Rebellen im Museum: Ungewöhnlich umverteilen
Das spanische Nationalmuseum Reina Sofía will vier historische Kanus von Zapatisten erwerben. Die Indigenen haben angekündigt, das Geld an die Flüchtlingshilfe zu spenden.
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W irklich nachvollziehen konnten die Zapatist*innen das Angebot zunächst nicht. „Aus irgendeinem unverständlichen Grund hat das Museum beschlossen, die Stücke zu kaufen“, schrieben die indigenen Rebell*innen in einem Brief, der jüngst veröffentlicht wurde. „Vielleicht um Sympathien für den anachronistischen Kampf für das Leben zu zeigen?“, fragten sie sich. Wie gewohnt war der Text von einem prosaischen und sarkastischen Stil gezeichnet, den der ehemalige Sprecher des Zapatistischen Befreiungsheers (EZLN), Subcomandente Marcos, geprägt hat.
Die Rede ist unter anderem von vier Kanus, bemalt mit Bildern, die vom Leben der Mayas und dem heutigen Alltag in den autonomen zapatistischen Gemeinden im Bundesstaat Chiapas zeugen und die das spanische Nationalmuseum Reina Sofía erwerben will. Das „Geschwader 421“ – vier Frauen, zwei Männer, eine Transfrau – hatten die Boote mitgebracht, als sie 2021 als Vorhut einer großen EZLN-Delegation über den Atlantik segelten, um sich mit ihren europäischen Verbündeten zu treffen.
Bereits jetzt sind die Holzboote sowie ein bestickter Baumwollstoff, ein Gemälde und ein Video in dem Madrider Museum für zeitgenössische Kunst zu sehen. Noch sind die Ausstellungsstücke nicht im Besitz des Hauses, aber die Verhandlungen laufen und man wartet nur noch auf grünes Licht vom Kultusministerium. Von einem Kaufpreis von 25.000 Euro ist die Rede. „Wir hätten uns auf jede Summe eingelassen“, schreiben der EZLN-Sprecher Subcomandante Insurgente Moises und „SupGaleano“, wie sich Marcos heute nennt. Man hätte sogar etwas draufgezahlt, um die Stücke loszuwerden, aber das hätte ihre wirtschaftliche Situation wohl nicht zugelassen, erklären sie.
25.000 Euro sind für in armen Verhältnissen lebende Zapatist*innen verdammt viel Geld. Das hält die Rebell*innen nicht davon ab, das Geld der spanischen Organisation Open Arms zu spenden, die mit einem Schiff im Mittelmeer Flüchtlinge und Migrant*innen aus der Seenot rettet. „Wir haben mitbekommen, dass es Menschen gibt, die bei unmenschlichen Handlungen nicht zuschauen können, ohne diese beheben oder lindern zu wollen“, erklären die EZLN-Sprecher ihre Entscheidung. Die Botschaft kam an. „Aus dem kleinen Schützengraben auf hoher See kämpfen wir weiter gegen die mutwillige Tatenlosigkeit derjenigen, die für die Migrationspolitik der Europäischen Union verantwortlich sind“, reagierten die Open-Arms-Aktivist*innen auf die Spende.
Solche Aktionen sorgen nicht für Schlagzeilen. Weder in Mexiko noch in Europa. Auch die außergewöhnliche Reise der Zapatist*innen, mit der sie die koloniale Geschichte aus ihrer indigenen Sicht thematisierten, stieß auf wenig Interesse. Während die EZLN auf eine Organisierung „von unten“ setzt, starren viele mexikanische Linke auf den Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, der mit seiner anachronistischen Rückkehr zum paternalistischen Staat jede emanzipatorische, autonome Initiative diskreditiert.
Zugleich sind unabhängige Organisationen damit beschäftigt, gegen die ständige Gewalteskalation ein Minimum an menschenrechtlichen Garantien durchzusetzen. Für experimentelle Visionen bleibt da leider wenig Platz. Dass der Besuch der Indigenen auch in Europa nur in sehr begrenzten Kreisen wahrgenommen wurde, dürfte nicht zuletzt daran gelegen haben, dass die Mobilisierung häufig auf diese Zirkel beschränkt war.
Schade eigentlich. Trotz ihrer teilweise naiven, von linken Mythen geprägten Analysen zählen die Zapatist*innen zu den wenigen, die durch ihre basisorientierte Vernetzung zuerst jene im Blick haben, die am stärksten unter den herrschenden Verhältnissen leiden. Wohl deshalb haben sie als einzige linke Kraft in Mexiko gegen die russische Intervention in der Ukraine mobilisiert. Und aus demselben Grund haben sie Geflüchtete aus anderen Weltregionen im Blick, wenn es gilt, ungewöhnliche Einnahmen umzuverteilen.
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