindungen entdeckt“ worden. „Aus krimineller Absicht“ sei hier „geldsparend mit minderwertigem Material geschweißt“ worden.
Dass das Kraftwerk mit Verzögerung in Betrieb ging, hat aber außerdem zu auffälligen Transaktionen im Stromhandel geführt. Obwohl die technischen Probleme des AKW seit Jahren bekannt sind, habe der Firmenchef der Betreibergesellschaft Slovenské elektrárne, Branislav Strýček, bereits frühzeitig die gesamte im Jahr 2022 hypothetisch erzielbare Produktion des Reaktors verkauft, heißt es in einem Papier der österreichischen Umweltorganisation, das der taz vorliegt. Dabei habe zum Zeitpunkt des Verkaufs längst festgestanden, dass der Reaktor bis dahin technisch gar nicht einsatzbereit sein werde.
Verflochtene Unternehmen
Der Strom soll an den deutschen Stromkonzern Leag gegangen sein, das wisse man von Informanten, heißt es von Global 2000. Damit stehen die nicht erzeugten Strommengen im Zentrum eines delikaten Deals: Die Leag gehört nämlich jeweils zur Hälfte dem tschechischen Braunkohle-Oligarchen Daniel Křetínský und seiner EPH-Holding sowie deren Finanzpartner PPF Investments. Eben diese EPH besitzt aber auch ein Drittel des AKW-Betreibers Slovenské elektrárne.
Wie die österreichische Umweltorganisation weiter berichtet, habe die Leag mit dem günstig eingekauften Strom enorme Profite gemacht, als die Börsenpreise anschließend stark anstiegen. Umgekehrt musste Slovenské elektrárne den billig verkauften, aber nie erzeugten Strom selbst dann offenbar teuer zukaufen, um den eingegangenen Lieferverpflichtungen nachzukommen. Da sich die privaten Eigentümer des Unternehmens weigerten, für die Verluste aufzukommen, müssten am Ende „wohl die slowakischen Steuerzahler die Zeche zahlen“, so Global 2000. Der slowakische Staat hat an dem Unternehmen nämlich auch einen Anteil von einem Drittel. Weder die Leag noch Slovenské elektrárne beantworteten Anfragen der taz zu diesem Vorfall.
Verschuldete Betreibergesellschaft
Die Vorgänge treffen die Betreibergesellschaft des Atomreaktors Mochovce in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. Slovenské elektrárne ist mit 4,2 Milliarden Euro verschuldet und bekommt nach Medienberichten keine Kredite mehr. „Wenn der Staat uns keine 400 Millionen gibt, wird die Fertigstellung des vierten Blocks von Mochovce möglicherweise eingestellt“, musste im vergangenen Herbst Unternehmenschef Strýček einräumen.
Auch dieser Block 4 ist bereits seit 36 Jahren im Bau und wird aufgrund ebenfalls schwerwiegender technischer Probleme frühestens im Frühjahr 2024 ans Netz gehen können. Wie Global 2000 berichtet, verzögert sich die Inbetriebnahme „wegen krimineller Machenschaften und Pfusch am Bau bereits seit zwölf Jahren“. Die Umweltorganisation betont, sie werde auch „weiterhin die immer wieder auftretenden Vorfälle in Mochovce ans Tageslicht bringen und bei der slowakischen Kripo anzeigen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz